"Multikulti" bis "Querdenken": Ist unsere Gesellschaft polarisiert?

Ein Überblick über empirische Untersuchungen (Teil 1)

In Medienberichten heißt es wiederholt, unsere Gesellschaft sei "polarisiert". Themen wie Migration, Globalisierung, Klima werden genannt, die ungleiche Verteilung von Vermögen und Bildung als eine der Ursachen festgemacht, rechtsextreme Bewegungen, Pegida oder die AfD als Beleg herangezogen.

"Corona" gilt als "Verstärker" der Spaltungstendenzen. Die mediale Öffentlichkeit sieht in der "Querdenken"-Bewegung ein weiteres Polarisierungspotential. Verfolgt man die Presse- und sonstige Medienberichte und Kommentare, dann könnte man denken, Deutschland sei ein tief gespaltenes oder vielfach fraktioniertes Land, in dem sich grundlegend gegensätzlich orientierte Bevölkerungsteile gegenüberstehen. Dies wird dann als "Bedrohung der Demokratie" beklagt und von einer "Krise der Demokratie" gesprochen.

Es ist klar, dass ein bloßer Eindruck subjektiv und für eine Beantwortung der Fragen unzureichend ist. Es bleibt nichts anderes übrig, als auf möglichst repräsentative Befragungen zurückzugreifen. Die hier herangezogenen Untersuchungen haben meist ähnliche Fragestellungen, die sich in der Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt bündeln; einige stellen ihre Untersuchung in größere Zusammenhänge, andere fokussieren sich auf Teilaspekte.

Studie zu Akzeptanz und Vielfalt

Nehmen wir als erstes die Frage nach der Akzeptanz von gesellschaftlicher "Vielfalt". Dazu gibt es eine neuere und sehr komplexe repräsentative Umfrage der Robert-Bosch-Stiftung von 2018/19.

Es wurden "sieben ‚Vielfalts‘-Dimensionen identifiziert und messbar gemacht: Lebensalter, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft, Religion und sozioökonomische Schwäche."

Die Studie kommt zu dem Schluss, auf das Ganze gesehen werde "gesellschaftliche Vielfalt in Deutschland überwiegend positiv bewertet." Für ganz Deutschland ergibt sich ein Bejahungsindex von 67,71 von 100). Dabei werden deutliche regionale Unterschiede und ein Nord-Süd- sowie ein West-Ost-Gefälle sichtbar: In Hamburg ist der Akzeptanzwert am höchsten (72,30), in Baden- Württemberg liegt er in der Mitte (67,50) in Sachsen am niedrigsten (61,49). In den Dimensionen finden "sozioökonomische Schwäche" (58,33) und "Religion" (44,17) am wenigsten Wertschätzung.

Überraschend ist, dass Vielfalt in Bezug auf "ethnische Herkunft" einen hohen Akzeptanzwert hat (72,54).