Berg-Karabach: Der endlose Konflikt im "schwarzen Garten"

Auch die christlich-islamische Bruchlinie spielt eine Rolle. Das armenische Kloster Gandsassar in Berg-Karabach. Foto: Mardanyan Aleksandr / CC-BY-SA-4.0

Wohin steuert der Südkaukasus? - Ursachen und Hintergründe wiederkehrender Gewalt sowie Lösungsansätze und Perspektiven

Nach der Anerkennung des Massenmords an Armeniern im 20. Jahrhundert als Völkermord durch US-Präsident Joe Biden im April kommt Bewegung in den Kaukasus. Sowohl die Türkei wie Armenien sind am Konflikt in Berg-Karabach, dem "bergigen schwarzen Garten" im Südkaukasus, beteiligt. 2020 kam es zum jüngsten Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien in einer scheinbar endlosen Konfliktgeschichte. Die Situation erscheint vielen unlösbar. Der Krieg um das Gebiet hat die Fronten verhärtet und die Verlierernation Armenien ins Chaos gestürzt. Viele Fragen bleiben ungelöst.

Trotzdem gibt es - wenn auch begrenzte - Perspektiven, darunter die diplomatischen Initiativen der OSZE sowie einzelner Staaten wie Russland. Ein ganz besonderes institutionelles Befriedungsmodell wird bereits seit den 1990er Jahren immer wieder ins Spiel gebracht: Südtirol. Die dortige territoriale Autonomie hat ethnische Konflikte in institutionalisierte Koexistenz verwandelt. Die Frage ist, wie realistisch eine Adaption dieses Modells im Kaukasus ist.

Einleitung: Modell für mögliche Konfliktlösungen

Aspekte des Konflikts in der Region Berg-Karabach sind jenen des Südtirol-Konflikts tatsächlich nicht unähnlich. Bereits seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre - vor allem nach dem Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan 1994, der über den Umweg vieler Scharmützel zu einer "eingefrorenen" Übergangssituation bis November 2020 führte - waren wiederholt Delegationen aus der damaligen Verlierernation Aserbaidschan in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol im Dreiländereck Italien-Österreich-Schweiz zu Gast, um das Modell für mögliche Konfliktlösungen zu studieren.

Am Eurac Research Center for Advanced Studies in Bozen, einer sozialwissenschaftlichen Einrichtung mit "glokaler" Ausrichtung, besteht ein Ost-West-Forschungsschwerpunkt. Eine internationale Berg-Karabach-Konferenz der Eurac-Research-Institute für Föderalismus und Minderheitenrechte fand Ende Oktober 2020 unter Teilnahme des Trentiners Mario Raffaelli statt, der als Vermittler der OSZE-"Minsker Gruppe" zwischen Armenien und Aserbaidschan agierte und 2007 die sechs "Madrider Prinzipien" zur Konfliktbewältigung für Berg-Karabach mit entwickelte.

Dazu kommt die Arbeit des Eurac-Instituts für vergleichenden Föderalismus für die Minsker Gruppe im besonderen, vor allem für Minderheiten und Vertriebene. Bereits vorher war die Region Thema bei der großen Zentralasien-Konferenz in Moskau 2019, wo sich eine Neuentzündung des Konflikts in Wortmeldungen und einer gewissen populistischen Nationalismus-Rhetorik bereits als möglich abzeichnete.

Skizzenhaft und sicherlich unvollständig möchte ich einige Gedanken zu vier Punkten darlegen, um eine minimale Diskussionsgrundlage zur aktuellen Lage zu schaffen:

1. WORUM HANDELT ES SICH BEI DIESEM KONFLIKT?

Der Konflikt in Berg-Karabach hat eine lange und ungewöhnlich komplexe Vorgeschichte, einschließlich des Autonomie-Themas. Ähnlich wie andere "hyperkomplexe" Konflikte weist dieser neben politischen und wirtschaftlichen auch religiöse, ethnische und zivilreligiös-nationalistische Komponenten auf, die seine Lösung besonders schwierig machen. Identitätsnarrative spielen in der Berg-Karabach-Frage eine wesentliche Rolle, was sowohl die Territorialmächte wie die dahinterstehenden Großmächte immer wieder zu einer Symbolpolitik verleitete, die Konflikte begünstigt.

Das Zusammenleben der eng verzahnten armenischen und aserbaidschanischen Bevölkerungsteile hat seit Jahrhunderten sowohl vorbildliche wie negative Beispiele hervorgebracht. Die mehrfache Veränderung der ethnisch-territorialen Bevölkerungsverteilung hat die Dinge nicht erleichtert. In der Neuzeit wurde nach der russischen Novemberrevolution Berg-Karabach 1921 bis 1923 trotz armenischer Bevölkerungsmehrheit - mit einer damals jedoch größeren aserbaidschanischen Minderheit - Aserbaidschan zugeschlagen. Der Grund war unter anderem, dass die dortigen Bolschewiken einen größeren Einfluss in Moskau hatten.

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