Was die Änderung des Infektionsschutzgesetzes bringt – und wo nachjustiert werden muss

Unklare Grenzwerte, eingeschränkter Rechtsschutz und eine fragwürdige Begründung für Maßnahmen. Diese Gesetzesnovelle wird noch für Debatten sorgen

Mit teilweise unter 200 bestätigten Neuinfektionen pro Tag galt die "erste Welle" der Corona-Pandemie im Mai 2020 als offensichtlich bewältigt. Dass der kommende Mai im Rahmen der nunmehr "dritten Welle" genau ein Jahr später ein ähnliches Infektionsgeschehen aufweisen wird, dürfte illusorisch sein. Seit Februar 2021 entwickelt sich die Sieben-Tage-Inzidenz der Sars-CoV-2-Infektionen vielmehr in eine gegenteilige Richtung.

Maßgebender Treiber scheint dabei die deutlich ansteckendere Sars-CoV-2-Variante B.1.1.7 zu sein, die eine erhebliche und gefährliche Belastung des Gesundheitssystems einfordert. Besonders betroffen ist derzeit der intensivmedizinische Versorgungsbereich. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Bundesregierung im heute im Bundestag in zweiter und dritter Beratung behandelten Entwurf eines Infektionsschutzgesetzes die Einführung einer "Bundes-Corona-Notbremse" (§ 28b IfSG-E).

Im Wesentlichen sollen hiernach die Corona-Schutzmaßnahmen bundesweit vereinheitlicht werden und dem Bund zusätzliche Kompetenzen bei der Entscheidung über zukünftige Ge- und Verbote im Rahmen der Pandemiebekämpfung eingeräumt werden. Nachdem der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung abgegeben hat, kommt der Deutsche Bundestag heute zur Abstimmung hierüber zusammen.

Es steht zu erwarten, dass der Gesetzesentwurf in der durch den Gesundheitsausschuss geänderten Fassung – wenn auch mit knapper Mehrheit – angenommen wird. Weniger sicher ist, ob er danach auch widerspruchsfrei den Bundesrat passiert. Auch wenn die Übernahme politischer Verantwortung durch den Deutschen Bundestag restlos zu begrüßen ist: Ausreichend Bedarf zum Nachjustieren gibt es jedenfalls – vor allem in den folgenden vier Bereichen:

Ungewöhnliche Konzeption kippt Rechtsschutz vor Verwaltungsgerichten

Was bei § 28b IfSG-E unmittelbar ins Auge springt, ist seine gesetzestechnische Ausgestaltung. Denn die Vorschrift springt insofern aus der Reihe, als es sich schon nicht um eine typische Rechtsgrundlage des Gefahrenabwehrrechts handelt, sie also Tatbestand und Rechtsfolge enthält. Vielmehr werden die Verbote unmittelbar im Gesetz geregelt.

Das mag für Nicht-Juristen zunächst kein aufsehenerregender Befund sein; die Konsequenzen hieraus hingegen schon. Denn insoweit dem Einzelnen unmittelbar durch ein Bundesgesetz ein bestimmtes Verhalten auferlegt bzw. untersagt wird, wird er hiergegen nicht mehr – wie bislang – vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz suchen können.

Vieles spricht dafür, dass im aktuell einzig praxisrelevanten Eilrechtsschutz nunmehr ausschließlich das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann, dass insofern aber für gewöhnlich nur im Rahmen einer Folgenabwägung entscheidet. Eine rechtliche Prüfung findet hier zumeist nicht statt.