"Konkrete Abrüstungsverpflichtungen"

Zur Feier des Tages versammelten sich Friedensbewegte am Freitag vor dem Kanzleramt mit den Flaggen der Staaten, die bereits ratifiziert haben. (Foto: Claudia Wangerin / Telepolis)

Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft: Wissenschaftliche Dienste des Bundestags zerpflücken Argumente der Regierung, warum Deutschland nicht beitritt.

Nicht nur Aktivisten der Internationalen Kampagne Ican, der NaturFreunde Deutschlands und anderer Gruppen vor dem Bundeskanzleramt in Berlin, auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben die Regierungsparteien gemahnt, ihre Boykotthaltung zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen zu überdenken.

Die große Koalition aus Unionsparteien und SPD hatte bisher auf zwei Ebenen begründet, warum sie nichts von dem Vertrag hält, der an diesem Freitag in Kraft trat, nachdem ihn 51 Staaten ratifiziert haben. Verabschiedet hatten ihn 2017 bereits 122 Staaten - darunter allerdings keine Atomwaffenbesitzer.

Auf politischer Ebene hatte die Bundesregierung mehrfach sinngemäß erklärt, da bisher keine Atommacht das Regelwerk unterstütze, bringe es auch nichts, wenn Deutschland dies tue. Die "nukleare Teilhabe" und die Stationierung von US-Atomwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel seien für die Bundesrepublik und ihre Verbündeten sinnvoll, solange Gefahr von Atommächten außerhalb des Nato-Militärbündnisses ausgehe.

Auf juristischer Ebene hatte die Bundesregierung behauptet, der Atomwaffenverbotsvertrag schwäche den seit 1970 bestehenden Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) und dessen Kontrollregime.

In diesem Punkt widersprechen die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags der Regierung in einem Gutachten, das die abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Sevim Dağdelen, in Auftrag gegeben hatte.

Bekenntnis zu nuklearer Abschreckung

Die Bundesregierung hatte zuvor in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage behauptet, der Verbotsvertrag unterlaufe "die Bemühungen der Staatengemeinschaft um Abschluss und Inkraftsetzung ausstehender Zusatzprotokolle und um Universalisierung des heute maßgeblichen Verifikationsstandards". In der Regierungsantwort fanden sich allerdings auch Sätze wie: "Ziel der nuklearen Abschreckung der NATO ist es, den Frieden zu erhalten und Aggression zu verhindern. Solange von Nuklearwaffen eine Bedrohung ausgeht, besteht die Notwendigkeit glaubhafter präventiver Abschreckung fort."

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags stellten daraufhin klar, dass der UN-Atomwaffenverbotsvertrag "juristisch nicht in Widerspruch zum NVV" stehe. Der Unterschied zwischen beiden Regelwerken sei aber, dass der Verbotsvertrag "konkrete Abrüstungsverpflichtungen enthält und die Strategie der nuklearen Abschreckung delegitimiert".

SPD sieht "nachvollziehbare Gründe"

Gleichwohl veröffentlichte das SPD-Parteiorgan Vorwärts am Freitag einen Meinungsbeitrag der Bundestagsabgeordneten Nils Schmid und Gabriela Heinrich, die "nachvollziehbare Gründe" für die Nichtunterzeichnung des Vertrags sehen. Die beiden SPD-Außenpolitiker gehen auf das kurz zuvor fertig gestellte Gutachten nicht ein und behaupten, der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag sei "nach wie vor die einzige Grundlage für weitere verhandelte und verifizierbare Abrüstungsschritte".

In der Diplomatie gebe es aber "mehr als nur schwarz und weiß", schreiben sie - Deutschland könne zwar wegen seiner "Bündnisverpflichtungen" dem Verbotsvertrag nicht beitreten, dieses "richtige Vorhaben" aber zunächst im Beobachterstatus unterstützen.