Griechenland: Polithäftling in kritischem Zustand

Dimitris Koufontinas. Bild: gefangenen.info

Kontroverse um Hungerstreik von Dimitris Koufontinas. Appell an Ministerpräsident Mitsotakis

In Griechenland sorgt der Hungerstreik eines Politgefangenen für Aufstehen. Dimitris Koufontinas verweigert seit fast 50 Tagen die Nahrung, um seine Rückverlegung in das Gefängnis zu erreichen, in dem er ursprünglich einsaß. Nun wandte sich der bekannte griechisch-französische Regisseur Costa Gavras an Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, um eine Lösung zu erreichen und das Leben Koufontinas zu schützen. Mitsotakis solle sich für eine Rückverlegung in das Korydallos-Gefängnis einsetzen, so Costas Gavras.

Koufontinas wird indes intensivmedizinisch behandelt. Ein Aussicht auf Haftentlassung gibt es für den Mann kaum. Als ehemaliges Mitglied der linken bewaffneten Organisation 17. November ist er zu elf Mal lebenslänglich plus fünfundzwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt.

Die Akte Koufontinas

Der 1958 geborene Koufontinas war von 1981 oder 1983 bis 2002 in der militanten Gruppe 17. November aktiv. Die Gruppierung hat in Griechenland von 1975 bis 2002 zahlreiche Anschläge verübt. Zu den Opfern gehörten auch US-Bürger.

  • Am 23. Dezember 1975 wurde der in Athen tätige CIA-Offizier Richard Welch als zweites Opfer der Gruppe ermordet. Welch leitete in Athen die Operationen der CIA.
  • Am 15. November 1983 fiel der US Navy Captain George Tsantes, Angehöriger der JUSMAGG (Joint United States Military Advisory Group Greece) einem Anschlag zum Opfer.
  • Am 3. April 1984 wurde der Army Master Sergeant, Post Offizier der JUSMAGG, Robert H. Judd verwundet.
  • Eine Autobombe tötete am 22. Juni 1988 den US Navy Captain William Nordeen.
  • Einer Autobombe fiel am 13. März 1991 auch der US Air Force Sergeant Ronald O. Steward zum Opfer.
  • Eines der letzten, der insgesamt 23 Todesopfer der Gruppe war am 15. Juni 2000 der britische Militärattaché in Athen, Stephen Saunders.

Die Anschläge der Gruppe trafen zumindest zum Zeitpunkt ihres Geschehens in Teilen der griechischen Bevölkerung durchaus auf Sympathie. Das hängt unmittelbar mit der Verwicklung der USA in den Coup d'État der Obristen vom 21. April 1967 zusammen. Die Obristendiktatur von 1967-1974 verstärkte den in der griechischen Gesellschaft herrschenden Antiamerikanismus, der auch mit der US-amerikanischen Rolle im Bürgerkrieg (1946-1949) und der anschließenden Kommunistenverfolgung zusammenhängt.

Koufontinas selbst wurde für die Morde an Ronald Steward, Stephen Saunders und William Nordeen verurteilt. Ein Grund, weshalb die US-Botschaft in Athen regelmäßig gegen Hafterleichterung protestierte, wann immer diese Koufontinas gewährt wurden. Koufontinas gilt jedoch auch als Mörder von Pavlos Bakoyannis, dem Schwager des amtierenden Premierministers Kyriakos Mitsotakis. Bakoyannis, damals Parlamentarier der Nea Dimokratia, wurde am 26. September 1989 vor seinem Bürogebäude in der Omirou-Straße in Athen erschossen.

Er war der Vater des amtierenden Athener Bürgermeisters. Bakoyannis Ehefrau, Dora Bakoyannis, die Schwester des Premiers, trat nach der Tat an seiner Stelle im Wahlkreis an. Die frühere Athener Bürgermeisterin und Außenministerin ist auch heute noch Parlamentarierin. Die geborene Mitsotakis hielt auch nach erneuter Heirat weiterhin am Nachnamen ihres erschossenen früheren Ehegatten fest. Die Familie Mitsotakis hat in der Vergangenheit ebenfalls immer dann Beschwerden eingereicht, wenn Koufontinas Hafterleichterungen gewährt wurden.

Mittelbar war Koufontinas auch an der Aushebung der von der griechischen Antiterroreinheit gejagten Gruppe beteiligt. Er begleitete Savvas Xiros, als dieser bei einem missglückten Bombenanschlag auf die Verkaufsstellen der Hellas Flying Dolphins im Hafen von Piräus durch die Bombe schwer verletzt wurde. Xiros wurde festgenommen und schwer verletzt vernommen.

Die Folter bestand darin, dass dem schwer Verletzten ärztliche Maßnahmen nur im Gegenzug zu Geständnissen und den Namen von Mitgliedern der Gruppe gewährt wurden.

Dies führte zur Festnahme von achtzehn Personen. Vierzehn davon wurden in einem von Dezember 2005 bis Mai 2007 andauernden Prozess zu Zuchthausstrafen verurteilt. Sie wurden in einen eigens für die Mitglieder der Gruppe ausgebauten Trakt im Keller der Frauenabteilung des Korydallos Gefängnisses inhaftiert.

Die Festnahme der meisten Mitglieder der Gruppe erfolgte bereits im Sommer 2002. Koufontinas blieb zunächst unauffindbar. Er stellte sich jedoch am 5. September 2002 selbst. Bei seiner freiwilligen Auslieferung an die Polizei erklärte er, dass er mit diesem Schritt die politische Verantwortung für die Taten der Gruppe des 17. November übernehmen würde.

Der seit seiner Festnahme im September 2002 inhaftierte Koufontinas hat keine weiteren Erklärungen der Reue abgegeben. Dies werfen ihm die Politiker der Regierungspartei Nea Dimokratia seit Jahren vor. Es handelt sich bei dem verlangten Eingeständnis der Reue um eine griechische Besonderheit.

Denn bis zum Ende der Militärdiktatur mussten sozialdemokratische, linke und kommunistische Bürger auf Druck der Staatsgewalt Reueerklärungen abgeben und sich von "linken oder kommunistischen Strömungen lossagen". Koufontinas sieht seine Taten als politisch motiviert an und fühlt sich durch die Verurteilung mit den verschärften Strafmaßen der Antiterrorgesetze darin bestärkt.

Sein Standpunkt ist, dass die Übernahme der politischen Verantwortung für die Taten jede weitere Reueerklärung unnötig macht. Innerhalb der Sympathisanten für Koufontinas Anliegen der Haftverlegung überwiegt die Überzeugung, dass die von der Regierung verlangte Reueerklärung, der bis 1974 vom Staat geübten Praxis entspricht.

Seitens der Nea Dimokratia, damals Oppositionspartei, gab es scharfe Proteste, als Koufontinas 2018 erste Hafturlaube bekam und in ein Agrargefängnis verlegt wurde. In diesen Agrargefängnissen können die Inhaftierten mit Feldarbeit ihre Strafzeit mindern. Für Koufontinas, der im Zivilleben als Imker gearbeitet hatte, bedeutete die Verlegung auch ein Stück "Normalität".

Die Nea Dimokratia verkündete bereits damals, dass sie die Verlegung von Koufontinas rückgängig machen würde und dessen Hafterleichterungen streichen würde.

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