China und Iran: Die "Grundlage einer neuen Weltordnung"

Reaktionen auf das strategische Abkommen vom Wochenende. Die US-Politik der Isolation Irans funktioniert nicht wie von Washington gewünscht

Aus der zweiten diplomatischen Reihe Irans kommen die epischen Töne: Die chinesisch-iranische Partnerschaft könnte das Fundament für eine neue Weltordnung setzen. Dies zeichne sich aus durch einen hohen Respekt orientalischer Werte an Stelle der gescheiterten, die in den letzten Jahren immer extremer und aggressiver wurden. So kommentierte der iranische Botschafter in Brasilien den "strategischen Pakt", den China und Iran am vergangenen Wochenende unterzeichneten.

Was genau in dem Dokument steht, zu dessen Unterzeichnung am Wochenende der chinesische Außenminister Wang Yi zu Mohammad Javad Zarif nach Teheran reiste, ist Gegenstand von Spekulationen, einig sind sich die Reaktionen darauf in der politischen Bedeutung. Die kann man kurz so auf den Punkt bringen: Die US-Politik der Isolation Irans funktioniert nicht wie von Washington gewünscht, dem Anspruch der US-Regierung, sich neu als weltweite Führungsnation zu etablieren, erwachsen neue Formationen und Beziehungen als Gegenüber.

Dazu kommt die Perspektive, die ein Beobachter aus den Nahost-Think-Tank-Kreisen derart aufblättert: Auch westliche Nationen hatten die Chance gehabt, mit Iran auf Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zum Vorteil beider Seiten zu setzen, stattdessen gab man dem Wirtschaftskrieg und der Politik des Regime Change den Vorzug -aufgrund einer Ideologie, die kompromisslos darauf baut, globale Hegemonie zu festigen.

Was wurde unterschrieben? Geht es nach Informationen der New York Times handelt es sich um ein bedeutendes Investment Chinas in mehrere Sektoren Irans. In den nächsten 25 Jahren sollen aus Bejing umgerechnet etwa 400 Milliarden Dollar in Iran investiert werden, als Gegenleistung sichert sich China die Lieferung iranischen Öls und strategischen Einfluss.

"Sensationelles zur militärischen Zusammenarbeit"

Von der Abmachung wurde an dieser Stelle bereits im Juli letzten Jahres berichtet: USA: Die Grenzen des maximalen Drucks auf Iran. Damals sorgte ein Enthüllungsbericht der Webseite oilprice.com für Aufregung, da er "Sensationelles zur militärischen Zusammenarbeit" der beiden Staaten durchdringen ließ. Um dem etwas konkrete Fülle zu geben, seien nochmal kurz Einzelheiten genannt - allerdings mit der einschränkenden Bemerken, dass eine Validierung dieser Vorhaben noch aussteht. Aber es zeigt einen Möglichkeitsraum an:

So sollten laut iranischer Quellen von China modifizierte Tupolew Tu-22M-Überschallbomber sowie Sukhoi Su-34 und Sukhoi-57 "unbegrenzten Zugang" zu iranischen Militärflugbasen in Hamedan, Bandar Abbas, Chabhar und Abadan erhalten.

Darüber hinaus sollen chinesische und russische Kriegsschiffe Zugang zu in künftigen "Dual-use"-Anlagen erhalten, die von China in iranischen Häfen wie Chabahar, Bandar-e-Bushehr und Bandar Abbas gebaut werden. Begleitend sollen Kapazitäten der elektronischen Kriegsführung mithilfe Chinas und Russlands ausgebaut werden.

Aus oilprice.com, zitiert in Telepolis, 13. Juli 2020

Von solchen detaillierten strategischen Abmachungen ist in den iranischen Berichten über die strategische Abmachung vom Wochenende nicht die Rede. Sehr wohl wird allerdings angemerkt, dass die Vereinbarung eine jahrelange Vorlaufzeit hat und es wird von 20 Punkten berichtet. Diese tauchen schon vor knapper Jahresfrist hochoffiziell auf der Webseite des iranischen Präsidenten in einem Papier auf, was die Annahme wahrscheinloch mach, dass es sich um die Grundlage für die aktuell geschlossene Vereinbarung abgibt.

Wie es dem Typus solcher Grundlagentexte entspricht, ist er bei weitem nicht so spannend wie die oben genannten Leaks zur militärischen Zusammenarbeit. Eine Kostprobe:

Punkt 7. Die iranische Seite begrüßt die von China eingeführte Initiative "Wirtschaftsgürtel der Seidenstraße und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts". Auf der Grundlage ihrer jeweiligen Stärken und Vorteile sowie der Möglichkeiten, die sich durch die Unterzeichnung von Dokumenten wie dem "MOU on Jointly Promoting the Silk Road Economic Belt and the 21st Century Maritime Silk Road" und dem "MOU on Reinforcement of Industrial and Mineral Capacities and Investment" ergeben, werden beide Seiten die Zusammenarbeit und die gegenseitigen Investitionen in verschiedenen Bereichen wie Transport, Eisenbahn, Häfen, Energie, Industrie, Handel und Dienstleistungen ausbauen.

Vollständiger Text der Gemeinsamen Erklärung zur umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen der I.R. Iran und der V.R. China, 2016

Der Text stammt von 2016. Inwieweit er in Einzelheiten oder auch in der Konzeption einzelner Punkte modifiziert wurde, ist augenblicklich schwer zu eruieren. Auch die staatlichen iranischen Medien liefern dazu keine Updates. Sie konzentrieren sich auf die Reaktionen und Bewertungen der politischen Spitze, sowohl Außenminister Zarif wie auch Rouhani betonen prinzipiell und allgemein den Wert einer solchen, nun unterzeichneten strategischen Zusammenarbeit mit China. Profil bekommen diese Aussagen im Zusammenhang mit dem Verhältnis zu den USA, bzw. zu deren Politik gegenüber Iran.

Das Atomabkommen

China wird als Rückendeckung in den Verhandlungen zum Atomabkommen der USA verstanden. Zwar ist die chinesische Position nicht so eindeutig, dass sie die Forderung Irans nach einem Stopp der Sanktionen explizit unterstützt, aber China wünscht eine konstruktive Weiterführung des Abkommens und bestärkt damit die Haltung Irans, dass der Vertrag durch die einseitige Aufkündigung seitens der USA nicht erledigt ist. Iran macht zur Vorbedingung für nächste Schritte "action against action". Mit Aktionen gemeint ist: Stopp der Sanktionen seitens der USA und Rückkehr zur Erfüllung der JCPOA-Bedingungen.

US-Außenpolitik: Harte Töne

Die neue US-Regierung lässt sich Zeit. Indessen verärgert aber mancher Auftritt ihrer Führung diejenigen, die eine andere Linie erwartet hatten als die, die phrasenhaft ein politisches Klima der Konfrontation und Härte weiterführt. Biden und sein Außenminister Blinken sind zuletzt durch harte Ansagen Richtung Russland und China aufgefallen, die einen Ton anschlagen, der deutlich nicht auf Kooperation setzt.

China bedrohe "die regelbasierte Ordnung, durch die die weltweite Stabilität aufrechterhalten wird", wird Blinken zitiert. Biden nannte Russlands Präsidenten Putin "einen Mörder".

Blinken verlangt Stopp von Nord Stream 2

Blinken nährte mit seinen Äußerungen zum Stopp der Pipeline Nord Stream 2, die zum Kontext der geopolitischen Konfrontation mit Russland gehört, Einschätzungen der zurückhaltenden politischen Fraktion in den USA (sogenannte "Restrainer" im Gegensatz zu den Falken, die auf Interventionen drängen), wonach die neue Administration sich zu sehr an alten arroganten Attitüden orientiere statt an Interessen, die andere Staaten eben haben.

Washington muss seine Bemühungen, Nord Stream 2 zu torpedieren, aufgeben. Ob diese Pipeline aus Sicht der europäischen Interessen eine gute oder schlechte Idee ist, müssen die Europäer selbst entscheiden. Uncle Sam muss aufhören, als überheblicher Big Brother aufzutreten, der Deutschland und andere Verbündete als unfähig behandelt, ihre eigenen Entscheidungen in solchen Angelegenheiten zu treffen. Wenn es das ist, was Präsident Biden im Sinn hatte, als er erklärte, dass "Amerika zurück ist" und versprach, die "Führungsrolle" der USA im transatlantischen Bündnis wiederherzustellen, dann könnten wichtige europäische Verbündete, insbesondere Deutschland, die neue Regierung genauso ablehnen wie ihre Vorgängerin. Und sie hätten guten Grund dazu.

Ted Galen Carpenter, Responsible Statekraft

Gazprom kündete Ende vergangener Woche, dass das Projekt dieses Jahr abgeschlossen werde. Außenminister Lawrow baut gerade an den russischen Verbindungen zu den Golfstaaten.

Die US-Außenpolitik wird sich schwertun mit einem Programm des "Weiter so", das auf alte Spielregeln baut. Dabei braucht man Kooperation mit China und Russland, um klimapolitisch weiterzukommen. Da soll es ja dann auch gute Signale geben.