Berlin: Linke Autopartei?

Bild: Gunnar Ridderström/Unsplash

Trotz Klimanotstand fällt der Berliner Linkspartei der Abschied vom Verbrennungsmotor schwer

Wir hatten im September letzten Jahres darüber geschrieben, wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) seine grüne Umweltsenatorin ausbremst, die unter anderem eine City-Maut einführen will.

Seit fast einem Jahr wird in der Hauptstadt darüber diskutiert. Sämtliche Verwaltungen sowie die Senatskanzlei hatten sich mit der Vorlage von Umweltsenatorin Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen) einverstanden erklärt, aber nun blockiert ein anderer Koalitionspartner.

Die Linkspartei legte Mitte Februar – wie auf Telepolis bereits kurz erwähnt – im Senat ihr Veto gegen die Vorlage der Umweltsenatorin ein. Dazu gibt es auch einen Bericht des Senders RBB.

Erst müssten die sozialen Auswirkungen geprüft werden, was die Partei offensichtlich trotz intensiver öffentlicher Debatte über die Klimakrise und des bereits vor über einem Jahr von ihr in Berlin mitausgerufenem Klimanotstands noch immer nicht geschafft hat.

Die Umweltsenatorin schlägt ab 2030 ein Verbot für Autos mit Verbrennermotoren in der Innenstadt, das heißt, innerhalb des S-Bahn-Rings vor. Es gehe nicht an, dass nur noch Menschen mit viel Geld mit dem Auto in die Innenstadt fahren können, will der RBB aus Fraktionskreisen gehört haben.

Geringverdiener haben keinen Pkw

Wie schon im September-Beitrag dargestellt, verfügen in Berlin nur 49 Prozent der Haushalte über einen Pkw. Innerhalb des S-Bahnrings ist der Anteil sogar noch kleiner.

Außerdem ist der - freiwillige oder erzwungene - Verzicht auf ein Auto in den unteren Einkommensgruppen besonders ausgeprägt. Nur 24 Prozent der Berliner Haushalte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 500 bis unter 900 Euro im Monat besitzen ein Auto. In der nächsthöheren Gruppe - Haushaltsnettoeinkommen 900 bis unter 1.500 Euro im Monat - sind es 25 Prozent.

Auch in der nächsten Gruppe mit Haushaltsnettoeinkommen von 1.500 bis unter 2.000 Euro sind es nur 38 Prozent und erst oberhalb von 3.000 Euro netto monatlich hat die Mehrheit der Berliner Haushalte ein eigenes Auto vor der Tür stehen.

Das heißt, es sind vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen, die den Berliner Straßenverkehr als Fußgänger und Fahrradfahrer erleben und zugleich am meisten unter seinen Auswirkungen zu leiden haben.

Am drastischsten legt davon die Unfallstatistik der Hauptstadt Zeugnis ab. 2020 sind auf Berlins Straßen 18 Fußgänger, 17 Radfahrer, neun Fahrer von Zweirädern sowie jeweils zwei Insassen von Autos und Lastwagen gestorben.

"Berlin autofrei"

Das Thema Straßenverkehr treibt viele Berliner um. Nach einer überaus erfolgreichen Initiative für einen Fahrrad-Volksentscheid läuft nun ein weiterer Versuch, die Bedingungen für den nicht motorisierten Verkehr, also die Mehrheit der Bewohner, zu verbessern.

Die Initiative Volksentscheid "Berlin autofrei" will 80 Prozent der Kraftfahrzeuge aus der Stadt verbannen. Demnächst soll der Startschuss für das Volksbegehren gegeben werden. In dieser ersten Stufe des Volksentscheids müssen 20.000 Unterschriften gesammelt werden.

Am 9. März will der Berliner Senat wieder über die Vorlage des Umweltressorts sprechen.