Wer braucht einen RWE-Kanzler?

Bild (2018): Olaf Kosinsky (kosinsky.eu)/CC BY-SA 3.0-de

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Mahnungen des UN-Generalsekretärs, einem Kanzlerkandidaten der Kohle, alten Warnungen und einem Foul der EU

Das zurückliegende Jahr war eines der drei bisher wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, stellt die Weltmeteorologieorganisation WMO in ihrem jüngsten Statusbericht über das globale Klima fest. Und das, obwohl 2020 durch ein El-Niña-Ereignis im tropischen Pazifik geprägt wurde, das einen kühlenden Einfluss auf das globale Klima ausübte.

Inzwischen sei die über das ganze Jahr und den ganzen Planeten gemittelte Temperatur 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Gehen die Emissionen weiter wie bisher, werde in etwa 2040 1,5 Grad Celsius erreicht, schätzte am Montagabend Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in einem Webinar.

Extremwetter und Covid-19-Pandemie seien 2020 für Millionen Menschen zur Doppelkatastrophe geworden, so die WMO, und dennoch hätte der vorübergehende Rückgang der Emissionen der Menschheit keine Atempause verpasst.

Das Eis schmelze weiter, Gletscher ziehen sich zurück, die Nahrungsmittelproduktion wird gefährdet, Ökosysteme geraten im Meer und auf Land unter Druck, die Ozeane steigen weiter und mehr und mehr Treibhausgase reichern sich in der Atmosphäre an.

Keine Pause

2021 ist sogar mit einem erneuten Anstieg der Emissionen zu rechnen, berichtet die britische Zeitung The Guardian unter Berufung auf die Internationale Energieagentur IEA in Paris.

Die IEA rechnet mit dem zweitgrößten jährlichen Zuwachs in der Geschichte der Industriegesellschaft. Nur nach der Finanzkrise vor zehn Jahren sei der Anstieg der Treibhausgasemissionen noch größer ausgefallen.

Schuld sei vor allem der wieder gestiegene Verbrauch an Kohle in der Stromerzeugung in Asien aber auch in den USA. IEA-Chef Fatih Birol bezeichnet die Zahlen im Gespräch mit dem Guardian als sehr beunruhigend.

Bis 2030 müssten die globalen Emissionen um 45 Prozent reduziert werden, um das in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel einhalten zu können. Das hatte am Montag auch Stefan Rahmstorf betont.

Keine Linearität

Die Klimakrise spiegelt sich auch in besorgniserregender Weise in den Ozeanen wider, die über 90 Prozent der durch die zugefügten Treibhausgase zusätzliche Wärme im Klimasystem und 23 Prozent der CO2-Emissionen aufnehmen.

Dadurch wirken sie einerseits als Puffer, der den unmittelbaren Effekt der Emissionen abschwächt. Gleichzeitig versauern die Meere aber durch die Aufnahme von CO2, was sich mehr und mehr zum Problem für die Fischerei entwickeln wird.

Außerdem nimmt ihre Fähigkeit, CO2 aufzunehmen, durch Erwärmung und Versauerung ab. Der Puffer wird also mit der Zeit aufgebraucht und sollte nicht überstrapaziert werden.

Außerdem trägt die Erwärmung der Ozeane neben dem Abtauen der Gebirgsgletscher und der polaren Eisschilde zum Anstieg des mittleren Meeresspiegels bei. Der steigt inzwischen 3,31 Millimeter pro Jahr, und die Zunahme der letzten 30 Jahre zeigt einen exponentiellen Verlauf. Das heißt, der Meeresspiegelanstieg verläuft nicht kontinuierlich, also nicht linear, sondern er beschleunigt sich.

Meeresspiegelmessungen aus Satellitendaten, Bild WMO

Wegen all der alarmierenden Nachrichten forderte UN-Generalsekretär António Guteres bei der Vorstellung des WMO-Berichts, 2021 zum Jahr der Klimaaktion zu machen.

2020 sei ein weiteres Jahr nie zuvor gesehener extremer Wettereignisse gewesen. Der Grund dafür sei klar:

Von Menschen gemachter Klimawandel - menschliche Entscheidungen, menschliche Dummheit.

UN-Generalsekretär António Guteres

Die Welt sei weit davon entfernt, das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Um die Erwärmung tatsächlich auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen müssten die globalen Emissionen bis 2030 um 45 Prozent gemessen am Niveau von 2010 reduziert werden.

Der WMO-Bericht sei angsteinflößend und sollte in aller Welt von den Entscheidungsträgern gelesen werden.

Mindestens zwei von denen werden diese Mahnungen nicht gehört haben, da sie mit Wichtigerem beschäftigt waren, nämlich ihren Testosteron-Problemen. Doch diese haben sie immerhin, zumindest vorerst, in den Griff bekommen.

Kein Klimakanzler

Nun hat die Union also ihren Kanzlerkandidaten: Armin Laschet soll es sein, bisher als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nicht durch besondere Nähe zu den Wissenschaften aufgefallen.

Weder wenn es um die Bekämpfung der Pandemie noch um die Klimakrise ging. "Aus irgend einem Grund", so ließ er 2019 das staunende Publikum wissen, "ist das Klimathema … plötzlich ein weltweites Thema geworden".

Stets ein offenes Ohr hat er hingegen für den Braunkohle-Konzern RWE, dem er half, den Kohleausstieg bis auf 2038 hinauszuzögern und mit üppigen Prämien für längst abgeschriebene, oft unrentable Anlagen zu versüßen. Entschädigung nennt man derlei auf CDU-Deutsch.

Ebenfalls im Auftrag RWEs organisierte er im August 2018 - unter einem Vorwand - den größten Polizeieinsatz in der Geschichte seines Bundeslandes, um den Hambacher Forst am gleichnamigen rheinischen Tagebau räumen zu lassen.

Der wird nun zwar doch nicht gerodet, wie von RWE ursprünglich geplant. Allerdings lässt der Konzern so dicht an ihn heran und um ihn herum baggern, dass es an ein Wunder grenzen wird, sollte er nicht in den nächsten Jahren austrocknen und absterben.

Im rheinischen Braunkohlerevier, im Dörfchen Lützerath, strengt RWE derweil gerade - ebenfalls mit Armin Laschets Unterstützung - die Enteignung von Eckhardt Heukamp an, eines Landwirts, dessen Hof dem Tagebau Garzweiler II weichen soll. Gegen Enteignung ist die Laschet-Partei halt nur, wenn sie zum Schutz der Berliner Mieterinnen und Mieter dienen soll.

"Wer sich gegen das Enteignen von Wohnkonzernen aber für die Enteignung von Dörfern für Kohle ausspricht, der ist nicht gegen Enteignung, sondern gegen soziale Gerechtigkeit."

So Fridays for Future Berlin in einer Erklärung mit der der Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. Enteignen" unterstützt wird

Bereits im Januar waren direkt vor Heukamps Hof mit großen Polizeiaufgebot Gebäude abgerissen worden. Im Verfahren argumentiert er, dass sein Hof und auch das kleine Dorf, in dem er liegt, erhalten bleiben könnten, selbst wenn die bereits genehmigten Rahmen- und Hauptbetriebspläne weitgehend erfüllt würden.

Schon jetzt rückt ihm der Tagebau allerdings eng auf die Pelle und die frühzeitigen Abrisse der Nachbarhäuser dienten sicherlich auch dazu, den Landwirt zu zermürben. Ein Dorf weiter, in Keyenberg, sind die riesigen Bagger des Tagebaus inzwischen bis auf 100 Meter an die Häuser herangerückt, berichtet zu Beginn der Woche die Berliner taz.

Kein Mindestabstand

In Nordrhein-Westfalen gibt es in der Abstandsverordnung für Industrieanlagen und ihrem detaillierten Abstandsliste keinen Mindestabstand der Tagebaue und ihrer Abraumhalden von Wohnhäusern. Sprengungen dürfen noch in 300 Metern Entfernung durchgeführt werden.

Windräder, so hatte Armin Laschets Landesregierung kurz vor Weihnachten 2020 verkündet, sollen hingegen mindestens 1.000 Meter Abstand zu Wohngebäuden halten, sofern es sich nicht um einzelne Gehöfte handelt.

Man darf gespannt sein, was die Grünen mit einem solchen Koalitionspartner auf Bundesebene erreichen können. Auch ein Blick nach Baden-Württemberg, nach fünf Jahren grünschwarzer Regierung noch immer eines der Schlusslichter beim Ausbau der Windenergie, lässt wenig Optimismus aufkommen. Dennoch zeigt sich die frischgekürte grüne Kanzlerkandidatin und Aufrüstungsfreundin Annalena Baerbock weiter für eine Koalition mit der Union offen.

Keine Neuigkeiten

Manchmal ist ja wirklich interessant, sich alte Ausgaben der Tagesschau anzusehen. Vor 26 Jahren zu dieser Zeit begann in Berlin die erste Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention, auf der eigentlich ein Protokoll, das heißt, ein die Konvention konkretisierender Vertrag mit Klimaschutzmaßnahmen hätte beschlossen werden sollen.

Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen hatte, wie die Tagesschau berichtet, in diesem Zusammenhang vor der drohenden Klimakatastrophe gewarnt und der Bundesumweltministerin Angela Merkel eine entsprechende Stellungnahme übergeben.

Wohlgemerkt: Das war vor 26 Jahren. Hätte man seinerzeit zügig mit der Verminderung der Emissionen begonnen, wäre der notwendige Umbau der Industriegesellschaft schon weiter und müsste nun nicht in so großer Eile erfolgen.

Kein Interesse

Gastgeberin der Berliner Konferenz war seinerzeit übrigens die frischgekürte Umweltministerin Angela Merkel. Ihr Vorgänger Klaus Töpfer hatte kurzfristig das Handtuch geworfen, weil er sich mit seinem Vorschlag für einen Vertragsentwurf nicht gegen den Wirtschafts- und den Verkehrsminister hatte durchsetzen können.

Daher hatte schließlich das Gastgeberland das Treffen trotz vorheriger vollmundiger Versprechen Töpfers nicht adäquat vorbereitet. Hätte nicht die Gemeinschaft der kleinen Inselstaaten AOSIS in letzter Minute nicht einen eigenen Vorschlag auf den Tisch gelegt, hätten die Diplomaten kaum mehr machen können, als ein paar Nettigkeiten auszutauschen.

Doch von Gastgeberin Merkel gab es keinerlei Unterstützung für den Vorschlag der Inselstaaten. Auch die anderen Industrieländer, die ihre Emissionen laut AOSIS-Text bis 2005 um 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 hätten reduzieren sollen, lehnten barsch ab.

Entsprechend fiel der AOSIS-Protokollentwurf durch, und es dauerte zwei weitere Jahre, bis schließlich im japanischen Kyoto ein Vertrag, das heißt, ein Protokoll zur Klimarahmenkonvention zustande kam.

Merkel hatte sich, obwohl als Gastgeberin eigentlich zugleich wichtigste Mediatorin der Verhandlungen, vor allem damit beschäftigt, ein wenig Werbung für Atomkraft zu machen. Ansonsten verkündete sie der Presse als großen Erfolg, das Sekretariat der Konvention nach Bonn geholt zu haben. Dort hatte man dringenden Bedarf an Nachmietern, denn die Bundeshauptstadt würde in den nächsten Jahren nach Berlin umziehen.