Gegrubbert, gepflügt, vertrocknet - Ackerböden am Limit

Mit dem Klimawandel steht die Landwirtschaft vor neuen Herausforderungen. Eine der dringendsten Fragen ist, wie ein nachhaltiger Umgang mit dem Boden gelingen kann

Wie sich die Vegetation in einem heißen und trockenen Sommer entwickelt, hängt von den Witterungsverhältnissen im voran gegangenem Frühjahr und Winter ab. Zu diesem Schluss kamen 200 Wissenschaftler, die das Wetter der letzten Jahre genauer unter die Lupe nahmen.

Demnach führte der regenreiche Winter 2017/2018 in einigen Regionen Europas zu einer hohen Bodenfeuchtigkeit. Im darauf folgenden sonnigen Frühjahr begannen die Pflanzen stark zu wachsen, wobei sie mehr Kohlenstoff als üblich aus der Atmosphäre aufnahmen. Aus diesem Grund konnte die reduzierte Kohlenstoffaufnahme in der darauf folgenden Dürre im Sommer in einigen Regionen wieder ausgeglichen werden, während woanders die Pflanzenwurzeln zu wenig Wasser aufnahmen.

Die ausgetrockneten Böden waren schlimmer als die hohen Temperaturen und die niedrige Luftfeuchtigkeit, erklärt Ana Bastos, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Im Sommer 2018 war die größte Fläche, die europaweit jemals von extremer Trockenheit betroffen war, zu beobachten. Infolge des geringen Aufwuchses wurde zu wenig Heu geerntet, was vielerorts zu Futtermangel führte. Zudem mussten viele Landwirte finanzielle Verluste einstecken.

Nicht erst seit zwei Jahren trocknen die Böden aus. Glaubt man dem Umweltbundesamt, haben die Bodenwasservorräte während der Sommermonate in den letzten 50 Jahren sowohl auf leichten als auch auf schweren Böden signifikant abgenommen. Vor allem sandige Böden können Regenwasser vom Winter und Frühling nur begrenzt speichern. Aber auch in ton- und lehmhaltigen Böden werden die Wasservorräte tendenziell immer niedriger.

Ein Grund dafür ist eine falsche Bodenbearbeitung in Kombination mit Monokulturen, wie sie zum Beispiel im Fläming praktiziert wird, einer Region südwestlich von Berlin. Hier stehen Mais und Raps, soweit das Auge reicht. Direkt mit der Aussaat werden Bodenherbizide gegen Unkräuter gespritzt.

Nach vier bis fünf Jahren Raps hintereinander ist der Boden rapsmüde. Das zeigt sich in sinkenden Erträgen, aber auch an zunehmenden Krankheiten und Schädlingen, die dann nicht mit mehr so einfach mit Pestiziden unter Kontrolle zu bringen sind. Nach der Ernte wird das Pflanzenmaterial von oben nach unten eingearbeitet, um einen glatten, feinstrukturierten Boden zu erhalten.

Auf den Äckern sieht man dann riesige Maschinen, die Staubwolken hinter sich herziehen. Die oberen acht Zentimeter des Bodens werden so fein bearbeitet, dass er leicht wegfliegen oder weggespült werden kann. Der wertvolle Löß-Boden wird einfach vom Wind verweht, nicht selten in meterhohen Sandstürmen - die auch Unfälle verursachen können - so wie im Frühjahr 2011 auf der A19 bei Rostock: Wegen plötzlich eingeschränkter Sicht rasten damals 80 Fahrzeuge ineinander.

Immer mehr fruchtbare Bodenanteile, fein wie Asche, gehen für immer verloren. Wenn nach der Maisernte der Acker nackt liegen bleibt, wird er von zunehmenden Niederschlägen im Winter - inklusive Nitrat - weggeschwemmt, sofern er nicht von den Maschinen bereits verfestigt wurde.

Trocknen tonhaltige Böden aus, verhärten sie sich, so dass Regenwasser an der Oberfläche abfließt und Erde mitnimmt. In warmen Sommern kann das pflanzenverfügbare Bodenwasser rasch ausgeschöpft sein. Besonders kritisch ist der Wassermangel für einjährige Kulturpflanzen, die im April bis Juni Blüten anlegen und stark wachsen.

Den Böden geht der Humus aus

Seit Jahren verändert sich in konventionell bewirtschafteten Böden der Humusgehalt, erklärt Dr. Eckhard Cordsen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Und zwar in mehr als 90 Prozent aller Ackerflächen. Regelmäßig untersuchte der Mitarbeiter beim Landesamt für Landwirtschaft Schleswig-Holstein verschiedene Böden. Er kam zu dem Schluss, dass der Oberboden von Grünland im Schnitt doppelt so viel Humus enthält wie Ackerboden. In den Austauscherplätzen im Humus binden sich Nährstoffe, in den feinen Poren ist Wasser gespeichert.

Diese Funktion könnte selbst guter Lehmboden nicht erfüllen. Überall dort, wo Grünland umgebrochen und der Boden entwässert wird und unbedeckt bleibt, schwindet der Humus. Das Pflügen sei nur ein Grund dafür, glaubt der Bodenkundler, ein anderer ist das Ausbringen synthetischer Kunstdünger. Im konventionellen Ackerbau werde nur die Pflanze ernährt und mit künstlichem Stickstoff gefüttert, nicht jedoch das Bodenleben.

Denn der Boden dient hier nur als Substanz, die die Wurzel festhält. Wird zuviel Stickstoff gedüngt, ändert sich das Verhältnis Stickstoff zu Kohlenstoff im Boden. Der Boden kann sich leichter zersetzen, dadurch schwindet der Humus und zu viel Kohlendioxid wird freigegeben.

Zwar wird das gut wasserlösliche Nitrat von den Pflanzen besser aufgenommen, doch je mehr Stickstoff bzw. Nitrat zugeführt wird, desto leichter werden die Stoffe wieder ausgewaschen. So steigert Kunstdünger kurzfristig den Ertrag, langfristig braucht es jedoch immer mehr davon, damit die Erträge gleichbleibend hoch sind. Im Endeffekt wird nicht nur die Humusschicht zerstört, sondern auch die Fähigkeit des Bodens, sich selbst zu regenerieren. So gelangt Nitrat ins Grundwasser und über Klärwerke in unser Trinkwasser.

In Böden, die ökologisch bewirtschaftet werden, sind die Kohlenstoffvorräte um 3,5 Tonnen pro Hektar höher als in konventionell bewirtschafteten Böden. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler nach der Auswertung zahlreicher Studien. Auf der Basis von 20 Vergleichsstudien berechneten sie, dass im Ökolandbau bis zu 450 kg mehr atmosphärischer Kohlenstoff pro Hektar und Jahr gespeichert werden kann.

Mehr Humus versorgt Pflanzen mit Nährstoffen

Humus - die abgestorbene organische Substanz im Boden - kann rund 80 Prozent des organischen Kohlenstoffs speichern, den Pflanzen aus der Atmosphäre aufnehmen und über Wurzelausscheidungen und Pflanzenreste in den Boden einlagern. Pflanzen werden mit Nährstoffen versorgt, zudem wird der Luft- und Wärmehaushalt im Boden reguliert.

Humus bindet nicht nur Kohlendioxid und Methan, sondern wirkt auch Fäulnisprozessen entgegen. Je nachdem wie gut die Wechselwirkung zwischen Bodentieren, Pilze und Wurzeln ist, umso länger verbleibt der Humus im Boden.

Im Unterboden kann sich Humus nur in Bodenruhe aufbauen, weiß Bio-Gärtner Johannes Fetscher. Zum Beispiel wenn man Kleegras ein bis zwei Jahre stehen lässt und es mit reifem Kompost düngt. Mit zunehmendem Wurzelvolumen erhöht sich der Kontakt mit dem Mineralboden, während die Wasserverfügbarkeit zunimmt. Außerdem halten tiefwurzelnde Gräser wie Luzerne, Malve, Pimpinelle oder Rohrglanzgras im Herbst den Stickstoff zurück, der sonst ins Grundwasser sickern würde.

Am liebsten fressen Würmer Kleegras, das allerdings, mit Rücksicht auf Insekten, erst nach der Blüte geschnitten werden sollte. So vermehrten sich während einer fünfjährigen Untersuchung tiefgrabende Würmer mit einem Mulch aus Kleegras bzw. Wickroggen von 25 auf 75 Prozent der gesamten Regenwurmpopulation. Und während der Kuhdünger die geballten Kräfte der von der Verdauung ausgeschiedenen Futterreste enthält, wirkt Wurmdünger über Krümelerzeugung und Tiefenwirkung strukturbildend.

Zwischenfrüchte füttern Bodenorganismen

Wie kann man in Zeiten von Dürrestress und Starkregen dem Boden akzeptable Ernteerträge abringen? Wie lässt sich die Fähigkeit zur Aufnahme und Speicherung von Wasser in Böden verbessern? Solche und ähnliche Fragen beschäftigen Bauern immer stärker.

Eine Antwort liegt in der Aussaat von Gründüngung und Zwischenfrüchten. Im Ökolandbau gehört das seit jeher zur "guten landwirtschaftlichen Praxis". Inzwischen wird sie auch von vielen konventionellen Bauern angewendet. Denn Zwischenfrüchte bedecken den Boden bis zur nächsten Aussaat und schützen ihn vor Erosion. Zudem sorgt ein stetiger Fruchtwechsel für ein gesundes, sattes Bodenleben. Im Nebeneffekt halten weitgliedrige Fruchtfolgen diverse Pflanzenschädlinge in Schach.

Seit zwölf Jahren bewirtschaftet Mark Dümichen einen landwirtschaftlichen Betrieb im Fläming mit rund 360 Hektar Land. Auf einem Ackerstreifen, beidseitig eingerahmt von Monokulturen, hat er ein Gemenge aus Phacelia, Ölrettich und Buchweizen eingesät. Humusmehrende Pflanzen sollen sich mit humuszehrenden ergänzen, daneben Pflanzen, die Stickstoff produzieren und solchen, die Stickstoff verbrauchen.

Einen Acker zwei Mal im Jahr zu bestellen - das ist zwar doppelte Arbeit. Doch langfristig zahlt es sich aus. Denn von dem organischen Pflanzenmaterial leben Bakterien und Pilze, Käfer und Regenwürmer. Auf einem andern Feld sät der Landwirt nach der Haferernte eine Untersaat ein, ohne den Boden zu bewegen. Damit ist der Oberboden mit Pflanzenmaterial abgedeckt, so dass die Sonne ihn nicht austrocknen und der Regen ihn nicht auswaschen kann.

Lucas Kohl ist Doktorrand der Uni Giesen und bewirtschaftet mit seinem Vater einen Naturland-Betrieb im nordhessischen Gilserberg. Im Rahmen agrarwissenschaftlicher Unteruchungen säen die Landwirte nach der Getreideernte ein Gemenge aus Weidelgras, Sonnenblumen und Erbsen aus.

Anstatt zu pflügen, wird bei der Aussaat nur flach mit dem Geohobel in den Boden eingeschnitten. Ob in Gärten oder auf Äckern - Zwischenfrüchte helfen, das Bodenleben mit ihren Wurzeln zu aktivieren: Phacelia, Perserklee, Gelbe Lupine und Gelbsenf lockern den Boden auf und können bereits nach wenigen Wochen eingearbeitet werden.

Boden belebende Wurmvielfalt

Eine gute Bodengare - die Lebendverbauung der Krümelstruktur durch im Boden lebende Würmer und Mikroorganismen - ist entscheidend für die Bodenfruchtbarkeit. In einem Quadratmeter Boden leben Hunderttausende Fadenwürmer, Regenwürmer, Milben, Asseln, Springschwänze und Insektenlarven. Das sind circa 15 Tonnen Lebendgewicht pro Hektar durchwurzelbarer Bodenraum. Während die Kompostwürmer (Eisenia foetida) an der Oberfläche die Streu umsetzen, wirken unter der Streuschicht die Mineralbodenbewohner.

So gräbt sich der Regenwurm (Aporrectodea longa) tief in den Boden hinein. Einge der Bodenwürmer, die bis zu zehn Jahre alt werden können, graben sich metertief hinein - so wie der Tauwurm (Lumbricus terrestris), der bis zu drei Meter tiefe Gänge gräbt. In die kleinen Poren dringen die Pflanzenwurzeln hinein und weiten sie aus. Die Würmer ziehen den Pflanzenabfall, die abgestorbene Substanz und Wurzelausscheidungen, in den Boden hinein und formen sie zusammen mit dem eigenen Schleim und Ton zu einem Ton-Humus-Komplex.

Mit dieser Tapete aus mineralstoffreichem Nährhumus, kleiden sie ihre Wohnröhre aus. Ist alles austapeziert, legen sie ihre Losung als stabile Krümel in diversen Größen oben auf dem Boden ab. Auf diese Weise erhöhen tiefbohrende Würmer die Bodenfeuchtigkeit um bis zu fünf Prozent. Mit dem Lebendverbau zu Krümeln produzieren die Bodenorganismen Klebstoffe (u.a. Mucopolysaccharide) und Haltenetze aus Pilzfäden und Wurzeln.

Durch schonende Lockerung, organische Düngung und vielfältige Fruchtfolgen mit Begleitvegetation erhält der Boden eine krümelige Schwammstruktur. Je besser das Schwammgefüge ist, desto mehr Wasser kann in den Poren gespeichert werden, das wiederum den Pflanzen in Dürreperioden zur Verfügung steht.1

Mikroklimazonen erhöhen die Wasserspeicherfähigkeit

Der Boden ist für unser Überleben mindestens genauso wichtig wie Artenvielfalt und Klima. Würmer und andere Organismen erhalten die Bodenfruchtbarkeit, reinigen Luft und Wasser. Nicht zuletzt sorgen sie für stabile landwirtschaftliche Erträge. Müssten diese Funktionen synthetisch erfüllt werden, würde das jedes Jahr Billionen Euro kosten, heißt es in einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission von 2010.

Die Wasseraufnahmefähigkeit eines Bodens lässt sich übrigens gut mit Hilfe eines Kanalgrundrohrs testen, dessen Kante in den Boden gedrückt wird. Das Rohr wird von oben mit Wasser befüllt. Anschließend wird die Dauer des Einsickerns gemessen. Ein biologisch hochaktiver Boden kann 400 Liter pro Stunde und Quadratmeter aufnehmen.

Auch Hecken, Bäume und Feldholzinseln beleben die Landschaft und sind Lebensraum für Vögel und Kleintiere. Und sie erhöhen das Wasserspeichervermögen: Je besser eine Landschaft strukturiert ist, umso größer ist die Fähigkeit der Böden, Wasser aufzunehmen.