"Gas is over"

Bild: © Nord Stream 2 / Thomas Eugster.

Die Energie- und Klimawochenschau: Über den globalen Erneuerbaren-Boom, der an Deutschland vorbei geht, über Klimagefahren, Washingtons neue Umweltpolitik und aus der Zeit gefallene Pipelines

Über den weiter schleppenden Ausbau der Windkraft hat Telepolis ja bereits berichtet (China: Wind- und Solarenergie boomen). Während weltweit die erneuerbaren Energieträger 2020 mächtig vorangekommen sind und China neue Rekorde verzeichnet, war 2020 für die deutsche Windindustrie eines ihrer schlechtesten Jahre.

Während hierzulande der Ausbau der Windkraftanlagen auf See fast zum Erliegen gekommen ist, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg von einem kräftigen Wachstum dieses Sektors in anderen Ländern. Um gut 50 Prozent auf 50 Milliarden US-Dollar hätten die Investitionen in diesem Sektor 2020 zugelegt.

Weltweit seien an Land und auf See Windkraftanlagen mit einer Leistung von 73 Gigawatt (GW) hinzugekommen, was einen neuen Rekord darstellen dürfte. 2019 waren es etwas mehr als 60 GW gewesen. Über die Hälfte der neuen Anlagen steht in China, wie gestern berichtet. Deutschland bringt es hingegen nur auf einen Zuwachs von 1,2 GW.

Noch imposanter ist das Wachstum der Solarenergie, die auch nach Jahren der Flaute in Deutschland wieder etwas an Fahrt gewonnen hat. Hierzulande gingen immerhin etwas mehr als vier GW Solarleistung neu ans Netz. Weltweit waren es beachtliche 132 GW.

Vietnam hat 2020 zum Beispiel mehr als doppelt so viele Solaranlagen installiert wie Deutschland. Auf beachtliche neun Gigawatt Leistung bringen es die im vergangenen Jahr auf die Dächer des südostasiatischen Landes geschraubten kleinen Photovoltaik-Kraftwerke zusammen.

Zum Vergleich: Ein Block eines modernen Kohlekraftwerks wie etwa Vattenfalls Anlage in Hamburg Moorburg hat bringt rund 0,8 GW oder 800 Megawatt ans Netz. Allerdings kann ein Kohlekraftwerk rund um die Uhr laufen und daher mehr Strom liefern als Solaranlagen, die hierzulande nur auf knapp 1.000 Volllaststunden im Jahr kommen oder Windkraftanlagen, die an Land zirka 2.000 und auf See 4.000 Volllaststunden im Jahr laufen. (Ein normales Jahr hat 8.760 Stunden.)

Viel Grünstrom

Erfreulicher als die deutschen Ausbauzahlen ist indes ein Blick auf die Stromstatistik. Nach Angaben des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme haben die erneuerbaren Energieträger (Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse) 2020 etwas mehr als 50 Prozent zur Nettostromeinspeisung ins öffentliche Netz beigetragen.

Mit 131 Milliarden Kilowattstunden war die Windkraft mit Abstand der wichtigste Stromlieferant. An zweiter Stelle folgen mit 82 Milliarden Kilowattstunden die Braunkohle und an dritter mit knapp 61 Milliarden Kilowattstunden die Atomkraft. Wind- und Solarstrom hatten gegenüber dem Vorjahr jeweils um etwa mit sechs Milliarden Kilowattstunden zugelegt.

Auch in der EU war 2020 die Erzeugung von sauberem Strom auf Rekord-Niveau. Zum ersten Mal hätten die erneuerbaren Energieträger mehr Strom eingespeist als fossile Kraftwerke, hat der Think Tank Agora Energiewende ermittelt. Seit 2015 habe sich hingegen die Kohleverstromung halbiert.

In Deutschland nimmt die Kohleverstromung für die öffentliche Stromversorgung seit 2013 ab, wobei der Rückgang 2019 besonders ausgeprägt war und 2020 fast genauso stark. Neben dem großen Angebot an Grünstrom und die gestiegenen Preise für die Emissionszertifikate spielt sicherlich auch die von der Pandemie verursachte Wirtschaftskrise eine Rolle. 2019 lag die Stromerzeugung der deutschen Kohlekraftwerke 41 Prozent unter dem Niveau von 2013 und 2020 fiel sie gar 54 Prozent geringer aus.

Klimaschäden

Der Klimawandel - oder besser: die Klimakrise - bleiben oft eine abstrakte Angelegenheit, wenn man sich nur über die steigende Temperatur unterhält. Inzwischen ist das globale Mittel der Lufttemperatur in zwei Meter Höhe über dem Erdboden, das immer gemeint ist, wenn über die Temperatur des Planeten gesprochen wird, bereits 1,1 bis 1,2 Grad Celsius über dem Niveau der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein wenig konkreter wird es nur, wenn man sich daran erinnert, wie schneereich noch in den 1960er und 1970er Jahren die Winter in Norddeutschland gewesen waren. Oder wenn ein Blick auf die absterbenden Wälder geworfen wird, denen die große Trockenheit zusetzt.

Oder man schaut auf die Naturkatastrophen, die schon jetzt rund um den Globus geschehen. Nicht jede davon kann direkt dem Klimawandel zugeordnet werden, aber es ist inzwischen unübersehbar, dass sich Extrem-Ereignisse häufen, Hitzeperioden länger andauern, die Extrem-Temperaturen dabei steigen Stürme und Starkregen-Ereignisse intensiver werden.

Die deutsche Nichtregierungsorganisation German Watch hat letzte Woche einen Klimarisikobericht veröffentlicht, der untersucht, welche Regionen besonders betroffen sind. Demnach traf es 2019 Mosambik, Simbabwe und die Bahamas am stärksten.

Alle drei Staaten wurden von verheerenden Tropenstürmen getroffen, die Bahamas von Hurrikan "Dorian", dem stärksten dort je registrierten Sturm. 56 Menschen starben und der angerichtete wirtschaftliche Schaden betrug 21 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Auch andernorts wie etwa in Japan zählten Stürme und Niederschläge zu den größten Verursachern von Schäden durch Extremwetter.

Richtig schlimm wird es, wenn arme Länder mit begrenzten Ressourcen wiederholt von schweren Tropenstürmen getroffen werden, wie es unter anderem Haiti in den letzten Jahren ergangen ist. Über den Zeitraum der ersten beiden Jahrzehnte gehörte der Inselstaat zusammen mit dem US-Territorium Puerto Rico und Myanmar (Burma) zu den am schlimmsten von Unwettern gebeutelten Staaten.

Insgesamt zählen die German-Watch-Autorinnen und -Autoren in dieser Zeit über 11.000 Extremwetter-Ereignisse, die 475.000 Menschenleben forderten. Die angerichteten ökonomischen Schäden beliefen sich auf rund 2,56 Billionen US-Dollar in Kaufkraftparitäten. Das heißt, die in den jeweiligen Landeswährungen erfassten Schäden wurden nicht nach dem Devisenkurs in US-Dollar umgerechnet, sondern entsprechend ihrer jeweiligen Kaufkraft auf dem Binnenmarkt.

Und dabei stehen wir erst am Anfang. Zwischen dem Jahr 2000 und 2020 ist die globale Temperatur um rund 0,4 Grad Celsius gestiegen. Seit Ende der 1970er nimmt die Lufttemperatur im globalen Mittel um zwei Zehntel pro Jahrzehnt zu und mit ihr natürlich die Temperatur der Ozeane.

Je wärmer es wird, desto mehr Wasserdampf kann die Atmosphäre über den Meeren aufnehmen. Damit werden nicht nur die Niederschläge intensiver. Wenn Wasserdampf in Aufwinden aufsteigt, kondensiert er und setzt dabei Wärme frei, die eine wichtige Energiequelle der großen Stürme ist. Insbesondere die tropischen Wirbelstürme werden umso intensiver, je wärmer die obersten Wasserschichten der Ozeane sind, über die sie ziehen.

Wegen der vielen Gefahren, die mit der Erwärmung verbunden sind - unter anderem werden bei über 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau die Warmwasserkorallen rund um den Globus absterben und damit viele Nahrungsketten wichtiger Speisefische abbrechen, haben 196 Staaten 1992, also alle UN-Mitglieder in der Klimarahmenkonvetion, vereinbart, dass gefährliche Eingriffe in das Klimasystem verhindert werden sollen.

Konkret heißt das, dass die globale Erwärmung auf "deutlich unter zwei Grad Celsius" begrenzt werden und möglichst 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten soll, wie es 2015 in der Pariser Klimaübereinkunft heißt. Fast alle Staaten haben dieses relativ unverbindliche Dokument ratifiziert. Die USA waren später auf Anordnung Donald Trumps ausgetreten.