Trump heizt Kolonialkonflikt um Westsahara an

Poliario-Truppen zum 32. Jahrestag der Organisation. Foto: Western Sahara, CC BY-SA 2.0

Anerkennung von Anspruch Marokkos im Gegenzug zu Aufnahme diplomatischer Beziehungen Rabats zu Israel

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Es war ein fatales Signal des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump: Ausgerechnet am Donnerstag, dem Tag der Menschenrechte, erkannte er den Anspruch Marokkos über die Westsahara an. Das gab Trump per Twitter bekannt. Der "ernsthafte, glaubwürdige und realistische Autonomievorschlag Marokkos ist die EINZIGE Grundlage für eine gerechte und dauerhafte Lösung für dauerhaften Frieden und Wohlstand!", schrieb er unter klarer Verletzung des Völkerrechts und Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, nach deren Position die Entkolonisierung des Gebiets weiter aussteht.

Daran gab es auch in den USA Kritik. Der demokratische Senator Patrick Leahy etwa twitterte, Trump könne nach seiner Abwahl "nicht durch eine 'Proklamation' das internationale Recht oder die Rechte des Volkes der Westsahara negieren". Auch aus Trumps Partei kommt heftige Ablehnung. Der republikanische Senator Jim Inhofe zeigte sich von dessen Vorgehen "schockiert und zutiefst enttäuscht".

Trump will Marokko die Hoheit über die Westsahara im Gegenzug dafür zubilligen, dass das autokratische Königreich die Beziehungen zu Israel normalisiert. Denn nun will auch Marokko – wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und der Sudan zuvor – seine Beziehungen zu Israel normalisieren, was Trump einen "HISTORISCHEN Durchbruch" nennt. Die beiden Staaten hätten "volle diplomatische Beziehungen vereinbart", fügte er hinzu. Tatsächlich hat die Normalisierung der Beziehungen von Marokko zu Israel aber schon 1994 begonnen, als beide Länder Verbindungsbüros eingerichtet und ihre wirtschaftlichen Beziehungen vertieft hatten.

Klare Verletzung des Friedensabkommens von 1991

Der neue Vorstoß, mit dem Trump auch in dieser Frage vor seinem Abgang noch Fakten schaffen will - wie zum Beispiel auch beim Truppenabzug aus Afghanistan und dem Irak - (Afghanistan und Irak: Abzug vor dem Abzug?) ist eine klare Unterstützung für Marokko gegen das vereinbarte Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara, das Grundlage für den Waffenstillstand mit der Befreiungsfront Polisario im Jahr 1991 war.

Damit verhindert Trump auch eine Aufklärung der massiven Menschenrechtsverletzungen, unter denen die Bevölkerung in den besetzten Gebieten leidet. Allerdings hatten schon verschiedenen vorherige US-Regierungen Marokko Pläne für eine begrenzte "Autonomielösung" unterstützt (Marokkos König will reformieren). Denn Marokko hat zum Beispiel auch mit US-Firmen längst Verträge über die Ausbeutung von Erdölvorkommen in der Westsahara geschlossen (Überraschende Entscheidung zur Westsahara).

Aber auch deutsche Firmen stehen in der Kritik. Siemens etwa ist an einem Windparkprojekt im besetzten Gebiet beteiligt. Auch andere Ressourcen aus der Westsahara soll Marokko an EU-Länder liefern, wird berichtet.

Solch eine Politik hat Marokko stets darin bestärkt, das Referendum zu hintertreiben, das von der UN-Mission Minurso überwacht werden soll. Die UN zeigte sich aber unfähig, die Pläne gegenüber dem autokratischen Königreich durchzusetzen und verlängert die Mission ständig, ohne zu dem erwünschten Ergebnis zu gelangen (Überraschende Entscheidung zur Westsahara). Diese Blauhelm-Mission hat aber, anders als sonst bei UN‑Missionen üblich, nicht einmal das Mandat, über Menschenrechte in dem Gebiet zu wachen. Auch verfügt sie über keinen Sonderbeauftragten mehr, nachdem der deutsche Horst Köhler (CDU) das Amt vor eineinhalb Jahren aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat. Seine Vermittlung, in die Hoffnungen gesteckt worden waren, verliefen wie alle anderen zuvor erfolglos im Sand.

Polisario kündigte im November die Waffenruhe auf

Auf welcher falschen Grundlage der letzte Minurso-Bericht erstellt wurde, zeigte sich erst kürzlich, als nach immer neuen marokkanischen Provokationen (auch bewaffneten) die Polisario nach 39 Jahren die Waffenruhe Mitte November schließlich beendet hat. Seither kommt es wieder ständig zu bewaffneten Auseinandersetzungen (Westsahara: Marokko provoziert, Polisario beendet Waffenstillstand). Noch im September zeigte sich der UN-Generalsekretär António Guterres davon überzeugt, "dass eine Lösung der Westsahara-Frage" möglich sei. "Die Suche nach einer gerechten, dauerhaften und für beide Seiten akzeptablen politischen Lösung, die die Selbstbestimmung des Volkes der Westsahara im Einklang mit den Resolutionen 2440 (2018), 2468 (2019) und 2494 (2019) gewährleistet, erfordert weiterhin einen starken politischen Willen der Parteien und der internationalen Gemeinschaft", heißt es in seinem Bericht zur Westsahara.

Der Bericht weist allerdings auch darauf hin, dass Marokko die Westsahara faktisch abgeriegelt hat. Nicht einmal der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) habe Zugang zu dem besetzten Gebiet. Das führe "weiterhin zu erheblichen Lücken bei der Überwachung der Menschenrechte". Angeführt wird auch, dass auch Menschenrechtsorganisationen, Anwälte oder Politiker-Delegationen von Marokko der Zutritt verweigert wird. So zeigt sich auch die UN "besorgt über den anhaltenden Trend zur Einschränkung der Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit in der Westsahara durch die marokkanischen Behörden".

Zunahme der Kämpfe, kaum Zugang für Presse

Die Menschenrechtslage hat sich seit Ausbruch der Kampfhandlungen weiter verschärft, wie Nichtregierungsorganisationen kritisieren. So wiesen die Reporter ohne Grenzen (RSF) schon im vergangenen Jahr darauf hin, dass sich die Westsahara zu einem "schwarzen Fleck" in der Berichterstattung entwickelt habe. Die Region sei schon vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen eine "No-Go Zone für Journalisten" gewesen. Dass es sich bei der Sahara auch um eine "Informationswüste" handele, "rührt vor allem aus der ständigen Verfolgung und Unterdrückung sahrauischer Journalisten" und der "Tatsache, dass es für ausländische Journalisten unmöglich ist, dort zu arbeiten", stellt der RSF-Bericht fest.

Einige Journalisten versuchen über Equipe Media die faktische Sperre von Informationen, die von Marokko nicht kontrolliert werden, zu durchbrechen. Der preisgekrönte Journalist Ahmed Ettanji ist Präsident der Gruppe. Er berichtete im Interview, dass er kürzlich nicht einmal unbehelligt von marokkanischen Sicherheitskräften heiraten konnte. "Niemand durfte ins Haus oder aus dem Haus heraus."

Massiv seien Besatzungstruppen in den besetzten Gebieten zusammengezogen worden. "Es gibt Razzien in Häusern der Sahrauis" und auch Aktivisten "werden noch stärker überwacht" als schon zuvor. Zudem würde versucht, "Demonstrationen zu verhindern", jungen Leuten die Handys abgenommen, "um zu überprüfen, ob sie Fotos mit einer Flagge der Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS)" darauf haben. Die DARS wurde inzwischen von 85 Staaten weltweit anerkannt. "Wir leben in einem Freiluftgefängnis", stellt der Journalist fest, der von einer "dauernden Überwachung" der Journalisten spricht, die bisweilen auch festgenommen würden.

Aktivisten rund um die Uhr überwacht

"Mit der zunehmenden Konfrontation steigt der Druck auf Menschenrechtsaktivisten und Unterstützer der Selbstbestimmung", hat zum Beispiel auch Amnesty International in einem Bericht gerade festgestellt. Marokkanische Polizei habe die Häuser von Aktivisten und Journalisten in verschiedenen Städten umstellt, nennt die Menschenrechtsorganisation auch Namen von Betroffenen, darunter auch der Präsident von Equipe Media.

Von solchen Vorgängen berichten auch Menschenrechtsaktivsten wie Hassan Duihi, stellvertretender Vorsitzender der Liga zum Schutz der sahrauischen Gefangenen. Er stellt fest, dass die Aktivisten nun "rund um die Uhr überwacht" würden. Städte in den besetzten Gebieten "gleichen einem großen Kommissariat", fügt Duihi an. Wer eine DARS‑Flagge, Fotos von Protesten oder der Polisario auf dem Handy habe, werde mitgenommen.