Westsahara: Marokko im Streit mit Deutschland

"Freie Sahara". Proteste in Donostia-San Sebastian. Foto: Ralf Streck

Die Bundesregierung zeigt sich besorgt über die Lage im besetzten Gebiet und hält an der Referendums-Lösung im Rahmen der Vereinten Nationen fest, die Marokko hintertreibt

Es wird der marokkanischen Regierung nicht gefallen, dass die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Bundestag zur Westsahara-Frage unter anderem folgendes erklärt:

"Auch sind der Bundesregierung Berichte bekannt, wonach eine administrative Benachteiligung bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung von Personen stattfindet, die sich offen gegen den marokkanischen Souveränitätsanspruch aussprechen."

Dass in der Antwort auf die Kleinen Anfrage von Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke, die Telepolis vorliegt, zudem angefügt wird: "Die Bundesregierung beobachtet dies mit Sorge", wird dem autokratische Regime auch nicht gefallen.

Berlin ignoriert Donald Trumps politischen Schritt, der der marokkanische Regierung einiges bedeutet. Der frühere US-Präsident hatte kurz vor seinem Abgang plötzlich die Souveränität Marokkos über die illegal besetzte Westsahara anerkannt. Und dies wurde bisher, anders als andere Vorstöße, von Joe Biden nicht rückgängig gemacht.

Die Bundesregierung sieht dagegen in der Westsahara weiter ein als getrennt zu betrachtendes Hoheitsgebiet. Berlin setzt nach wie vor auf die Vereinten Nationen (UN), um auf der Basis der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats zu einer "gerechten, praktikablen, dauerhaften und für alle Seiten akzeptablen Lösung des Konflikts" unter "Achtung des Humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte" zu kommen.

Die Linken-Abgeordnete, Sevim Dagdelen, die als Obfrau im Auswärtigen Ausschuss federführend hinter der Anfrage steht, erklärte gegenüber Telepolis:

"Die Bundesregierung darf die fortdauernde völkerrechtswidrige Besetzung der Westsahara durch Marokko nicht anerkennen und dem Druck aus Rabat nicht nachgeben."

Denn Marokko will über Druck auch Deutschland auf "Trump-Kurs bringen". In einem Schreiben hatte Anfang der Woche der marokkanische Außenminister Nasser Bourita die Regierungsmitglieder aufgefordert, alle Beziehungen zur deutschen Botschaft in Rabat abzubrechen.

"Jegliche Kontakte, Interaktionen oder Kooperationen mit der deutschen Botschaft in Marokko und mit den mit ihr verbundenen deutschen Kooperationseinrichtungen und Stiftungen sind unter allen Umständen und in jeder Form auszusetzen."

Hinweise darauf, was den Zorn von Rabat konkret erregt hat, gab Bourita nicht. Er spricht nur von "tiefen Missverständnissen in grundlegenden Fragen". Dass die Bundesregierung an einem Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara festhält und über die Lage im besetzten Gebiet besorgt ist, dürfte zu den "Missverständnissen" gehören.

Die Bundesregierung sieht ihrerseits aber weiterhin keinen Grund für eine Beeinträchtigung der guten diplomatischen Beziehungen zu Marokko und hatte zwischenzeitlich die marokkanische Botschafterin in Berlin zu einem dringenden Gespräch und um Erläuterung des Vorgangs gebeten.

Dass Marokko von der Bundesregierung weiter mit Samthandschuhen angefasst wird, kritisiert Dagdelen:

"Statt das Königreich mit Wirtschaftsabkommen und einer Privilegierten Partnerschaft zu hofieren, muss sie sich endlich aktiv dafür einsetzen, dass das UN-Referendum über die Zukunft der Westsahara nicht weiter durch Marokko blockiert und durch die völkerrechtswidrige Ansiedlung eines Teils der eigenen Bevölkerung in den besetzten Gebieten untergraben wird."

Sie bezieht sich auf die Tatsache, dass die Sahrauis, die zu einem guten Teil vor den Besatzern in Wüstenlager geflohen sind, seit 40 Jahren darauf warten, dass die UN-Mission (Minurso) nach dem Waffenstillstand von 1991 das mit der Befreiungsfront Polisario das im Waffenstillstandsabkommen vereinbarte Referendum über die Unabhängigkeit organisiert. Marokko hat das stets hintertrieben und zudem eine große Zahl marokkanischer Bürger wurde in der Westsahara angesiedelt.

In der Anfrage wird davon gesprochen, dass die "ethnische Struktur durch Flucht, Vertreibung und Bevölkerungsaustausch in Folge der völkerrechtswidrigen Okkupation der Westsahara durch Marokko verändert hat, um so die im Jahr 2000 fertiggestellte Liste der identifizierten Wahlberechtigten bei einem Referendum zu unterminieren. Das stellt die Bundesregierung ebenfalls nicht in Abrede. Ihr ist bekannt, dass "sich seit 1976 eine erhebliche Anzahl marokkanischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in den Gebieten der Westsahara angesiedelt hat".

Angesichts der Vorgänge in den letzten 40 Jahren und angesichts ständiger marokkanischer Provokationen riss den Sahrauis im vergangenen November der Geduldsfaden. Nachdem Marokko militärisch gegen eine Straßenblockade in der entmilitarisierten Zone vorgegangen ist, nahm die Polisario den bewaffneten Kampf wieder auf.

Die Straße, über die Ressourcen aus der Westsahara nach Mauretanien transportiert werden, dürfte es eigentlich auch nicht geben. Obwohl nun sogar wieder Krieg herrscht und es verstärkt Berichte über Menschenrechtsverstöße im besetzten Gebiet gibt, bleibt die Bundesregierung inaktiv. Ist man sonst schnell dabei, Sanktionen zu verhängen, erklärt sie in Bezug auf Marokko:

"Die Bundesregierung hat im Rahmen der EU keine Initiativen zur Verhängung von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Westsaharakonflikt ergriffen."