Ein Jahrhundertfund?

Die kulturellen Folgen der Entdeckung außerirdischen Lebens

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Vor einiger Zeit wurde in der Atmosphäre der Venus das Molekül Phosphin entdeckt, was von der Astrobiologie als gewichtiges Indiz für die Existenz mikrobiellen Lebens auf unserem unmittelbaren Nachbarplaneten angesehen wird. Bewiesen ist durch die Entdeckung nichts, aber es ist ein starker Hinweis darauf, dass außerhalb der Erde einfache Lebensformen (Mikroorganismen) existieren könnten.

In unserem Sonnensystem sind insbesondere der Mars, der Jupitermond Europa sowie die Saturnmonde Titan und Enceladus weitere Kandidaten für außerirdisches Leben. Dessen Entdeckung ist heute nicht nur zentrale Aufgabe, sondern auch entscheidender Erkenntnishorizont der Astrobiologie. Vor einem entsprechenden "Treffer" befindet sie sich in der wenig komfortablen Lage, eine Wissenschaft ohne empirisch nachgewiesenen Untersuchungsgegenstand zu sein. An dieser Stelle wollen wir jedoch nicht den wissenschaftstheoretischen Implikationen dieser Situation nachgehen, sondern vielmehr fragen, welches die kulturellen Folgen wären, wenn eines Tages tatsächlich ein wissenschaftlicher Beweis für die Existenz außerirdischer Lebensformen gefunden würde.

Wo in unserem Sonnensystem Leben möglich wäre (7 Bilder)

Venus. Bild: NASA / Public Domain

Stellen wir uns also einmal vor, in einigen Jahren - oder Jahrzehnten - werden auf dem Mars lebendige Mikroorganismen entdeckt. Wir fragen uns, ob dieses Ereignis auch außerhalb der unmittelbar beteiligten Wissenschaften von Bedeutung wäre und welche möglicherweise die kulturellen Auswirkungen sein könnten. Dazu wollen wir uns - neben den Wissenschaften selbst - vier kulturelle Felder ansehen, auf denen eine solche Entdeckung Folgen zeigen könnte.

Es scheint offensichtlich, dass die Entdeckung außerirdischen Lebens, das nachweislich nicht von der Erde stammt, ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte wäre. Zumindest wäre es ohne Zweifel ein epochales Ereignis für die Astrobiologie selbst. Der Einfluss auf das wissenschaftliche Weltbild generell wäre nach unserer Einschätzung jedoch weniger einschneidend, als dies von vielen Astrobiologen heute behauptet wird. Unser Eindruck ist, dass hier die Begeisterung für das eigene Fach vorschnell auf andere Wissenschaften übertragen wird.

An den Paradigmen und Forschungsprogrammen von Disziplinen wie der Teilchenphysik oder auch der Verhaltensbiologie würde sich durch die Entdeckung direkt gar nichts ändern. Indirekt möglicherweise aber an ihren Arbeitsmöglichkeiten. Es könnte nämlich sein, dass die ohnehin immer knappen Ressourcen staatlicher und privater Forschungsförderung nach einer solchen Entdeckung umverteilt werden - hin zu einer Astrobiologie, die nun endlich ihren Gegenstand auch empirisch gefunden hat, und weg von anderen Wissenschaften. Auf die Freude in vielen naturwissenschaftlichen Professionen über die "große Entdeckung der Astrobiologie" könnte bald ein Moment der Ernüchterung folgen, wenn man merkt, dass die eigenen Forschungsressourcen nun knapper werden.

Immerhin könnten einige der unmittelbaren Nachbardisziplinen der Astrobiologie Sekundärgewinner der Entdeckung werden - etwa wenn es zu aufwendigen automatischen oder gar bemannten Forschungsmissionen zum Fundort des außerirdischen Lebens kommt, von denen etwa die planetare Geologie oder auch Hydrologie profitieren dürften. Für andere, große Ressourcen verschlingende Disziplinen hingegen könnte sich die Entdeckung als unschön erweisen, wenn es zur großflächige Verlagerung finanzieller Mittel käme - beispielsweise weg von der Kernphysik (exemplarisches Stichwort: Fusionsreaktor) hin zu den Biowissenschaften und zu aufwendigen Raumfahrtmissionen.

Da auch reiche Gesellschaften sich nur eine begrenzte Zahl extrem teurer Forschungsprogramme leisten können, haben wir es hier mit einem Nullsummenspiel zu tun: Was finanziell in den einen Forschungsbereich hineingepumpt wird, dürfte im anderen fehlen. Entsprechend ist mit Auseinandersetzungen zwischen den wissenschaftlichen Professionen um die zukünftige Mittelverteilung zu rechnen. Und so ist es durchaus vorstellbar, dass die Bedeutung des Fundes von jenen zu minimieren versucht wird, die die Verlierer entsprechender Umverteilungen sein könnten.

Hier dürfte es allerdings primär um die Konkurrenz unter naturwissenschaftlichen Großprojekten gehen - die Sozial- und Kulturwissenschaften sollten von diesen Umverteilungen kaum betroffen sein... und würden, wie fast immer bei weltraumbezogener Forschung, eher unbeteiligt am Rande stehen, die Entwicklung des naturwissenschaftlichen Denkens nach dieser Entdeckung einmal mehr mit kritischer Attitüde kommentieren.

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