Zulauf für Enteignungsinitiative nach Urteil zum Berliner Mietendeckel

Foto: Fridolin Freudenfett / CC-BY-SA-4.0

Die zunächst erfolgreiche Klage von Unions- und FDP-Politikern könnte für deren Klientel auch unerwünschte Auswirkungen haben

Eine Woche nachdem bekannt wurde, dass das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel gekippt hat, stehen die Chancen für die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" in der Hauptstadt besser denn je. Mitinitiator Michael Prütz geht fest davon aus, dass innerhalb der viermonatigen Frist bis zum 25. Juni deutlich mehr als die gut 170.000 erforderlichen Unterschriften für die zweite Stufe des Volksbegehrens zusammenkommen.

Allein am Wochenende nach Bekanntwerden des Urteils seien berlinweit "mehrere zehntausend Unterschriften" gesammelt worden - und es hätten sich zahlreiche Menschen gemeldet, die nun weitere sammeln. "Unsere Kiezteams wachsen", sagte Prütz am Donnerstag gegenüber Telepolis. Die Möglichkeit der Enteignung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen ist demnach durch die Annullierung des Mietendeckels für viele Betroffene, denen jetzt Nachzahlungen drohen, attraktiver geworden.

Am Montag hatten auch Gewerkschaftsgliederungen wie ver.di Berlin, die DGB Jugend Berlin-Brandenburg und die Junge IG Bau Berlin in einer gemeinsamen Erklärung mit Mietervereinen und Organisationen der Zivilgesellschaft die Initiative unterstützt, deren Ziel es ist, Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen Entschädigung in öffentliches Eigentum zu überführen. Artikel 15 des Grundgesetzes ermögliche diesen Schritt - und menschenwürdiges Wohnen sei ein Grundrecht, heißt es in der Erklärung.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des Tagesspiegels, die bereits vor der Veröffentlichung des Urteils zum Mietendeckel am 15. April gestartet worden war, sprachen sich gut 47 Prozent der befragten Berlinerinnen und Berliner für die Enteignung aus und knapp 44 Prozent dagegen.

Konkret beantworteten 32,3 Prozent die Frage "Wie würden Sie es bewerten, wenn Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gegen Entschädigung enteignet werden?" mit "eindeutig richtig". 14,8 Prozent der Befragten antworteten mit "eher richtig". Für "eher falsch" hielten 10,9 Prozent die Forderung, für "eindeutig falsch" hielten sie 32,8 Prozent. 9,2 Prozent der Befragten konnten sich zum Zeitpunkt der Erhebung nicht entscheiden. Prütz geht davon aus, dass einige dies nach dem Urteil eher könnten.

Die Initiative will sicherheitshalber mehr als 200.000 Unterschriften sammeln, da nur solche von Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft gültig sind. Auch Unterschriften von Obdachlosen zählen nicht, da eine gültige Meldeadresse erforderlich ist.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil auf die Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung verwiesen und erklärt, diese habe das Mietpreisrecht mit der "Mietpreisbremse" bereits "abschließend geregelt" - der Berliner Senat hatte demnach mit dem Mietendeckel seine Kompetenzen überschritten. Allerdings handelt es sich bei der Mietpreisbremse um eine Verordnungsermächtigung an die Länder - sie können demnach entscheiden, ob sie das im Vergleich zum Mietendeckel schwächere Instrument in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt anwenden oder nicht.

Der "rot-rot-grüne" Berliner Senat hatte laut Gerichtsurteil seine Kompetenzen überschritten, als er mit dem Mietendeckel ein stärkeres Instrument schaffen wollte. Das Urteil geht auf eine Normenkontrollklage von Bundestagsabgeordneten aus Unionsparteien und FDP zurück, die damit vermutlich keine Werbung für die Enteignungsinitiative machen wollten.

Für einkommensschwache Mieterinnen und Mieter, die jetzt erst einmal nachzahlen müssen, hat der Berliner Senat am Dienstag eine "Sicher-Wohnen-Hilfe" in Form zinsloser Überbrückungsdarlehen beschlossen.

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