Marktgerechtes Handeln oder Korruption?

Geschäft und Gefühl - der doppelte Löbel. Bild: Tobias Koch/CC BY-SA 3.0

Corona-Krisen-Gewinner: Der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel zieht sich aus der Politik zurück

Manche meistern die Herausforderungen der Corona-Krise auf eine clevere, systemimmanente Art. Der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel soll beim Geschäft mit Schutzmasken 250.000 Euro Provision erhalten haben.

Löbel verfügte über gute Kontakte und vermittelte. Der Politiker bot laut Informationen des Tagesspiegel "Unternehmen aus dem Gesundheitssektor an, ihnen Schutzmasken der baden-württembergischen Firma Bricon Technology GmbH zu vermitteln.

Das ist regelkonform mit der Marktwirtschaft? Löbel soll die Provisionen zunächst auch als "marktgerecht" bezeichnet haben. Korruption liege dann vor, wenn mit Hilfe von politischen Beziehungen den "eigenen Produkten ein Wettbewerbsvorteil verschafft werde", wird von politischen Kommentatoren argumentiert. "Vor einem Jahr gab es keine Masken oder nur zu grotesken Preisen. Es ging also darum, überhaupt welche zu beschaffen", stellt der Autor Frank Lübberding (u.a. FAZ, Cicero, Die Welt) fest.

Dass er für die Beschaffung der Masken eine Provision bekommt, mag man bei einem Politiker für anrüchig halten, "aber wie begründet sich der Korruptionsvorwurf?", fragt Lübberding. Er selbst hätte keine Probleme, wenn der Politiker dies dem Bundestag mitteile und das zusätzliche Einkommen versteuere.

Kein gutes Gefühl mehr

Der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel selbst hat kein gutes Gefühl mehr. Laut neuesten Meldungen vom heutigen Sonntag will er sich aus der Politik zurückziehen. Er verlasse die Bundestagsfraktion der Union mit sofortiger Wirkung. Ende August will er sein Abgeordnetenmandat niederlegen. Er habe die Ansprüche, die das Bundestagsmandat an ihn stelle - "die große Ehre und (eine, Einf. d.A.) besondere moralische Verpflichtung" - mit seinem Handeln verletzt, teilt er in einem Schreiben mit.

Höchstwahrscheinlich hat nicht nur Löbels Gefühl, sondern auch der Druck, der aus den Veröffentlichungen zum üppigen Zuverdienst entstand, eine wichtige Rolle gespielt. In Zeiten weit verbreiteter Existenzängste sind relativ leicht verdiente 250.000 Euro im Nebengeschäft eines Politikers, der seine Verbindungen und seine Informationsvorteile ausnutzt, der Öffentlichkeit schwer vermittelbar.

Zumal, wie ein veröffentlichtes E-Mail nahelegt, Löbel bei seiner der Hilfsaktion nicht vor allem von der Sorge getragen war, einer Not abzuhelfen nach der Maxime "Hauptsache, es stehen Masken zur Verfügung", sondern das geschäftliche Interesse kein vernachlässigbares Motiv abgab.

In einer E-Mail Löbels vom 24. April 2020, in der er sich als Abgeordneter vorstellte und über die auch die "Bild"-Zeitung berichtet, heißt es, über ihn könnten OP-Masken für 60 Cent ab einer Bestellmenge von 600.000 bezogen werden: "Je nach Auftragsmenge ist hier am Stückpreis noch etwas machbar", zitiert die "Bild" Löbel. Für FFP2-Masken würden 4,40 Euro pro Stück fällig.

Und dann kommt Löbel den Berichten zufolge zum Punkt: "Für jede Maske, die über mich bei Bricon bezogen wird, erhalte ich vom Käufer 0,12 Euro zzgl. MwSt. je nach Bestellung." Details könne man in einer Telefonkonferenz klären, zitiert der "Spiegel" aus der Mail.

Tagesspiegel

Rückblickend, so urteilt Löbel jetzt selbst, seien die Vermittlungen falsch gewesen. Ihm habe die erforderliche Sensibilität gefehlt. Marktgerecht aber war das Verhalten schon: "Die von mir vermittelten Masken wurden dringend benötigt, und die vermittelten Kaufpreise und Provisionen waren marktgerecht." Die privilegierte Stellung, den Vorsprung im Markt, den er durch seine Position hatte, blendet er aus, wie so viele andere, die davon erzählen, wie gerecht der Markt im Grunde ist.

Außer Löbel ist auch Georg Nüßlein, Vizevorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, jüngst mit lukrativen Nebengeschäften aufgefallen. Er soll sich neben seinem politischen Amt "ebenfalls um zahlreiche Dinge" gekümmert haben.

Aber im Gegensatz zu den meisten Abgeordneten tat er das ungerne umsonst. Das gilt nicht nur für ein von ihm eingefädeltes 14-Millionen-Geschäft mit Schutzmasken, die an den Bund und andere öffentliche Stellen geliefert wurden und für das der Neu-Ulmer Abgeordnete 660.000 Euro Provision erhielt. Es gibt auch zahlreiche andere Geschäfte zwischen Privatunternehmen und öffentlicher Hand, bei denen Nüßlein mitmischte.

Wirtschaftswoche

Dem Bundestag gegenüber soll er laut Informationen der Wirtschaftswoche bisher keine vollständigen Angaben gemacht haben.