CSU riecht sozialen Sprengstoff

Bundesinnenminister Horst Seehofer. Foto: Ralf Roletschek CC BY-SA 3.0 de

Söder und Seehofer warnen vor "Corona-RAF" - und meinen nicht nur rechtsoffene "Querdenker". Ein Kommentar.

Während lagerübergreifend das Unverständnis für die teils widersprüchlichen Maßnahmen von Bund und Ländern zur Eindämmung der Coronapandemie wächst - nicht zuletzt wegen unterschiedlicher Standards in Arbeitswelt und Freizeit - warnt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einer "Corona-RAF". Sein Parteifreund Horst Seehofer bläst als Bundesinnenminister ins gleiche Horn.

Auf den ersten Blick mussten sich Mitglieder linker Parteien und Organisationen damit nicht gemeint fühlen, denn Söder erklärte im Gespräch mit der Welt am Sonntag zunächst, der Verfassungsschutz müsse "die sektenähnliche Bewegung der Querdenker und anderer vergleichbarer Gruppierungen" in den Blick nehmen. Neben den "Querdenkern", die sich zwar nicht unisono als rechts verstehen, aber für den Geschmack von Linken zu viele Ultrarechte in ihren Reihen dulden, erwähnte Söder in seiner Antwort die AfD. Deren Umfragewerte würden zwar sinken, es bestehe aber "die Gefahr, dass sich aus ihrem Umfeld heraus in Deutschland ein Corona-Mob oder eine Art Corona-RAF bilden könnte, die zunehmend aggressiver und sogar gewalttätig werden könnte", so Söder. "Es besteht immer die Gefahr, dass sich aus größeren Bewegungen kleine Protestgruppen entwickeln, die am Ende einen radikalen Kern bilden, der zu einer Terrorzelle werden kann." Zur allgemeinen Lage im Land sagte er, einen "Normalzustand wie vor Corona" werde es auf absehbare Zeit nicht geben.

Anlass für das Interview waren die Ausschreitungen militanter Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump am 6. Januar in Washington. Das Springer-Blatt sprach hier bezeichnender Weise nicht von Rechten oder Rechtsextremen, sondern von "einem Mob" und "Aufrührern", als es Söder fragte, ob sich solche nun auch hierzulande "beflügelt fühlen" könnten.

Seehofer sagte am Montag bei der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbunds im Zusammenhang mit wachsendem Unmut über die Corona-Maßnahmen: "Wir leben in einem der sichersten Länder der Erde, aber wir haben eine hohen Bedrohungslage, wenn es um terroristische Gefahren geht: Rechtsextremismus, zunehmend jetzt auch Linksextremismus , Antisemitismus und auch Verschwörungstheorien mit der Tendenz sich zu radikalisieren."

Beide Politiker gehören wohlgemerkt einer Partei an, deren Urgestein Franz Josef Strauß einst verkündet hatte: "Rechts von uns ist nur noch die Wand." Zur aktiven Zeit der "Roten Armee Fraktion" (RAF), deren Kürzel Söder nun zu recyceln versucht, hatte Strauß zumindest indirekt vorgeschlagen, für jede erschossene Geisel einen RAF-Häftling zu erschießen.

Das damalige Eskalationsniveau muss mitgedacht werden, um die Wortwahl der CSU-Politiker einzuordnen. Die RAF verstand sich als links. Das Kürzel wird nicht zufällig mehr als 20 Jahre nach ihrer Selbstauflösung von rechtskonservativen Politikern ins Spiel gebracht, um einen Dauernotstand herbeizureden. Zu einer Zeit, in der auch Millionen Menschen, die sich als "unpolitisch" verstehen, durch Betriebsschließungen in Existenznot geraten sind und angesichts widersprüchlicher Infektionsschutzregeln nicht mehr wissen, was sie der Regierung noch glauben können. Die Regierungspartei CSU riecht sozialen Sprengstoff.