Börsenschlachten zwischen App-Anlegern und Hedgefonds

Grafik: TP

Melvin Capital büßte mit 6,6 Milliarden Dollar angeblich mehr als Hälfte seines vorherigen Anlagevermögens ein

Das Anlagevermögen des Hedgefonds Melvin Capital hätte sich amerikanischen Medienberichten nach in den letzten Wochen um gut 6,6 auf knapp 5,9 Milliarden Dollar verringert, wenn nicht die beiden anderen Hedgefonds Point72 und Citadel mit 2,75 Milliarden Dollar eingestiegen wären. Grund für den berichteten Verlust (zu dem bei Melvin Capital niemand für eine Stellungnahme erreichbar ist), soll sein, dass der Hedgefonds auf fallende Kurse der amerikanischen Computerspielehändlerkette GameStop, der amerikanischen Kinokette AMC und des finnischen Telekommunikationsausrüsters Nokia gewettet hatte - und all diese Wetten verlor.

Hedgefonds gehen solche Wetten dadurch ein, dass sie sich Aktien der Unternehmen leihen, diese verkaufen, und hoffen, dass sie sie zum vereinbarten Rückgabetermin billiger kaufen können, weil die Kurse sinken. Dass das nicht geschah (und dass sie stattdessen zu sehr viel teureren Aktien greifen mussten), lag - zumindest im Fall GameStop - anscheinend vor allem daran, dass Kleinanleger im Reddit-Forum WallStreetBets gemeinsam beschlossen, GameStop-Aktien zu erwerben. Danach stieg der Kurs der Papiere von 20 Dollar am 12. auf 40 am 14., 80 am 22. und über 400 am 28. Januar.

Ein finanzielles Risiko - aber ein sicherer emotionaler Gewinn

Dass er inzwischen wieder bei nur etwa 270 Dollar liegt, hat drei Gründe: Der erste davon sind Gewinnmitnahmen der Anleger, von denen manche nach eigenen Angaben mehrere tausend Dollar gewannen. Zu diesen Gewinnmitnehmern gehörten auch große institutionelle Investoren, die auf den nicht im Fahrplan gelisteten Zug aufsprangen, sobald sie sahen, wie sehr er an Fahrt gewann.

Dass den Gewinnmitnehmern das Mitnehmen von Gewinn gelang, hängt mit dem zweiten Grund zusammen: damit, dass für viele der Kleinanleger nicht die Aussicht auf Gewinne das wichtigste Motiv war, sondern die emotionale Befriedigung, einen Hedgefonds in die Knie zu zwingen. Jaime Rogozinski, der Gründer des inzwischen mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Subreddits hatte dazu gemeint, er sehe die Aktion in der Tradition von Occupy Wall Street.

Robinhood von Nutzern verklagt

Vor allem diese Anleger, von denen viele ihren eigenen Äußerungen nach seit der Finanzkrise 2008 Rachegedanken gegen die Finanzindustrie hegten, kauften ohne Rücksicht auf mögliche Verluste und trugen damit maßgeblich zum Gelingen des Unterfangens bei. So wie die todesverachtenden Layalaren im osmanischen Heer, über die man sagte: "Während die Janitscharen zu töten wussten, wussten die Layalaren zu sterben". Auch deshalb scheint der Krieg" zwischen Hedgefonds und App-Anlegern, von dem unter anderem das Wall Street Journal schreibt, keine ganz unpassende Metapher.

Der dritte Grund, warum die Kurse wieder sanken, war, dass die App-Broker Trade Republic und Robinhood letzte Woche nur noch den Verkauf, aber nicht den Kauf von GameStop-Aktien zuließen (vgl. Reddit vs. Wall Street: Robinhood beschränkt weiterhin Handel mit GameStop-Aktie). Bei den Versuchen, zu erklären, warum das geschah, macht vor allem Robinhood bislang eher eine bedingt gute Figur. In diesem Zusammenhang wurde auch öffentlich, dass dem Melvin-Capital-Einsteiger Citadel ein Teil der Infrastruktur gehört, die Robinhood nutzt. Bis die Gerichtsklagen der Nutzer verhandelt werden, bleibt Robinhood und seinen Anwälten aber noch etwas Zeit, an den Argumenten zu feilen.

"Endboss" Politik?

Bis dahin spielen die App-Anleger mit DogeCoin, dem neuen Level im Krieg gegen die vermachteten Finanzmärkte. Der "Endboss" in diesem Spiel könnte die Politik sein: Die Demokratin Elizabeth Warren hat die US-Börsenaufsicht SEC bereits dazu aufgefordert, "Marktmanipulationen" zu unterbinden, damit es nicht weiter zu "casinoartigen Ausschlägen" kommt kommt. Mit diesem Vorhaben positioniert sich die ehemalige Präsidentschaftskandidatin nicht nur gegen Republikaner wie Ted Cruz, sondern auch gegen Demokraten wie Sherrod Brown, der meinte: "Die Leute an der Wall Street scheren sich nur um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, denen es wehtut".

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