SPD winkt EU-Kampfdrohne durch

Foto: DeffiSK / CC BY-SA 4.0

Ab 2030 will die Luftwaffe über eine "europäische Drohne" verfügen, die aufklären, abhören oder angreifen kann. Das Waffensystem könnte weltweit exportiert werden

Der Deutsche Bundestag hat heute die Entwicklung und Beschaffung der Eurodrohne auf den Weg gebracht. Zur Abstimmung stand eine sogenannte 25 Millionen-Vorlage der Regierungskoalition von CDU/ CSU und SPD im Haushaltsausschuss, auch der Verteidigungsausschuss hat dazu heute Vormittag seine Zustimmung gegeben. Erwartungsgemäß stimmten die Koalition und die AfD für den Antrag, die FDP enthielt sich, während Die Linke und Grüne dagegen waren. Damit ist der Weg frei für die Serienproduktion eines neuen unbemannten Systems, das ab 2029 an die derzeit beteiligten Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ausgeliefert werden soll.

Die nun beschlossene Vorlage zur "Industrieunterstützung für den Anfangsflugbetrieb" erlaubt dem Verteidigungsministerium die Unterzeichnung eines Vertrags mit der deutschen Rüstungssparte von Airbus. Der europäische Konzern übernimmt als Hauptauftragnehmer die Endmontage und arbeitet dafür mit den Firmen Dassault Aviation (Frankreich) und Leonardo (Italien) zusammen. Das Gesamtprojekt kostet mindestens 7,6 Milliarden Euro, auf Deutschland entfällt die Hälfte dieser Summe.

Einsatzbereitschaft für 2030 anvisiert

Der Vertrag der vier Regierungen mit den drei beteiligten Rüstungskonzernen garantiert die spätere Abnahme von zunächst 63 Eurodrohnen. Deutschland erhält davon mit 21 Luftfahrzeugen und zwölf Bodenstationen den größten Anteil. Italien verspricht den Kauf von 15 Drohnen, Spanien und Frankreich wollen jeweils zwölf. Zum Auftrag gehören Flugsimulatoren sowie weitere Bodenstationen für die Ausbildung der Piloten und Sensorbediener.

Weil die Bundesregierung die größte Bestellung aufgab, geht die erste Lieferung an die Bundeswehr. Die anfängliche Einsatzbereitschaft wird dort für 2030 anvisiert. Nach derzeitigem Stand werden die deutschen Eurodrohnen auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel zwischen Nord- und Ostsee stationiert. Hierfür wurde der Militärflugplatz umfassend umgebaut, allein 33 Millionen Euro gab das Verteidigungsministerium für eine neue Halle, Stellflächen, Arbeiten an der Landebahn und nötige Technik aus.

Die Luftwaffe will ihre Eurodrohnen für die signalerfassende Aufklärung (Signals Intelligence - SIGINT) und die bildgebende Aufklärung (Imagery Intelligence - IMINT) einsetzen. Die Luftfahrzeuge befördern dazu entweder ein Abhörmodul, das ebenfalls von Airbus gebaut wurde, oder Sensortechnik wie Kameras, Infrarot- und Radarsysteme. Diese werden vermutlich von der Airbus-Ausgründung Hensoldt produziert, an der sich die Bundesregierung zur Gewährleistung ihrer "sicherheits- und verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien" kürzlich eine Sperrminorität gesichert hat.

Verzögerung der bewaffnungsfähigen "Überbrückungslösung"

Bis die Eurodrohne nutzbar ist, fliegt die Bundeswehr ihre "Überbrückungslösung" aus Israel. 2010 erhielt die Luftwaffe vom damaligen Hauptauftragnehmer Rheinmetall fünf Heron-1-Drohnen für den Einsatz in Afghanistan, nach insgesamt fünf Abstürzen wurden mangels Bedarf an unbemannter Aufklärung nur zwei Drohnen nachgeliefert. 2016 folgten weitere drei Heron 1 für Mali, das Geschäft hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Airbus übernommen. In beiden Einsatzgebieten werden die Systeme nun durch den Nachfolger Heron TP ersetzt. Die für März geplante Auslieferung dieser "zweiten Überbrückungslösung" verzögert sich aber wegen der Corona-Pandemie um ein halbes Jahr.

Als dritter Einsatzzweck der Eurodrohne gilt die "reaktionsschnelle und hochpräzise Luftnahunterstützung" für das am Boden kämpfende Heer. Mit dieser Fähigkeit zum Luftangriff will die Bundeswehr aber nicht bis 2030 warten und plant seit Jahren die Ausrüstung ihrer "zweiten Überbrückungslösung" mit Raketen eines geheim gehaltenen Herstellers aus Israel.

Zum Leidwesen der Luftwaffe hatte der Bundestag das Leasing der Heron TP vor drei Jahren aber zunächst ohne Munition beschlossen. Eine Entscheidung zur Bewaffnung war von der schwarz-roten Regierungskoalition für den vergangenen Dezember geplant, allerdings betätigte die SPD-Führung im letzten Moment den Schleudersitz. Zu den Gründen hieß es, der von Aserbaidschan mit türkischer Unterstützung gewonnene Drohnenkrieg um Berg-Karabach habe für neuen Gesprächsbedarf zu Kampfdrohnen gesorgt.

Finanzminister ließ Beschlussvorlage verschwinden

Die Art und Weise, wie sich die Sozialdemokraten der Abstimmung über die Bewaffnung der Heron-Drohnen entzogen, hatte damals für Verwunderung gesorgt. Die vom Verteidigungsministerium erstellte Beschlussvorlage lag bereits beim SPD-Finanzminister Olaf Scholz, der diese an den zuständigen Haushaltsausschuss weiterleiten sollte. Nachdem jedoch nach einigen friedensbewegten SPD-Abgeordneten und Parteimitgliedern auch der Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans Bedenken anmeldete, ließ Scholz das Papier kurzerhand in der Schublade verschwinden.

Zuletzt war deshalb unklar, ob die SPD-Bundestagsfraktion einer bewaffnungsfähigen Eurodrohne zustimmen würde. Zwar spricht sich die amtierende Bundesregierung - und damit auch die SPD - ausdrücklich für deren spätere Munitionierung aus. Dies soll aber zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. So steht es auch im heute abgestimmten Beschluss, wonach zunächst keine Munition für die Eurodrohne beschafft werden soll und auch noch keine Waffenausbildung des Bedienpersonals erfolgen soll.

Dabei handelt es sich jedoch um eine Nebelkerze. Denn es genügt, wenn eine Zustimmung des Bundestages erst in der kommenden oder sogar der darauffolgenden Legislatur erfolgt. Wie jede neue Waffe der Bundeswehr müssen die für die Eurodrohne vorgesehenen Raketen und Lenkbomben eine Zertifizierung durchlaufen, die etwa zwei Jahre dauert. Ist die Eurodrohne wie geplant 2030 einsatzbereit, hätte ein solcher Beschluss Zeit bis zum Jahr 2028.

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