Maria mag nicht mehr römisch, sondern nur noch katholisch sein

"Holen wir sie vom Sockel! In unsere Mitte!" - Gemälde in der Santa Maria Gloriosa dei Frari / Venedig: Giovanni Bellini (1437 - 1516) Foto: Didier Descouens / CC-BY-SA-4.0

Zwei Gründerinnen der Reformbewegung "Maria 2.0" gaben ihren Austritt aus der römisch-katholischen Kirche bekannt. Der Grund: Eine wirkliche Veränderung sei nicht in Sicht

Es begann Anfang 2019 mit einem Lesekreis der Kirchengemeinde "Heilig Kreuz" in Münster. Aus dem Studium des "Evangelii gaudium", des ersten Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus, wurde ein Gesprächskreis - vor allem von Frauen - über die aktuelle Situation in der katholischen Kirche. Immer mehr sei dabei zu Tage getreten, "dass seit Jahren die immer gleichen Fragen diskutiert werden und dass trotz der allseits beteuerten Reformbereitschaft die Abschaffung bestehender männerbündischer Machtstrukturen nicht in Sicht ist."

Zwei der Gründerinnen von "Maria 2.0", Lisa Kötter und Andrea Voß-Frick, kehren dem Männerbund, dem "Römischen" am Katholizismus, nun den Rücken. Ihr Entschluss steht, sie warten nur noch auf einen Termin, denn in Deutschland muss der Kirchenaustritt bei einer staatlichen Behörde erklärt werden.

Besagtes "Evangelii gaudium" trägt den Untertitel: "Über die Verkündung des Evangeliums von heute". Darin ließ sich Papst Franziskus im Hinblick auf die "missionarische Umgestaltung der Kirche" über die "evangelisierende Kraft der Volksfrömmigkeit" aus, machte sich Gedanken zum kapitalistischen Wirtschaftssystem, soziale Ungleichheit oder Egoismus und riet zum "Ohr beim Volk". Doch so richtig scheint Papst Franziskus nicht hingehört zu haben, denn die Diskussionsrunde in Münster fand sich in der Verkündung nicht so recht wieder.

An den Gesprächsabenden zeichneten sich insbesondere vier Themenbereiche ab, die den Anwesenden wichtig erschienen: Die Zulassung von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern, die Abschaffung des Pflichtzölibats, die Akzeptanz von Homosexualität sowie eine umfassende Aufklärung aller Fälle sexualisierter Gewalt durch Amts- und Würdenträger der katholischen Kirche. Genau diese Themen trieben vor vielen Jahren schon die kürzlich verstorbene Theologin Uta Ranke-Heinemann um.

Die Frauen wollen sich Gehör verschaffen

Aus dem Diskussionskreis entstand die Initiative "Maria 2.0". Die modernen Marias wollten mit dem Idealbild der dienenden Frau brechen, für das ihre Namensgeberin steht. Ein Frauenbild, das sie zum Schweigen verurteilt.

"Frauenlob wird gerne von Kirchenmännern gesungen, die aber allein bestimmen, wo Frauen ihre Talente in der Kirche einbringen dürfen. In ihrer Mitte dulden sie nur eine Frau: Maria. Auf ihrem Sockel. Da steht sie. Und darf nur schweigen. Holen wir sie vom Sockel! In unsere Mitte. Als Schwester, die in die gleiche Richtung schaut wie wir."

Und diese Richtung ist Süden, der Sturm auf den Vatikan - zumindest ideell. Die Marias entschieden daher, den geschützten Rahmen ihres Diskussionszirkels zu verlassen und in die Öffentlichkeit zu treten. Die oben zitierten Sätze stammen aus einem offenen Brief an Papst Franziskus, den sie im Februar 2019 anlässlich des Sondergipfels in Rom zum Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche schrieben.

Darin forderten sie:

  • Kein Amt mehr für diejenigen, die andere geschändet haben an Leib und Seele oder diese Taten geduldet oder vertuscht haben
  • Die selbstverständliche Überstellung der Täter an weltliche Gerichte und uneingeschränkte Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden
  • Den Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche
  • Die Aufhebung des Pflichtzölibats
  • Kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen auszurichten

Im Rahmen des ersten Kirchenstreiks vom 11. bis zum 18. Mai 2019 riefen sie dazu auf, diesen offenen Brief an die Kirchentüren zu heften:

"Wir bleiben draußen! Wir feiern die Gottesdienste auf den Kirchplätzen, vor den Kirchentüren. Wir tanzen, singen, beten, finden neue Worte und neue Ausdrucksformen! Wir sorgen für Leib und Seele und heißen auch die Männer willkommen! Wir bringen weiße Betttücher mit. Wir bedecken die Plätze mit dem Weiß der Unschuld, mit dem Weiß der Trauer und des Mitgefühls. Die weißen Tücher können beschrieben, bemalt, besudelt werden. Sie können verknotet werden zu langen Ketten und riesigen Buchstaben... Es gibt bestimmt noch viel mehr Ideen! Umgeben wir unsere Kirchen mit der Farbe des Neuanfangs!"

Das klingt nach fröhlicher Aufbruchstimmung. "Maria 2.0" wurde zum Sinnbild für den Kampf gegen die Macht der Talare, verkrustete, patriarchal geprägte Strukturen, eine Kirche, der neues Leben eingehaucht wird und die dieses auch ausatmet.

Freiburgs Erzbischof Stephan Burger bekundete dem Domradio zufolge anlässlich des Kirchenstreiks Verständnis dafür, dass Frauen frustriert seien, von der Weihe zu Diakoninnen oder Priesterinnen ausgeschlossen zu sein. Er sehe aber keinen Spielraum, die kirchenrechtlichen Vorschriften zu ändern.

Auch warnte der Kurienerzbischof und Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., Georg Gänswein, davor, eine neue Kirche erfinden zu wollen und an ihrer DNA herumzuschrauben. Das Forum Deutscher Katholiken rief die Frauen auf, ihren Verband zu verlassen und eine "eine neue glaubenstreue Organisation" zu gründen.

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