EU: Portugal für Finanztransaktionssteuer, Österreich blockiert

Der Sozialist António Costa nutzt EU-Ratspräsidentschaft, um das Projekt "Robin Hood"-Steuer sowie Maßnahmen gegen "Sklavenarbeit" voranzutreiben. Er nimmt es ernst. Österreich geht das zu weit

Zum Jahreswechsel hat das kleine Portugal von Deutschland turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft und damit viele ungelöste Aufgaben übernommen.

Gewöhnlich wird die EU-Ratspräsidentschaft dazu genutzt, um Reformen voranzutreiben, die auch Sinne der jeweiligen Landesregierung sind. Und die linke Regierung in Portugal, die diesen Namen auch verdient hat, bringt zwei wichtige Forderungen in die Debatte ein.

Sie will unter anderem endlich eine europaweite Finanztransaktionssteuer einführen und zudem durchsetzen, dass Subventionen im Rahmen der Agrarförderung an die Einhaltung von Arbeits- und Sozialgesetzen gekoppelt werden. Damit soll die Ausbeutung von Saisonarbeitern, die zum Teil unter sklavenartigen Bedingungen leben und arbeiten müssen, verhindert werden. Erstaunlich ist, dass sich Österreich besonders klar gegen beide Vorhaben positioniert.

Heißes Eisen: Finanztransaktionssteuer bis Ende 2022

Kommen wir zunächst zur Finanztransaktionssteuer, die in Portugal auch als "Robin Hood-Steuer" bezeichnet wird. Die sollte schon vor fast elf Jahren als Konsequenz aus der Finanzkrise eingeführt werden. Die Vorgaben hatten sich aber schon damals so weit von einer realen "Tobin Tax" entfernt, dass man diesen Namen besser nicht dafür verwenden sollte.

Schon im Mai 2010 war verkündet worden, dass man sich "grundsätzlich" auf eine Finanztransaktionssteuer geeinigt habe, die zum "Symbol für die Beteiligung des Privatsektors an der Krisenbewältigung" geworden sei. Die Idee wurde, wie an dieser Stelle berichtet, in den letzten Jahren immer wieder aufgewärmt - und dabei immer weiter verwässert -, sie wurde aber nie umgesetzt.

Wenn diese Steuer ein Symbol ist, dann dafür, dass aus der Finanzkrise kaum Konsequenzen gezogen wurden, wie auch Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman wiederholt kritisiert hat.

Doch nun greift der portugiesische Sozialist António Costa das heiße Eisen an. Man kann davon ausgehen, dass er real an der Umsetzung interessiert ist. Mit Hilfe von linksradikalen Parteien hatte sich Costa schon erfolgreich von der Austeritätspolitik verabschiedet. Gemeinsam wurde zum Beispiel auch eine Banken-Abgabe eingeführt, um die Geldinstitute an den Kosten für die Bankenrettungen zu beteiligen.

Der portugiesische Vorstoß sieht vor, die auf Eis liegende Debatte wieder zu führen, um die Steuer bis Ende 2022 einzuführen. Die Ratspräsidentschaft erinnert daran, dass in Ermangelung einer einstimmigen Einigung vor zehn Jahren nur noch elf Mitgliedsländer beschlossen hatten, sie im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen. Allerdings stieg danach Estland wieder aus. Bis Ende 2014 sollte eine Rechtsgrundlage für die verbleibenden zehn Euroländer geschaffen worden sein, was aber auch nie geschah.

Derweil hatten sich EU-Länder wie Frankreich und Italien zu nationalen Alleingängen entschieden. Portugal spricht sich in seiner Vorlage, die an den Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) geschickt wurde, dafür aus, die Steuer einzuführen und sich dabei an den in diesen beiden Ländern und den von ihnen bereits erprobten Modellen zu orientieren. Während Frankreich seit 2013 nur den Kauf und Verkauf von Aktien besteuert, werden im Falle Italiens auch Derivate eingeschlossen, wenn dessen Basiswerte steuerpflichtige italienische Aktien sind.

Lissabon strebt, angesichts leerer Kassen in der Corona-Pandemie, einen Konsens an, der über die zehn Staaten hinausgehen soll, die grundsätzlich diese Steuer befürworten. Das wichtigste Ziel Costas ist, Wege für einen möglichen Konsens über ein effizientes Modell einer Finanztransaktionssteuer "aufzuspüren", heißt es in dessen Vorlage.

"Es scheint eine gute Gelegenheit zu sein, eine allgemeine konzeptionelle Diskussion über die Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer in einem inklusiven Format zu führen."

Es geht um Eigenmittel der EU

Dabei hat Portugal auch die Tatsache vor Augen, dass es sich um EU-Einnahmen handeln soll. Es ist bekannt, dass die EU-Kommission im Rahmen des sogenannten "Wiederaufbaufonds" erstmals in großem Stil eigene Kredite am Finanzmarkt aufnehmen darf. Und es stellt sich auch die Frage, wie Zinsen und Tilgung für die 390 Milliarden Euro bezahlt werden sollen, die im Rahmen der Corona-Krise an die Mitgliedsländer als Zuschüsse und nicht als Kredite fließen.

In den Beratungen dazu war vereinbart worden, das Eigenmittelsystem der Union zu reformieren und neue Finanzierungsformen einzuführen. Ausdrücklich wurde davon gesprochen, dass dazu auch "eine Steuer auf Finanztransaktionen gehören kann".

Diese Steilvorlage nutzt der Sozialist António Costa, um das Thema auf die Tagesordnung zu setzen und erste Schritte zu einer realen Finanztransaktionssteuer zu gehen. "Die französischen und italienischen Erfahrungen sind besonders paradigmatisch", argumentiert Portugal.

Der "vernünftigste Ansatz bestünde darin, so bald wie möglich mit der Erprobung der von Frankreich und Italien entwickelten und bereits erprobten Ansätze auf europäischer Ebene zu beginnen".

Die hätten gezeigt, dass es zu keinen negativen Folgen an den Finanzmärkten gekommen sei. Als Präferenz spricht Portugal sich für das "bereits gut erprobte" italienische Modell bei einer Einführung in einem "ersten Schritt auf europäischer Ebene" aus, da das auch schon Derivate mit einbezieht.

Unter den Ländern, die sich grundsätzlich für die Einführung der Finanztransaktionssteuer ausgesprochen haben, gehört neben den angesprochenen Ländern auch Deutschland, Belgien, die Slowakei, Spanien, Slowenien, Griechenland und Österreich.

Österreich: "Schlechte Idee"

Doch vor allem das letztgenannte Land sperrt sich heftig gegen den Costa-Vorstoß. "Schlechte Ideen werden auch durch ständige Wiederholung nicht besser", wies der Finanzminister Gernot Blümel die portugiesischen Vorschläge in einer rüpelhaften Form zurück, wie auch österreichische Medien feststellen.

Und kundige Medien weisen dort auch darauf hin, dass es sich bei dem Vorhaben nicht nur um ein "Kernprojekt Österreichs in der EU" handelte, sondern insbesondere auch von Blümels konservativer Volkspartei (ÖVP). Doch real gab es wenig Interesse beim Nachbarn, diese Steuer einzuführen.

Darüber hatte Telepolis schon vor gut fünf Jahren berichtet (Alle Jahre wieder Finanztransaktionssteuer). Damals hatte sich Blümels Parteifreund Hans Jörg Schelling (ÖVP) als Finanzminister vermeintlich für die Steuer stark gemacht, die Vorstellungen aber noch weiter verwässert. Im Alpenland wird ganz richtig weiter festgestellt, dass das Projekt ausgerechnet dann "unter dem Ratsvorsitz Österreich ganz zum Erliegen kam".

Ist Blümel, dessen ständige Fehler und Fehltritte schon in einer Art Ranking aufgeführt werden, deshalb so erbost über den Portugiesen, weil António Costa es ernst meint?

Interessant ist, dass Blümel, dessen Partei und Regierung in der Frage während des Ratsvorsitzes nichts unternahm, nun offenbar die Öffentlichkeit damit an der Nase herumzuführen versucht, dass man angeblich eine umfassendere Lösung anstrebt. Die hatte jedenfalls auch der frühere Finanzminister Hans Jörg Schelling nicht gefordert.

Es kann Strategie sein, eine schrittweise Einführung, wie sie Portugal anstrebt, dadurch zu verhindern, dass man hochtrabende Ziele ansetzt, die in der EU nicht durchsetzbar sind.

Dazu passt, dass der österreichische Finanzminister bei der Einführung sogar weit über die EU hinauswill, was sie noch illusorischer macht. "Ein geografisch breiter Ansatz - global oder zumindest mit möglichst vielen teilnehmenden Staaten - wäre wünschenswert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden", sagte Blümel. "Wir wollen Spekulation und Hochrisikogeschäfte besteuern, nicht die Realwirtschaft schwächen."

Unmoralische Finanzspekulationen zu begrenzen, sei richtig, doch vom guten Plan ist leider nur ein Vorschlag übriggeblieben, der nur die Realwirtschaft schlechter stellt. "Deshalb können wir dem Plan so nicht zustimmen", sagte Blümel dem Handelsblatt.

Das Land, das sich zu den selbsternannten "frugal four" (sparsamen Vier) zählt, ist offensichtlich nicht daran interessiert, die Einnahmeseite der EU zu verbessern. Dabei wäre das schon deshalb im eigenen Sinne, um Steuergelder der Mitbürger zu schützen. Das geben die Konservativen doch gerne vor.

Zudem geht es Portugal darum, ganz in der dort gemächlichen und ruhigen Vorgehensweise, den ersten Schritt in einer schrittweisen Einführung der Steuer zu gehen und dabei die Auswirkungen genau zu beobachten. Wer das ablehnt, hat, nach den Erfahrungen in den letzten zehn Jahren, offensichtlich kein Interesse, dass Börsengeschäfte jemals ernsthaft besteuert werden.