US-Außenpolitik: Interventionisten voller Vorfreude

Antony J. Blinken als stellvertretender US-Außenminister im Januar 2016. Bild: U.S. Embassy Rangoon/gemeinfrei

Antony J. Blinken soll als Außenminister unter Biden die "Beziehungen zu den Verbündeten reparieren"

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Vor allem soll Antony J. Blinken wieder Vertrauen schaffen und die "Beziehungen zu den Verbündeten in der ganzen Welt reparieren", heißt es in Berichten zum mutmaßlich neuen US-Außenminister. Sowohl die New York Times wie auch CNN haben Informationen, wonach Blinken Mike Pompeo an der Spitze des State Departments ablösen soll.

Mit dem Durchsickern von Schlüssel-Personalien gibt Biden, über den sich Trump als alten "sleepy Joe" mokierte, Zeichen von Entschlossenheit und signalisiert seinen Unterstützern, dass er auf Kurs ist. Anders als Trump im Januar 2017, der damals noch keine Administration zusammengestellt hatte, will sich Biden bei seinem Amtsantritt als tatkräftig promoten im Kontrast zu Trump, der als lame duck auf Obstruktion setzt. Dabei legt sich Biden sehr ins Zeug, um die "Wiederherstellung von Verlässlichkeit" zu betonen. Das Konservative an der Maxime ist nicht zu übersehen.

Biden braucht Rückendeckung. Trump und seine Vertrauten machen ihm den Übergang nicht leicht; ab Januar muss er mit einer schmalen Mehrheit manövrieren. An der Personalie Blinken ist zu erkennen, wie das funktionieren könnte: Indem Biden auf einen neokonservativen Konsens setzt. Der Historiker und Journalist David Sessions formulierte die inneramerikanische Bündnispolitik Bidens so:

Im Grunde nimmt niemand in liberalen Kreisen die Folgen dessen ernst, dass die Exilkader der Republikanischen Partei eine massive Machtbasis in der Demokratischen Partei aufbauen.

David Sessions

Das schrieb Sessions schon im Sommer, da kursierten bereits Bilder von Antony J. Blinken und Jake Sullivan, der angeblich für den Posten als neuer Nationaler Sicherheitsberater vorgesehen ist, als "Gesichter der neuen US-Außenpolitik". Nahost-Experten, die wenig von einer US-amerikanischen Interventionspolitik halten, vor allem nicht in Syrien, reagierten nicht gerade optimistisch. Anders dagegen Think-Tanker vom Schlage des Briten Charles Lister, der sich seit vielen Jahren für ein stärkeres militärisches US-Engagement in Syrien einsetzt. Lister, der in Baschar al-Assad und Wladimir Putin die Feinde eines stabilen Syriens sieht, freut sich aktuell sehr:

Wir werden bald eine wirklich erstklassige Außenpolitik und eine ebensolche in der Führung der nationalen Sicherheit haben. @ABlinken, @jakejsullivan, Michele Flournoy (Verteidigungsministerin, & Linda Thomas-Greenfield (UN-Botschaftern). Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu Trumps Chaos.

Charles Lister

Wie wird Antony J. Blinken "erstklassige" Außenpolitik aussehen?

Blinkens Vergangenheit und seine Verbindungen sprechen nicht dafür, dass er zum Lager der restrainers (wörtlich "die Zurückhaltenden") gehört, das in Opposition zu den eher angriffslustigen Interventionisten steht.

Das Credo der Restrainers hatte Stephan M. Walt, Autor eines Buches über die "Hölle guter Absichten der Außenpolitik der amerikanischen Elite", kürzlich so beschrieben: für den Stopp der Verschwendung von Zeit, Geld, militärischem Personal und politischer Legitimität im Namen der Verbreitung von Demokratie und liberalen Werte in der Welt. Für den Stopp der Unterstützung reicher Verbündeter, die sich selbst verteidigen können, für den Stopp der Hyperglobalisierung.

Das ist, wie unschwer zu erkennen, in dieser Skizzierung nahe dran an Trumps Außenpolitik. Bidens Außenpolitik orientiert sich, wie es Antony J. Blinken als Chef des State Departments zu erkennen gibt, an den Linien von Bill und Hillary Clinton und an Obamas Politik im Nahen Osten. Für alle drei war Blinken tätig. Auch hat er einige Sympathien für die Regierung George W. Bush, weil dieser den Anspruch der USA als Führungsmacht behauptete: Das ist Blinken sehr wichtig. Wie das mit einer dem Anspruch nach progressiven, linken Politik, die die Demokraten ja auch vertreten wollen, zu vereinbaren ist? Gar nicht, sagt Cornel West.

Blinken unterstützte Bidens Teilungsplan für den Irak, er war sein Berater, als sich Biden für den Irak-Krieg aussprach und er trat für mehr US-Engagement bei Waffenlieferungen in Syrien unter Obama ein. Die Karriere Blinkens ist eng mit der von Joe Biden verknüpft. Sie arbeiten seit mehreren Jahrzehnten zusammen. Seine Loyalität zu ihm ist groß. Blinken plädierte dafür, die Berichterstattung über Bidens undurchsichtige Verwicklungen in der Ukraine zu unterbinden.

Im Ukraine-Konflikt 2014 stellte sich Blinken deutlich auf die Seite deutlich derjenigen, die daraus den Schluss einer wachsenden Gefahr durch eine russische Expansion zogen. Seine Beurteilung Putins ähnelt der Obamas. Der Perspektive des neuen Außenministers auf die Annäherung zwischen westlichen Staaten und Russland in den 1990er Jahren und den frühen 2000ern unterliegt die Erzählung, dass die USA Russland "nur Gutes gebracht" haben. Dass damit nur bestimmte Personen und Gruppen unterstützt wurden und Neoliberalismus auf Kosten Ärmerer geschürt wurde, davon ist nicht die Rede. Auch nicht von der Kompliziertheit der internen russischen Machtverhältnisse.

Das Wiederherstellen verlässlicher Beziehungen zu den Verbündeten, wie es mit einem Außenminister Blinken als Versprechen verbunden wird, dürfte darauf hinauslaufen, dass Putin wieder die alte Feind-Rolle im Playbook der Washingtoner Außenpolitik zugewiesen bekommt - anders als unter Trumps Präsidentschaft.

Die gesprächsbereite Biden-Administration

Blinken ist wie auch andere Mitglieder der neuen Biden-Administration gut vernetzt mit Vertretern der Waffenindustrie. Zusammen mit der wahrscheinlich neuen Verteidigungsministerin Michèle Flournoy gründete er ein Strategieberatungsunternehmen namens WestExec Advisors (Bildet Joe Biden ein Kriegskabinett?). Beides spricht für eine Politik, die nicht unabhängig von Interessen der Waffenindustrie agiert. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass er auf einen anderen Ton gegenüber Iran setzt. 2015 sprach er sich für Verhandlungen über Syrien mit Iran aus. Ein Entspannungspolitiker ist er deswegen nicht.

Das Interview mit France 24, in dem er betonte, dass es für Syrien "keine militärische Lösung" gebe, erschien kurz nach Beginn des russischen Militäreinsatzes in Syrien. Blinkens drang auf einen politischen Übergang in Syrien, was im damaligen politischen Verständnis auf jeden Fall gleichbedeutend mit Regime Change war. Sämtliche Verhandlungen in Genf scheiterten an der Frage zur Zukunft Baschar al-Assads.

Der syrische Präsident hat sie mit russischer Hilfe selbst beantwortet. Er ist noch immer an der Macht, die Versuche, ihn wegzudrücken, liefen unter der Präsidentschaft Trumps nicht mehr mit den Mitteln des verdeckten Kriegs über islamistische bis dschihadistische Milizen, die unter Obama mit einem Milliardenprogramm unterstützt wurden, sondern über einen Wirtschaftskrieg. Sanktionen in größter Härte machen das Leben für die syrische Bevölkerung schwer. Anzeichen dafür, dass dies für eine "politische Transformation" sorgt, gibt es nicht. Die Sanktionen wurden jüngst nochmal verstärkt. Die Trump-Regierung will damit auch Iran treffen.

Von Blinken gab es bislang noch keine Erklärungen dazu, ob zur künftigen Syrienpolitik eine Erleichterung der Sanktionen gehört. Da er sich bisher stets für die härtere Gangart gegenüber der syrischen Regierung eingesetzt hat, ist keine einseitige Rücknahme zu erwarten, die ohne Preis auskommt. Der Schlüssel für die künftige Syrienpolitik wird wie unter Trump beim US-Verhältnis zu Iran ansetzen. Biden ist bekanntlich für den Wiedereintritt der USA in das Nuklearabkommen JCPOA, verbindet dies aber mit Bedingungen. Auch Blinken äußerte sich in diesem Sinn.