Griechenland: Die Ermordung eines Journalisten und viele mögliche Motive

Die Mitarbeiter des Ermordeten veröffentlichten am Freitag eine Traueranzeige in seinem Blog. (Foto: Screenshot)

Giorgos Karaivaz schrieb über Polizeiarbeit, Kriminalität und Korruption. Am Freitag wurde er auf offener Straße erschossen

Der griechische Journalist und Blogger Giorgos Karaivaz wurde am Freitag kurz nach 14 Uhr in Alimos, einem Vorort von Athen auf offener Straße erschossen. Seit Jahrzehnten war er einer der führenden Kriminalreporter des Landes. Abseits seiner, seit den neunziger Jahren intensiven Tätigkeit für das griechische Fernsehen betrieb er mit dem bloko.gr als Herausgeber und Chefradakteur ein Internetmagazin, das sich auf den Themenkomplex Polizei und Kriminalität in Griechenland spezialisiert hat. Seine Mitarbeiter schrieben dort am Freitag:

"Trauer - Giorgos Karaivaz, der Gründer und Inhaber von bloko.gr, ist nicht mehr unter uns. Einige haben beschlossen, ihn mit Kugeln zum Schweigen zu bringen, damit er aufhört, seine Texte zu schreiben.

Er wurde vor seinem Haus hingerichtet. Für uns, die wir in den letzten Jahren mit ihm zusammengearbeitet haben, hat er uns in schwierigen Zeiten geführt, wir haben zusammen Wein getrunken, er hat uns mit seiner Freundschaft geehrt, jetzt erleben wir sehr schwere Stunden.

Die Freunde

Spyros Levidiotis

Manolis Asariotis"

Zahlreiche mögliche Motive

Für alle Beobachter in Griechenland steht außer Frage, dass Karaivaz im Zusammenhang mit seiner Arbeit ermordet wurde. Sein Tod wirft Fragen auf: Wem ist er mit seinen Reportagen zu nahe getreten? Der Journalist hatte vor allem in den vergangenen Wochen zahlreiche Reportagen über Missstände innerhalb der Polizei, Korruption und Amtsmissbrauch sowie einen begründeten Verdacht der politischen Einflussnahme auf Ermittlungsbehörden veröffentlicht.

Der Journalist war im November 1968 im nordgriechischen Drama geboren worden. Nach dem Abschluss der Sekundarstufe zog er nach Athen und begann im Journalismus zu arbeiten. Seine erste feste Anstellung fand er bei 1989 der Zeitung Eleftheri Ora als Polizeireporter. Nach Tätigkeiten für die Sender ANT 1 und Skai war er zuletzt beim Sender Star TV tätig. Er galt als bestens vernetzter Reporter, der sich nicht scheute, auch unangenehme Fragen zu stellen.

Karaivaz berichtete auf bloko.gr darüber, dass die Polizei auf "Befehl von oben" auf eine Hausdurchsuchung bei dem momentan in U-Haft sitzenden mutmaßlichen Serienvergewaltiger und Pädokriminellen Dimitris Lignadis - dem ehemaligen Generaldirektor des Staatstheaters - verzichtet hat. Der Journalist hatte aufgedeckt, dass ein "bekannter Fernsehmoderator", der sich massiven Polizeischutzes erfreute, auch die ihn bewachenden Polizisten erpresst haben soll und in Internetbetrügereien mit dem Verkauf von nicht existenten Mobiltelefonen verwickelt war.

Die Liste seiner Feinde ist zu lang für einen Hauptverdächtigen

Karaivaz hatte Schutzgelderpressungen durch Polizisten aufgedeckt und über die enge Verwicklung eines Staatsbeamten berichtet, der es einem Geschäftsmann ermöglichte, mit Würmern kontaminierte, verdorbene Lebensmittel an Flüchtlingslager zu liefern. Die Liste der Feinde von Karaivaz ist zu lang, als dass sich zum jetzigen Zeitpunkt ein konkreter Verdacht aufdrängen würde. Diese Verwirrung führt dazu, dass in sozialen Netzwerken und bei sonstigen Gesprächsgelegenheiten, die sich außerhalb der wegen der Pandemie geschlossenen Kaffeehäuser ergeben, die Griechen darüber sinnieren, dass hinter allem die Regierung stecken könnte. Sie vergleichen die Lage im Land mit südamerikanischen Verhältnissen.

Der Tathergang

Relativ klar ist dagegen der Tathergang. Der Journalist war nach dem Ende einer Live-Sendung, an der er teilgenommen hatte, nach Hause gefahren und vor seinem Haus erschossen worden, nachdem er sein Auto verlassen hatte. Augenzeugen berichteten von zwei Tätern, die auf einem Motorroller unterwegs waren. Laut Polizei wurde Karaivaz von sieben Kugeln getroffen - insgesamt seien aber 13 Patronenhülsen gefunden worden, hieß es.

Mehrere Medien verweisen inzwischen auf Ähnlichkeiten zum Fall des Journalisten Sokrates Giolias, der im im Juli 2010 mit 16 Schüssen ebenfalls vor seinem Haus getötet worden war. Dazu bekannte sich eine scheinbar linksextreme Gruppe, die allerdings seither nicht mehr in Erscheinung trat. Da die Täter bis heute nicht ermittelt wurden, konnte auch die Authentizität dieses Bekenntnisses nicht geklärt werden.