Meeresspiegel: Unter Beobachtung

"Die erschreckende Wasser-Fluth": Darstellung einer nach Deichbruch überfluteten Stadt. aus dem Jahr 1683 Bild: Gemeinfrei

Neuer Satellit soll Meeresspiegel vermessen. Anstieg könnte sich weiter beschleunigen

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Die Europäische Raumfahrtagenturen ESA hat am Samstag vor einer Woche einen neuen Satelliten in den Orbit geschickt. Am 21. November startete mit „Sentinel 6“ der erste von zwei baugleichen Satelliten des EU-Copernicus-Programms.

Los ging es nicht, wie sonst bei den Europäern üblich, vom französischen Weltraumbahnhof Kourou in Guayana. Auch nicht von Cape Canaveral im US-amerikanischen Florida. Vilemehr wurden die Triebwerke auf dem Stützpunkt Vandenberg der US Airforce in Kalifornien gezündet. Trägerrakete war eine „Falcon 9“ des Privatunternehmens Space X von Tesla-Gründer Elon Musk.

Wie seine gleichnamigen Vorgänger soll "Sentinel 6" nun die Erde und vor allem die Ozeane unter die Lupe nehmen. Wenn alles gut geht, wird der Satellit aus seiner Umlaufbahn von durchschnittlich 1.336 Kilometer mindestens bis zum Jahr 2030 Daten liefern.

Im Winkel von 66 Grad zur Äquatorebene wird er die Erde im schnellen Tempo von Polarkreis zu Polarkreis umrunden und damit den ganz überwiegenden Teil der Ozeane abdecken. Da sich der Planet unter dem Satelliten wegdreht, wird er jeden Punkt der Erde außerhalb der arktischen und antarktischen Region alle zehn Tage überstreichen.

Von besonderem Interesse sind dabei die Instrumente zum Vermessen des Meeresspiegels. An Bord befinden sich ein sogenannter Radar-Altimeter, der die Entfernung zur Oberfläche per Radar messen kann. Der Messvorgang ist hier erklärt. Exakte Bestimmung der Satellitenhöhe mittels andere Satelliten und hohe Messdichte erlauben seit Anfang der 1990er Erfassungen mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich.

Was zuvor mit ungleichmäßig verteilten Pegelmessungen an den Küsten festgestellt wurde, wissen wir also inzwischen sehr genau: Das Wasser steigt, und zwar inzwischen rasant, wie kürzlich berichtet. Zwischen 2010 und 2019 sind die Meere im globalen Mittel um fast fünf Zentimeter gestiegen. Zum Vergleich: Im ganzen 20. Jahrhundert waren es nur 20 und zwischen 1990 und 2009 sechs Zentimeter gewesen.

Der neue Satellit wird uns nun ein genaues Bild davon liefern, ob sich der Meeresspiegelanstieg weiter beschleunigt, wie es die meisten Klimawissenschaftler erwarten. Ein weiterer Meter bis zum Ende des Jahrhunderts wäre durchaus möglich. Manches deutet daraufhin, dass insbesondere der Westantarktische Eisschild, der größerenteils auf Meeresuntergrund ruht, instabil werden und relativ schnell größere Mengen Eis verlieren könnte.

Für viele niedrig liegende, dicht besiedelte Küstenregionen wie den Süden Vietnams, die Region nördlich von Shanghai oder auch die belgischen, niederländischen und deutschen Nordseeküsten könnte das fatale Folgen haben. Die Gewalt der Sturmfluten nimmt nämlich mit steigendem Meeresspiegel exponentiell zu.

Tiefere Küstengewässer in Folge steigender Wasserstände bedeuten unter anderem, dass die gegen die Küsten schlagenden Wellen höher und kräftiger werden. In der ARD-Mediathek zeigt derzeit die Miniserie „Wenn die Deiche brechen“, was dies für die Niederlande und Belgien bedeuten könnte.

Wie verwundbar Küsten in aller Welt sind, kann außerdem hier mit topographischen Daten nachvollzogen werden. Und wer mehr über die Rolle der Ozeane im Klimawandel erfahren möchte, kann sich auf youtube einen Vortrag von Stefan Rahmstorf anschauen, der am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung die Abteilung Erdsystemforschung leitet und an der dortigen Universität Physik der Ozeane lehrt.