"Der Verlust von Impfgeschwindigkeit ist die Verzögerung von Freiheit"

Markus Söder und Michael Kretschmer stellen ihre neue Strategie zur Eindämmung der dritten Welle vor. Angesichts einer "Impfstoffschwemme" wird der Realitätstest interessant

Wie oft wird Söder sagen, wie es gehen soll, bis es Wirklichkeit wird? Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem sächsischen Amtskollegen Michael Kretschmer (CDU) wiederholte und variierte der bayerische Ministerpräsidenten Grundsätze und Beschwörungen, die man von ihm schon kennt, er präsentierte sie mit ein paar neuen Wort-Kleidern. Darüber hinaus machte er aber auch tatsächlich neue, konkrete Vorschläge, die sich nun dem Wirklichkeitstest aussetzen.

Mehr Tempo beim Impfen ist eine solche Hauptaussage, die er mehrmals wiederholte und mit dem Begriff der Freiheit kombinierte: "Der Verlust von Impfgeschwindigkeit ist die Verzögerung von Freiheit", bevor er dann andeutete, dass seinem Selbstverständnis nach Geimpfte und Ungeimpfte jeweils unterschiedliche Freiheitsgrade haben werden.

Wie das konkret aussehen soll, ist noch nicht ausgemacht. Einstweilen steht das Wort "Impfpass" als Stichwort für weitere Diskussionen und Maßnahmen im politischen Gelände (vgl. EU bereitet Gesetz für den Corona-Pass vor, Vorbild ist Israel).

"Spätestens im April"

Ziemlich konkret wurde Söder mit seiner Ansage der Impfziele: "Spätestens im April muss jede Dose Impfstoff verimpft werden, wo es nur geht". Dazu hatte er auch einen pragmatischen Vorschlag: Auch Hausärzte, Betriebsärzte und Schulärzte sollen impfen. Nur so lasse sich der "dramatische Rückstand beim Impfen aufholen", so der CSU-Chef.

Söder kündigte an, dass mehr Impfstoff in die Hotspot-Regionen in den Grenzregionen zur tschechischen Republik geliefert werden soll, vor allem AstraZeneca.

"Impfstoffschwemme"

Der Mangel an Impfstoff kann nicht mehr als Grund für das Scheitern im Realitätstest angeführt werden. Zumindest nicht mehr so leicht, wie es aussieht. Zweieinhalb Millionen Dosen Corona-Impfstoffe lagerten nach Informationen des Welt-Journalisten Olaf Gersemann am Freitag in Deutschland ein. Fürs Wochenende sei eine weitere Million Dosen angekündigt worden, für Montag und Dienstag sei mit mehr als 900.000 Dosen zu rechnen und vom Biontech-Vakzin sollen im Laufe des März fünf Millionen Dosen angeliefert werden.

Deutschland sehe im März einer "Impfstoffschwemme" entgegen, so Gersemann. Das Land müsse sich jetzt beim Impfen lockermachen und wegkommen vom Festhalten an schablonenhaften Konzepten. Als Beispiele werden aufgeführt: die bisherige Priorisierungs-Politik, die Beschränkungen der Impfstellen sowie die Vorbehalte gegen den AstraZeneka-Impftstoff. Und schließlich müsse man "von der unseligen Idee Abstand (…) nehmen, lieber wenige Menschen mit zwei Impfungen zu versorgen als viele mit zumindest einer (die allein ja auch schon einen erheblichen Schutz bietet)", so Gersemann.

Bei der Pressekonferenz zwischen Michael Kretschmer und Markus Söder ging es um die Grenzregionen beider Länder zu Tschechien, wo die Mutation des Virus zu höheren Infektionszahlen führte. Die beiden Ministerpräsidenten wollen gezielt vorgehen, um das Risiko der befürchteten "dritte Welle" klein zu halten. Die "dritte Welle" war dann auch das Thema, das über die sächsisch-bayerische Grenzpolitik hinausführte.

Insbesondere Söder hatte die am Mittwoch anstehende Ministerpräsidenten-Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Augen und adressierte seine Äußerungen in diese Richtung. So warnte er vor einem "Blindflug in die dritte Welle" hinein. Es dürfe in der Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch "kein Öffnungsrausch" entstehen, sondern es müsse "ein kluges und ausbalanciertes Öffnen" geben.

"Öffnungsmatrix"

"Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen", lautete ein weiterer Satz, den Söder zum Thema "Öffnungsmatrix" variierte. Man brauche ein kluges Öffnungskonzept, man dürfe keine Fehler machen, es brauche eine einheitliche Grundphilosophie mit regionaler Differenzierung.

Seine Grundphilosophie lautet jetzt, dass jeder, der sich impfen lassen will, auch ein Impfangebot bekomme. Bei den Altenheimen sei man da langsam durch, zumindest in Bayern, nun soll es möglichst bald auch Impfstoffe für Kinder und Jugendliche geben. Das System soll sich nach seiner Vorstellung künftig nicht mehr durch Mangel auszeichnen, sondern sich an der Masse orientieren, die geimpft wird.

Kombiniert werden soll das mit einer ausgebauten Teststrategie. Wie das klappen könnte, wollen Michael Kretschmer und Markus Söder nun bei ihrem gemeinsames Pandemie-Vorgehen, der "Sachsen-Bayern-Allianz", an der Grenze zu Tschechien zeigen. Dafür haben sie einen Zehn-Punkte-Plan ausgearbeitet, der ganz konkrete Punkte enthält, woran dann auch abzulesen sein wird, wie die Umsetzung funktioniert.

Kretschmer hob zwei Maßnahmen hervor: Man wolle ein völlig neues, intensives Testregime und eine eigene Impfstrategie für die Grenz-Landkreise. Unternehmen sollen selbst zu Testzentren werden und vor Ort im Betrieb testen. Söder erklärte, dass die Pendler aus Tschechien schnell geimpft werden sollen.

"Wir müssen aufholen und müssen besser werden", war ebenfalls eine Aussage, die mehrmals variiert wurde.