Mosambik: EU-Einsatz und Flüssiggas

Anzeichen der Vorbereitung eines größeren EU-Ertüchtigungseinsatzes; die Region ist reich an Rohstoffen, Dschihadisten profitieren vom Frust der Bevölkerung; Warnungen vor militärischen Lösungen

Im Jahr 2010 stieg ein Konsortium unter heutiger Führung des französischen Total-Konzerns mit dem "Mosambik-Flüssiggasprojekt" groß in das dortige Land ein. Es geht dabei um die anvisierte Ausbeutung von 65 Billionen Kubikfuß Flüssiggas, wofür 2019 entschieden wurde, bis 2024 insgesamt 20 Milliarden US-Dollar investieren zu wollen. Im Juli vergangenen Jahres wurde bekanntgegeben, eine Vereinbarung für Investitionen im Umfang von 15 Milliarden US-Dollar sei unterzeichnet worden.

Kein Pappenstiel also, was man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man nun Nachrichten wie Ende März im Deutschlandfunk liest, wonach die ehemalige Kolonialmacht Portugal plane, 60 Soldatinnen und Soldaten zu entsenden, um "die Streitkräfte in Mosambik mit Trainingsmaßnahmen dabei [zu] unterstützen, Dschihadisten im nördlich gelegenen Palma zu bekämpfen".

Die Realität ist allerdings wohl deutlich komplizierter als das einmal mehr bemühte Bild von einer "guten" Regierung, der im Kampf gegen "böse" Islamisten unter die Arme gegriffen werden müsse. Deshalb ist es umso problematischer, dass die portugiesischen Soldaten wohl nur die Vorhut für die Vorbereitung eines größeren EU-Ertüchtigungseinsatzes in dem Land darstellen, der laut dem gewöhnlich gut unterrichteten Portal Bruxelles2 wohl bereits beschlossene Sache sein soll.

Nach dem Vorbild des EU-Einsatzes in Mali sollen die Regierungstruppen mit Ausrüstung versorgt und von EU-Soldaten ausgebildet werden. Das hat aber in Mali schon nicht funktioniert, weshalb die Europäische Union Einsteins Definition von Wahnsinn erfüllt, immer wieder dasselbe zu tun, aber zumindest vorgeblich andere Ergebnisse zu erwarten.

Gasprojekt in Gefahr

Als Anfang August 2019 der Präsident Mosambiks und der Chef der größten Oppositionspartei einen neuen Friedensvertrag unterzeichneten, war die Hoffnung groß. Allerdings kam das Land auch danach nicht zur Ruhe, was auch daran liegt, weil sich zusätzlich Angriffe von Gruppierungen mehren, denen ein dschihadistischer Hintergrund nachgesagt wird. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage war auch das Mosambik-Flüssiggasprojekt betroffen, wie die taz berichtete:

Total hatte Anfang Januar [2021] aufgrund der Unsicherheit den Abbruch der Arbeiten erklärt. Doch nach Verhandlungen mit Mosambiks Regierung verkündete der Konzern am 24. März die Wiederaufnahme.

Nach neuerlichen Angriffen musste Total aber auch diesen Termin bis auf weiteres suspendieren. Womöglich sind die in diesem Zusammenhang tangierten Gasinteressen nicht der alleinig ausschlaggebende Grund für die nun bekanntgewordenen Pläne für einen EU-Einsatz zur Stärkung der Regierungstruppen. Aber anzunehmen, sie würden keine größere Rolle dabei spielen, wäre ebenfalls naiv. Schließlich wurde dem Leiter der EU-Delegation in Mosambik, Botschafter Antonio Sánchez-Benedito Gaspar, schon im Februar 2021 die Frage gestellt:

Geht der Terror so weit, dass die Unternehmen ihn als Bedrohung sehen für die Gas-Förderung, die 2024 starten soll?

Seine Antwort:

Absolut. Natürlich. Die Firmen müssen in einem stabilen Umfeld operieren, auch wenn sie bisher nicht direkt angegriffen wurden. Und es gibt Onshore- und Offshore-Operationen, das ist ein großer Unterschied, aber schon die Störung des Transports und der Mobilität in der ganzen Region, und die Situation des Hafens von Mocimboa da Praia - das bedeutet Extrakosten. Die Unternehmen sind sehr beunruhigt, soviel steht fest.

EU-Ertüchtigungseinsatz?

Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei den nun entsendeten portugiesischen Soldaten nach Informationen des Fachportals Bruxelles2 nur um die Vorhut zur Vorbereitung eines größeren EU-Einsatzes (übersetzt mit deepl.com):

Die europäische Unterstützung für Mosambik wächst. Die Europäer haben im Prinzip verschiedene Aktionen validiert, die eine Ausbildung an Land oder auf Schiffen sowie die mögliche Lieferung von Ausrüstung beinhalten. Diese Optionen müssen noch spezifiziert werden.

Geleitet werden solle der Ertüchtigungseinsatz von der "Militärischen Planungs- und Führungsfähigkeit" (MPCC), einem seit 2017 existierenden EU-Hauptquartier zur Führung kleiner bis mittlerer Militäreinsätze. Das MPCC befehligt bereits die Ertüchtigungseinsätze EUTM Somalia, EUTM Mali und EUTM Zentralafrikanische Republik.

Mit EUTM Mosambik würde also ein vierter solcher Einsatz hinzukommen. Als Umfang der Operation würden 120 bis 150 Soldaten anvisiert, als treibende Kräfte werden die ehemalige Kolonialmacht Portugal und natürlich Frankreich bezeichnet, Schweden und Spanien würden eine Beteiligung ebenfalls erwägen (Deutschland Bruxelles2 zufolge nicht).

Finanziert werden soll der Einsatz durch die erst am 22. März 2021 beschlossene Europäische Friedensfazilität. Über sie stehen im Zeitraum 2021 bis 2027 insgesamt 5,7 Milliarden Euro zur Finanzierung von EU-Militäreinsätzen und von Rüstungsgütern für "befreundete" Armeen zur Verfügung (siehe IMI-Analyse). Während EUTM Mosambik auf dem Festland operieren soll, ist ebenfalls geplant, das Operationsgebiet des EU-Einsatzes Atalanta, bei dem es um die Kontrolle der Handelswege rund um das Horn von Afrika geht, auszuweiten, schreibt Bruxelles2:

Für Atalanta ist die Rede davon, das Einsatzgebiet nach Süden auszuweiten, um ganz Mosambik abzudecken und zu verhindern, dass ein Schiff von "Piraten" oder "terroristischen Gruppen" als Geisel genommen wird.

Dass der Atalanta-Einsatz hier mit einbezogen werden soll, ist in gewisser Weise symptomatisch: Ursprünglich zur Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika begonnen, wurden bei dem Einsatz die sozio-ökonomischen Ursachen der Konflikte - nicht zuletzt verarmte Fischer - zugunsten einer gewaltsamen Durchsetzung westlicher Interessen ignoriert (siehe IMI-Studie 2010/3).

Gute Regierung vs. böse Dschihadisten?

Die Erdgasvorkommen, die Total vergolden möchte, liegen in der größtenteils muslimisch geprägten mosambikanischen Provinz Cabo Delgado. Dort agiert auch der Großteil der Gruppen mit einem mutmaßlich islamistischen Hintergrund. Diese Akteure allerdings in den Zusammenhang eines global agierenden Dschihadismus zu stellen, wäre vorschnell und zumindest fragwürdig, wie im Deutschlandfunk erläutert wurde:

Seit mindestens zehn Jahren gibt es Anzeichen für eine islamistische Mobilisierung. Seit Oktober 2017 terrorisieren radikale Muslime die Menschen in Cabo Delgado mit Angriffen. Die Bevölkerung nennt sie "Al Shabaab", wie die islamistische Miliz in Somalia. Doch ist es mehreren Studien zufolge eine lokale Gruppierung aus perspektivlosen, radikalisierten jungen Männern unter Führung von einflussreichen Einheimischen. Dass sie auch ausländische Unterstützer haben, ist nicht ausgeschlossen. Unklar ist, ob Mosambiks Islamisten zur Terrormiliz IS Verbindungen haben, und wenn ja, welche. Propaganda-Videos zufolge geht es ihnen im Norden Mosambiks um ein Kalifat, um die Einführung strenger Scharia-Regeln und um die Entmachtung der Regierungspartei Frelimo.

Auf einen wichtigen Grund, weshalb gewaltbereite Gruppen in Mosambik Zulauf haben, wies die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bereits in einem Artikel von 2019 hin:

Beinahe alle Beiträge zu den Gewaltakten in Cabo Delgado verweisen zudem auf einen Zusammenhang mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Die Region ist reich an Rohstoffen; in den vergangenen Jahren wurden neue Vorkommen an Öl und Gas entdeckt. Durch die Vergabe von Konzessionen an Unternehmen wurden Teile der lokalen Bevölkerung von ihrem Land vertrieben. Dabei fließen die Profite aus der Förderung von Rohstoffen nur zu einem geringen Teil in den strukturschwachen Norden zurück.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch der mosambikanische Soziologe João Feijó:

Die lokale Bevölkerung hat von der Angelegenheit nichts gehabt. Die Ungleichheit zwischen Einheimischen und Fremden ist gewachsen. Das frustriert die einheimische Jugend, der versprochen worden war, alles wird gut, es wird Beschäftigung geben und so weiter. Viele sind sehr enttäuscht, und das haben sich die gewalttätigen Gruppen geschickt zu Nutze gemacht.

Generell erweise sich die große Armut im Land als Rekrutierungsinstrument für bewaffnete Gruppen, schrieb auch die Bundeszentrale für politische Bildung Ende letzten Jahres:

Im HDI, dem UN-Ranking der menschlichen Entwicklung, nimmt Mosambik weiterhin einen der letzten Plätze ein: 2019 Rang 180 von 189. […] Während vom Rohstoffboom nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung profitieren, wächst der Anteil der ländlichen Haushalte unterhalb der Armutsgrenze. Geschätzte 19 Mio. Mosambikaner leben nach Weltbank-Angaben von 2017 in extremer Armut, d.h. über 62 Prozent der Bevölkerung von rd. 30 Millionen müssen mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen. Ausgerechnet das Zentrum und der Norden Mosambiks, wo die meisten Rohstoffvorkommen lagern, fühlen sich sozial und wirtschaftlich abgehängt. […] Die Verarmung marginalisierter Jugendlicher, die sich von der verhassten Elite im Süden im Stich gelassen fühlen, macht diese anfällig für die Versprechen religiöser Führer und Warlords.

Darüber hinaus ist auch das gerne bemühte Bild von der "guten" Regierung, die gegen die "bösen" Dschihadisten kämpft, nur sehr bedingt tragfähig. So schreibt die SWP von "hartem, teilweise willkürlichem Vorgehen" der Sicherheitskräfte. Und auch die taz berichtet

Während die Rebellen unzählige Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen haben, geht die Armee ebenfalls brutal gegen tatsächliche oder vermeintliche Rebellen vor. Mehrfach gab es Berichte über öffentliche Hinrichtungen gefangener Islamisten.

Einseitige militärische "Lösungen"

Wohl nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Berichten über Menschenrechtsverletzungen der mosambikanischen Armee und Polizei berichtet Bruxelles2, beim geplanten EU-Einsatz spiele dieser Aspekt eine wichtige Rolle:

Nach den ersten von B2 gesammelten Elementen würde die zukünftige EUTM-Mission darauf abzielen, mosambikanische Truppen auszubilden, mit einer großen "Menschenrechts"- und "humanitären Völkerrechts"-Komponente. Ziel ist es, eine "moderne Armee" aufzustellen, die den klassischen Standards der Intervention entspricht. […] Mit anderen Worten: Es geht nicht darum, eine Truppe zu haben, die nur weiß, wie man Gewalt anwendet, und die eher den Protest nährt als ihn zu reduzieren.

Woher man allerdings in Brüssel den Optimismus hernimmt, es dieses Mal anders und besser als bei den bisherigen EU-Trainingsmissionen machen zu können, erschließt sich nicht. Gerade die EU-Ertüchtigungsaktivitäten in der Sahelzone sind alles andere als eine Erfolgsgeschichte.

So heißt es im jüngsten MINUSMA-Bericht vom 2. Februar 2021, die malischen Sicherheitskräfte hätten im Zeitraum Juli bis September 2020 in mindestens 483 Fällen Menschenrechtsverletzungen begangen, darunter seien auch zahlreiche Fälle von extralegalen Hinrichtungen und Folter. Aus diesem Grund warnt auch Melanie Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik davor, in Mosambik einmal mehr vorschnell auf die militärische Karte zu setzen:

Wir sollten uns erstmal angucken, was die Mosambikaner da genau vorhaben und das ganzheitlich bewerten. Und was nicht passieren sollte, - und das ist glaube ich, eine große Lektion, die man aus dem Sahel lernen kann - ist, dass man einseitig auf militärische Lösungen setzen kann.