Liveticker zum "Putschversuch" in Washington

Soldaten im US-Kapitol. (Screenshot)

Trump-Anhänger stürmen Kapitol und dringen in Büros von Abgeordneten ein. Evakuierungen nach Bombendrohungen. Senator spricht von versuchtem Staatsstreich

07.01.21, 14:30 MEZ: Europaweit haben Spitzenpolitiker auf die gewaltsamen Ausschreitungen von Anhängern des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump in Washington reagiert. EU-Ratschef Charles Michel sprach angesichts der Erstürmung des Kapitols von einem "Schock" und nannte den dort ansässigen US-Komgress einen "Tempel der Demokratie". Er vertraue den USA, "dass sie eine friedliche Machtübergabe zu Joe Biden sicherstellen".

Der britische Premier Boris Johnson rief zu einer geordneten Machtübergabe in Washington auf. Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, sprach von „tief beunruhigenden Szenen“ und sicherte der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, der Demokratin Nancy Pelosi, Solidarität zu. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte: "Das ist nicht Amerika."

Während sich Russland und China zunächst bedeckt hielten, warnte der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gegenüber der Augsburger Allgemeinen, deren Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping würden "sich in ihrer Ansicht bestätigt fühlen, dass die westlichen Demokratien keine Zukunft haben". (claw)

07.01.21, 13:55 MEZ: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump für die gewaltsamen Ausschreitungen in Washington mitverantwortlich gemacht. Steinmeier warf Trump am Donnerstag vor, den "bewaffneten Mob" aufgestachelt zu haben, der das Kapitol gestürmt hatte. "Es war ein Sturm auf das Herz der amerikanischen Demokratie", sagte er. Merkel erklärte, die Bilder aus Washington hätten sie "wütend und auch traurig gemacht". Trump habe seine Niederlage bei der Präsidentenwahl am 3. November bedauerlicherweise nicht eingestanden. Der SPD-Kanzlerkandidat Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte in einem RTL/n-tv-Interview: "Das ist ganz klar etwas, was man erlebt, wenn Populisten Macht bekommen."

Die Obfrau der Fraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, Sevim Dagdelen, sprach von einer "tiefen Spaltung der amerikanischen Gesellschaft" und forderte, Trump müsse "für die kriminelle Machtdemonstration der Rechtsradikalen im Kapitol und den Putschversuch, den er herbeigeredet hat, zur Rechenschaft gezogen werden". Es zeige sich, "dass die Zusammenarbeit mit Faschisten letztendlich zum Bürgerkrieg führt", so Dagdelen. "Bemerkenswert ist, dass neben militanten US-Rechten auch kubanische Contras, venezolanische Rechte, antichinesische Separatisten und iranische Monarchisten Teil des wütenden Mobs von Trump waren", hob sie hervor. (claw)

07.01.21, 12:30 MEZ: Twitter hat am Mittwoch (Ortszeit) das Konto des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump für zwölf Stunden gesperrt. Die Sperrung werde fortgesetzt, wenn er nicht drei Tweets lösche, die der Online-Dienst als Falschinformation bewertete.

Kurz vor der Ankündigung hatte Twitter bereits ein Video von Trump entfernt. Darin hatte er die rechtsextremen Demonstranten zum Abzug vom Kapitol aufgefordert, aber erneut die unbelegte Behauptung eines angeblichen Wahlbetrugs wiederholt.

Mit dem Schritt ist Trump von der Kommunikation mit seinen Anhängern abgeschnitten. Er hat dort über 88 Millionen Follower. (mbo)

07.01.21, 10:55 MEZ: Der Kongress hat soeben entschieden: Joe Biden ist US-Präsident. Überraschend schnell hatten die Abgeordneten ihre Arbeit wieder aufgenommen. Als am Nachmittag die aufgebrachte Menge Trump-Anhänger das Kapitol gestürmt hatte, war ein Sicherheitsprotokoll in Kraft getreten, das alle Repräsentanten sogleich an einen geheimen, sicheren Ort verbracht hat.

Vizepräsident Mike Pence konnte sich deswegen auch nicht an die Trump-Anhänger wenden und versuchen, diese aufzuhalten, was sich manche von ihm gewünscht hätten. In den Schutzräumen ging die Debatte zwischen den Abgeordneten weiter und man entschied sich, möglichst schnell die Einsprüche gegen das Wahlergebnis weiter zu behandeln, damit dem "Mob" nicht der Triumph geschenkt werde, den parlamentarischen Prozess aufgehalten zu haben.

Diese Entscheidung erweist sich zwölf Stunden später als etwas zwiespältig. Mehrheitlich stimmten die republikanischen Abgeordneten im Kongress gegen das Wahlergebnis in Arizona. 121 von ihnen halten diese Wahl somit für irregulär.

In gewisser Weise bestätigen sie damit die Bedenken der aufgebrachten Menge. Mit dieser blitzschnellen Rückkehr zu parlamentarischer Normalität wird die eigentliche politische Bewertung der Vorgänge erschwert. Die progressive Abgeordnete der Demokraten Ilhan Omar schrieb in der Nacht noch an einem neuerlichen Impeachment-Antrag gegen Donald Trump. Andere wollten Mike Pence, der sich deutlich zu Trump distanziert hatte, dazu bewegen, den 25. Zusatzartikel der Verfassung in Kraft treten zu lassen, der die Amtsenthebung des Präsidenten aufgrund dessen körperlicher oder geistiger Verfassung ermöglicht. Diese Initiativen werden jetzt wohl versanden, nachdem Trump nun innerhalb des normalen Prozedere abgewählt wurde.

Sollte der Sturm aufs Kapitol, der eindeutig von Trump angestachelt wurde, ein halbherziger und schlecht koordinierter Putschversuch gewesen sein, dann lässt man diesen nun Trump vermutlich durchgehen. David Corn, der Washington-Korrespondent der linken US-Zeitung Motherjones fand eine etwas drastischere Bewertung als die US-Parlamentarier: "Donald Trump ist nun ein Terroristen-Anführer." (fj)

07.01.21, 08:51 MEZ: Robert Contee, der Polizeichef von Washington DC, hat bestätigt, dass einer seiner Beamten gestern eine Frau erschossen hat. Fotos legen nahe, dass das geschah, als sie durch ein eingeschlagenes Fenster steigen wollte. Der "tragische Vorfall" werde nun polizeiintern untersucht. Außer der Frau habe es gestern drei weitere Tote gegeben, die aber nicht an Schüssen, sondern wegen "medizinischer Notfälle" ums Leben gekommen seien.

Auf Seiten der Polizei vermeldete er zwölf leicht und zwei schwer Verletzte. Einer davon sei von Demonstranten in deren Reihen gezogen und verprügelt worden, den anderen habe ein nicht näher beschriebenes "Projektil" im Gesicht getroffen.

Inzwischen ist das Kapitol wieder vollständig von Demonstranten geräumt und die Parlamentarier haben Einsprüche gegen die von den Gouverneuren (aber nicht von den Einzelstaatsparlamenten) zertifizierten Wahlmännerzusammensetzungen in Arizona und Pennsylvania mehrheitlich zurückgewiesen. (pem)

07.01.21, 01:30 MEZ: „Aufständische greifen in einem Putschversuch den Sitz der (US-)amerikanischen Regierung an, angestachelt vom Präsidenten der Vereinigten Staaten. Das zu sagen, fühlt sich melodramatisch, lächerlich und überzogen an, aber es gibt keine anderen Worte, um zu beschreiben, was sich derzeit abspielt“, schrieb David A Graham von The Atlantic.

Die Teilnehmer des Putsches hätten es besser wissen können, aber sie seien vom Präsidenten der Vereinigten Staaten belogen worden, so Graham weiter: „Wenn das, was Trump sagte, wahr wäre, hätten die Mitglieder des Kongresses eine patriotische Pflicht, alles zu tun, um die Wahl zu retten, und seine Anhänger hätten eine patriotische Pflicht, die rechtmäßige Regierung zu verteidigen.“ Aber Trump habe „wiederholt und schamlos gelogen“ und seinen Anhängern quasi befohlen, einen Putsch zu versuchen. Die Trump-Anhänger seien dieser Aufforderung gerne gefolgt.

Vizepräsident Mike Pence twitterte indes: "Dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und die Beteiligten werden in vollem Umfang des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden,".

„Er könnte mit seinem Chef beginnen“, so Graham. (hneu)

07.01.21, 01:00 MEZ: Aufnahmen von vor Ort zeigen, wie Trump-Anhänger ihre Wut am "Volksfeind Medien" (so Trump) auslassen.

Der NBC-Reporter Shomari Stone filmte, wie Trump-Anhänger ihre Wut am "Volksfeind Medien" (so Trump) auslassen. Ähnliche Aufnahmen veröffentlichte die Seite Storyful Rights Management.

07.01.21, 00:05 MEZ: Mittlerweile bestätigten Behörden, dass bei den Senat-Stichwahlen in Georgia beide Demokraten gewonnen haben (US-Wahl in Georgia: Es geht um sehr viel mehr als nur zwei Posten). Damit kontrollieren die Demokraten nicht nur das Weiße Haus und das Abgeordnetenhaus, sondern auch den Senat.

Zur Lage in Washington informiert die Polizei die am Kapitol verharrenden Trump-Anhänger, dass die Ausgangssperre strikt durchgesetzt werde. Ab 18 Uhr würden Festnahmen erfolgen. Sicherheitskräfte, darunter die Bundespolizei FBI, durchkämmen systematisch die hunderte Büros in den Parlamentsgebäuden nach Besetzern. (mbo)

06.01.21, 23:55 MEZ: Noch vor der Ausgangssperre begann der "gewalttätige rechte Mob", wie die Hunderte von Rechtsextremen von CNN genannt werden, sich zu zerstreuen. Gleichzeitig wurden die Polizeikräfte verstärkt.

Während die Abenddämmerung einsetzte, marschierten Nationalgarde und Polizeieinheiten aus den benachbarten Staaten Virginia und Maryland auf. Mehrere Medien berichten, dass sich Rechtsextreme auf "nächtliche Aktionen" im weiteren Stadtgebiet von Washington vorbereitet hätten.

Die Polizei entdeckte am späten Nachmittag zwei Rohrbomben in unmittelbarer Nähe des Kapitols. Sie wurden von Spezialisten entschärft. (mbo)

06.01.21, 23:40 MEZ: Der Bürgermeister von Washington D.C., Muriel Bowser, verhängte ab 18 Uhr abends (Ortszeit) eine Ausgangssperre. CNN-Reporter Alex Marquardt sagte: "Es gibt derzeit keinen Hinweis darauf, dass diese Demonstranten den Ort verlassen wollen. Es habe auch nicht den Anschein, dass sie die Botschaft des Präsidenten gehört haben, nach Hause zu gehen."

CNN-Reporter Pete Muntean beschrieb die Lage ähnliche. Die Sicherheitskräfte scheinen gegenüber dem Mob "zahlenmäßig unterlegen". Andere Reporter berichteten vom Einsatz von Rauchgranaten, um Menschenmengen zu zerstreuen. Teile des Kapitols wurden von der Polizei gewaltsam geräumt. (hneu)

06.01.21, 23:00 MEZ: Mehrere Hundert rechtsextreme Unterstützer des noch eineinhalb Wochen amtierenden US-Präsidenten Donald Trump haben am frühen Mittwochnachmittag (Ortszeit) das Washingtoner Kapitol gestürmt. Dort tagten zu diesem Zeitpunkt Senatoren und Abgeordnete, um unter dem Vorsitz von Vize-Präsident Mike Pence die Wahl von Joe Biden zu bestätigen.

US-Medien und Politiker wie der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger aus dem Bundesstaat Illinois nannte das Geschehen einen "Putschversuch".

Die offizielle Bestätigung des Wahlsieges des Demokraten Joe Biden wurde aufgrund der Unruhen zunächst abgesagt. Vor und in dem Gebäude kam es offenbar zu Schusswechseln, eine Frau soll angeschossen worden sein, berichteten Medien.

Präsident Trump forderte die Demonstranten über Twitter auf, die Polizei und Sicherheitsbehörden zu unterstützen, um die Lage zu beruhigen. Früher am Tag hatte der scheidende Präsident seine Anhänger jedoch zu Protesten vor dem Kapitol ermuntert.

Entgegen seiner Zusage, mit ihnen gegen den "Wahlbetrug" zu demonstrieren, zog er sich ins Weiße Haus zurück und beobachtete im Fernsehen, wie die Situation auf dem Capitol Hill eskalierte.

"Wir werden zum Kapitol gehen. Und wir werden unsere tapferen Senatoren und Kongressabgeordneten und Frauen unterstützen. Einige von ihnen werden wir wahrscheinlich nicht bejubeln, weil wir unser Land nicht durch Schwäche zurückerobern, wir müssen Stärke zeigen und sie müssen stark sein," hatte er bei seiner Kundgebung in Anspielung auf Kritiker in den eigenen Reihen gesagt.

Die Trump-Anhänger überwanden daraufhin hinter dem Kapitol-Gebäude die Absperrgitter und überwältigten die Sicherheitsleute. Einige schafften es bis ins Gebäude und drangen bis in Büros und den Plenarbereich vor. Der Washingtoner Polizei gelang es nicht mehr, die aufgebrachte Menge zurückzudrängen.

Zeitgleich ordnete die Polizei die Evakuierung von zwei anliegenden Gebäuden an, offenbar wegen Bombendrohungen. Als bekannt wurde, dass Rechtsextreme in das Kapitol eingedrungen sind, stellten die Parlamentarier die Wahlbestätigung ein. Das Gebäude wurde von der Polizei nach außen und innen hin abgeriegelt, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin wurde die Nationalgarde mobilisiert.

Die rechte Randale ging von einem Demonstrationszug tausender von Trump-Anhängern aus, die zum Kapitol gezogen waren, um gegen die sogenannte Zertifizierung des Wahlergebnisses vom 3. November zu protestieren.

Der Demonstration war mittags eine Kundgebung vor dem Weißen Haus vorausgegangen. Dort hatte Trump vor seinen Anhängern in einer über einstündigen Rede die Wahlen und den Regierungswechsel für "illegal" erklärt. Erneut wiederholte Trump, die Wahlen seien ihm "und dem amerikanischen Volk gestohlen worden". Verantwortlich machte er dafür die Medien, die er als "Volksfeinde" bezeichnete, sowie die Demokraten und diejenigen Republikaner, die das Wahlergebnis nicht in Frage stellen.

Schon tags zuvor hatten in die Hauptstadt gereiste Trump-Anhänger aus allen Teilen des Landes für Unruhe gesorgt. Nach Angaben der Washingtoner Polizei erfolgten dabei zwölf Festnahmen, unter anderem wegen Angriffen auf Beamte sowie wegen illegalen Waffenbesitzes.

Seit Wochen mobilisiert das rechtsextreme Spektrum zu den Protesten nach Washington. In Foren wie Parler, auf das viele von ihnen ausgewichen sind, wird dabei offen zu Bewaffnung und zur Sabotage der Amtsübergabe an Biden aufgerufen. (mbo)

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