Stahlbranche: Die fragwürdige Politik der IG Metall

Arbeiter am Hochofen im Thyssen-Stahlwerk in Duisburg, Mitte 1988.Bild: Bundesarchiv, CC-BY-SA 3.0

Die größte Gewerkschaft des Landes hat einen Rekonstruierungstarifvertrag bei den Deutschen Edelstahlwerken abgeschlossen. Wer aber profitiert davon?

"Die Zukunft der Deutschen Edelstahlwerke ist gesichert", vermeldete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung am 30. Januar, schränkte das Urteil aber mit dem Beisatz "zumindest für die kommenden zwei Jahre" ein. Das Blatt führte weiter aus: "Die Arbeitnehmer verzichten zur Rettung des kriselnden Unternehmens auf Urlaubs- und die Hälfte des Weihnachtsgeldes. Im Rahmen eines Sozialplans können aber bis 2024 bis zu 400 Stellen abgebaut werden."

Die IG Metall zeigt sich zufrieden: "Wenn es schon einen Arbeitnehmerbeitrag geben muss, sollte für die Beschäftigten auch etwas Positives, nämlich sichere Arbeitsplätze, dabei herauskommen", meinte Holger Lorik aus dem IG-Metall-Vorstand gegenüber der Zeitung.

Eine seltsame Logik, in der der Abbau von Arbeitsplätzen als Arbeitsplatzsicherung verkauft wird. So können doch bis zu zehn Prozent der Arbeitsplätze gestrichen werden. Und nach zwei Jahren hat der Betrieb freie Hand für weitere Maßnahmen, schließlich gilt die Einschränkung nur bis Ende 2022. Was ist da los?

Eine ganz normale Kalkulation

Die Eigentümerin der Deutschen Edelstahlwerke (DEW), die Swiss Steel Group mit Fabriken in Witten, Krefeld, Siegen, Hagen und Hattingen, hatte der Belegschaft mitgeteilt, dass sie Werke schließen würde, wenn die Mitarbeiter nicht zu Einschränkungen beim Gehalt bereit seien.

Sie hat offenbar die Freiheit, Millionenbeträge, die in den Anlagen der Werke stecken, abzuschreiben und ihr Vermögen anderweitig zu vergrößern. Die sogenannten Industriedenkmäler im Revier sprechen davon Bände.

Für die Belegschaften sieht die Angelegenheit ganz anders aus. Sie sind darauf angewiesen, sich als Arbeitskraft zu verdingen. Sie verfügen über nichts anderes als sich selbst, und alle Dinge des täglichen Lebens kosten in dieser Gesellschaft Geld, weil alles Eigentum ist. Sie sind also arm, auch wenn das in dieser Gesellschaft niemand so sehen will, und daher gezwungen, sich als Arbeitskraft zu verkaufen.

Diese Notlage können Betriebe ausnutzen und die Bedingungen des Geldverdienens diktieren. Die Mitteilung der Deutschen Edelstahlwerke kommt damit einer Erpressung gleich, doch sie gilt als das Normalste der Welt. Schließlich engagieren sich Investoren – Kapitalisten gilt ja als Schimpfwort – nur, wenn die Investition Geld abwirft, sich also lohnt.

Um die Edelstahlwerke wieder in die Gewinnzone zu bringen, soll der Betrieb umorganisiert werden, das nennt sich dann Rekonstruierung. Rekonstruiert werden soll der Gewinn des Unternehmens, dazu hat es einen Tarifvertrag mit der IG Metall abgeschlossen.

Das hört sich technisch an – und es kommt auch Technik zum Einsatz –, aber das Ziel lautet, den Stahl mit weniger Kosten herzustellen, um so sich auf dem Markt behaupten zu können.

Dafür muss eine Menge Geld her, das sich der DEW-Eigentümer Swiss Steel Group auf dem Finanzmarkt leiht. Geld, das natürlich ein Anrecht auf Verzinsung hat, sonst würde es nicht verliehen: "Unter anderem gibt der Gruppe ein Darlehen über 130 Millionen Euro von September 2020 mehr finanziellem Spielraum. Es stammt von der Bigpoint Holding des Ankeraktionärs Martin Haefner.

Im Januar schüttete die Swiss Steel Group außerdem neue Aktien zur Kapitalerhöhung aus. Geplanter Bruttoerlös: 200 Millionen Euro" Damit sind zunächst einmal erhebliche Gewinnansprüche in der Welt, zum einen als Zins für das Darlehen und zum anderen als Dividende für die Aktien, die durch die Produktion und den Verkauf von Edelstahl befriedigt sein wollen. Wie das zu bewerkstelligen ist, ist auch kein Geheimnis: Gespart werden muss an den Lohnkosten. "Insgesamt sollen so von Arbeitnehmerseite 39 Millionen Euro eingespart werden", heißt es.

Personalabbau und Lohnsenkungen sind da die Methode. Weniger Lohnkosten heißt aber nicht, es soll weniger hergestellt werden. Technische Veränderungen sollen vielmehr bewirken, dass mit weniger Lohnkosten gleich viel oder gar mehr Stahl gekocht wird. Entscheidend ist, wie hoch der Anteil der Lohnkosten an jeder Tonne Stahl ist. Je geringer diese Kosten sind, umso größer ist der Spielraum für das Unternehmen, den eigenen Gewinn zu vergrößern und durch niedrige Preise die Konkurrenten vom Markt zu verdrängen.

Diese Leistung wird in der Regel der Technik zugeschrieben, die vermehrt zum Einsatz kommt. Die Kalkulation des Betriebs offenbart aber, dass die Kosten für Maschinen und Material auf die damit angestrebte Menge an Produkten anteilig übertragen wird, wie auch sonst. Mehr Gewinn kommt so nicht zustande.

Anders bei den Kosten für die Arbeit. Ein Arbeiter kann mehr produzieren als er kostet, er ist damit die Quelle des Gewinns. Je geringer seine Kosten und je höher seine Leistung, desto besser ist dies für die Bilanz des Unternehmens.

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