Kampagne gegen polizeikritische Forschung?

Bild: Jonathan Kemper/Unsplash

Polizeigewalt ist auch in Deutschland ein Problem. Gegen eine kritische Studie gibt es Widerstand - nicht nur aus Kreisen der Polizeigewerkschaft.

Hat die Polizei aus Hanau nichts gelernt?, fragt der Publizist Mark Terkessidis ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Amoklauf von Hanau. Dort zählt er noch mal auf, dass die Fehler der Polizei lange vor Hanau begannen.

Bei rechten Angriffen auf Nichtdeutsche wurde in der Regel im Umfeld der Opfer verdächtigt und nicht der Täter gesucht und mit der Kampagne gegen Shisha-Bars wurden die Läden markiert, in denen sich junge Menschen mit Migrationshintergrund aufhalten konnten, ohne ständig mit den Blicken und Sprüchen der deutschen Mehrheitsbevölkerung konfrontiert zu sein. Diese Shisha-Bars waren dann die Angriffsziele des Hanauer Amokläufers.

Solche Polizeikritik kam jahrelang von linken Gruppen und wurde weitgehend ignoriert oder sogar kriminalisiert. Aber seit der Selbstaufdeckung des NSU ist die Kritik am Verhalten der Polizei auch in die viel zitierte Mitte der Gesellschaft eingewandert. Dazu beigetragen haben auch die Studien des Bochumer Kriminologen Tobias Singelnstein über Polizeigewalt in Deutschland. Damit wurde mit dem Irrglauben aufgeräumt, Polizeigewalt wäre in den USA aber nicht in Deutschland ein Problem.

Gegen die Studien liefen die Standesvertretungen der Polizei auftretenden Polizeigewerkschaften in Deutschland Sturm. Gegen eine neue Studie von Tobias Singelnstein, Laila Abdul-Rahman, Hannah Espín Grau und Luise Klaus über Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamte gibt es Widerstand nicht nur aus Kreisen der Polizeigewerkschaft.

Die Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz habe sogar eine Mailkampagne gegen die Studie initiiert, heißt es in einem Offenen Brief, der nicht nur von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sondern auch der polizeikritischen Publikation Cilip unterzeichnet wurde, deren aktuelle Ausgabe sich der Frage widmet, wie rechts die Polizei ist.

Irreführende Kritik an polizeikritischer Studie

"Eine kritische Auseinandersetzung mit der Studie ist natürlich notwendig und willkommen", erklärte der am Soziologieinstitut der Münchner Universität lehrende Polizei- und Protestforscher Roman Thurn gegenüber Telepolis. Bedenklich sei es aber, wenn von einer Polizeihochschule eine regelrechte Kampagne gegen die Studie initiiert werde.

Die Mails hätten sich an sämtliche Verwaltungs- und Polizeihochschulen in der Bundesrepublik gerichtet und dazu aufgerufen, durch konzertierte Pressearbeit und die Durchführung eigener Studien "gemeinsam die Interessen der Polizei [zu] wahren" und gegen die vermeintliche Schädigung des Rufes der Polizei durch die Bochumer Studie vorzugehen.

In den Anhängen zu den Mails habe es eine wissenschaftlich nicht haltbare Kritik an der Repräsentativität der Bochumer Studie gegeben, heißt es in dem Offenen Brief. Dabei werde bei den Kritikern der Studie nicht erwähnt, dass die Auswahl von Befragungsteilnehmer über ein nicht-repräsentatives Schneeballsystem ein gängiges Verfahren im Kontext explorativer Dunkelfeldstudien ist, präzisiert Roman Thurn gegenüber Telepolis diese Kritik.

Er betont, dass in beiden Zwischenberichten das Team der Studie die methodischen Grenzen das Projekt offen und transparent benannt habe. Die Verfasserinnen und Verfasser des Offenen Briefes werfen der Polizeihochschule einen Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft vor. Vielleicht ist aber das Agieren der Polizeihochschule auch ein etwas hilfloser Versuch mit der Tatsache umzugehen, dass heute ein kritischer Blick auf das Agieren der Polizei eben nicht mehr ein linkes Nischenthema ist, sondern sich sowohl in etablierten Medien und Forschung verbreitet.

Dafür gibt es viele Hinweise. So werden auch in etablierten Medien Polizeimitteilungen heute nicht mehr so unhinterfragt übernommen, wie noch vor einigen Jahren. Auch der Offene Brief ist ein weiteres Indiz dafür. Es gibt mittlerweile auch in Wissenschaft und Forschung einen polizeikritischen Blick und das ist auch gut so.