Klimagesetz: Nachsitzen und Nachhilfe

Tagebau Hambach. Foto (2016): King Otto/CC BY-SA 3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von einem weiter völlig unzureichenden Klimagesetz, Nachhilfeunterricht für den Kanzlerkandidaten Laschet und von dessen verwüsteten Landschaften im Rheinland

Wie es aussieht, wird am heutigen Mittwoch das Bundeskabinett einen Entwurf auf den Weg bringen, mit dem das erst vor wenigen Monaten verabschiedete Klimaschutzgesetz geändert werden soll. Damit soll dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stattgegeben werden, so das erklärte Ziel der Regierung. Telepolis hatte über das Ende April gefällte Urteil mehrfach berichtet.

Neu am Gesetzentwurf sind vor allem, dass Klimaneutralität nun 2045 statt 2050 erreicht sein soll. Außerdem werden konkrete Minderungsschritte zwischen 2031 und 2040 benannt und das Klimaziel für 2030 heraufgesetzt.

Nun sollen bis dahin die Treibhausgasemissionen um 65 statt um 55 gegenüber dem Niveau von 1990 reduziert sein. Auch für das darauf folgende Jahrzehnt sind für jedes Jahr konkrete Reduktionsziele definiert. 2031: 67 Prozent, 2032: 70 Prozent und so weiter bis 2040 88 Prozent erreicht sind.

Wie schon im geltenden Klimaschutzgesetz werden für die 2020er Jahre den verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Energiewirtschaft und Gebäude Emissionsmengen zugewiesen, die von Jahr zu Jahr abnehmen.

Allein der Energiewirtschaft wird lediglich ein Endziel für 2030 vorgeschrieben. Doch immerhin fällt dieses knapp 40 Prozent niedriger als im alten Gesetz aus und würde für den Kraftwerkssektor bedeuten, dass die Emissionen gegenüber 2020 um fast zwei Drittel abnehmen müssen.

Alle genannten Werte sind in der Anlage 2 zum Gesetzentwurf festgehalten. Addiert man die Emissionsmengen auf, die nach der neuen Fassung des Klimagesetzes noch bis 2030 erlaubt sein sollen, kommt man auf rund 6,2 Milliarden Tonnen CO2.

Der große Fehler

Schaut man sich diese Zahl genauer an, wird schnell klar, weshalb es von Seiten der Umweltverbände, der Linkspartei und Fridays for Future Kritik an dem so außerordentlich kurzfristig und mit lächerlichen Konsultationsfristen für die Verbände vorgelegten Gesetz setzt.

Wie wiederholt hier auf Telepolis dargelegt und der Bundesregierung schon 2009 von ihrem Wissenschaftlichen Beirat für Globale Umweltveränderungen vorgerechnet gibt es ein Gesamtbudget an Treibhausgasen, die noch in die Luft geblasen werden dürfen, wenn die globale Erwärmung 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau nicht überschreiten soll.

Wenn man sich mit einer Zwei-Drittel-Chance begnügt, die 1,5-Grad-Messlatte nicht zu reißen, wäre Deutschlands sehr großzügig berechneter Anteil daran 3,3 Milliarden Tonnen CO2. Die Bundesregierung will jedoch allein bis 2030 noch fast das Doppelte emittieren und behauptet dabei noch, den Beschluss des Verfassungsgerichts umzusetzen.

Das ist aber ganz offensichtlich nicht der Fall. Das Gericht ist in der oben verlinkten Urteilsbegründung ausführlich auf den Budget-Ansatz eingegangen, wie er unter anderem auch IPCC (Intergovermental Panel on Climate Change, salopp manchmal UN-Klimarat genannt) verfolgt wird. Ausdrücklich zitiert das Gericht den IPCC-Sonderbericht "Global Warming of 1.5°C" in dem verschiedene Angaben für das verbleibende Budget je nach Temperaturziel und der Sicherheit, diese zu erreichen gemacht werden.

"Ein schneller Verbrauch des CO2-Budgets schon bis 2030 verschärft jedoch das Risiko schwerwiegender Freiheitseinbußen, weil damit die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper wird," hatte das Gericht geurteilt. Es verstoße gegen das Verbot der Verhältnismäßigkeit, nachfolgenden Generationen die Hauptlast zu überlassen.

Angesichts des vorliegenden, hastig eingebrachten Gesetzentwurfes, können eigentlich die Klageschriften recycelt werden und der Gang noch Karlsruhe erneut angetreten werden. Doch derlei dauert natürlich und die Bundesregierung könnte sich bis dahin damit brüsten, dem Urteil genüge getan zu haben.

Letzteres scheint das Motiv für die Eile zu sein, denn die Regierungsparteien haben verständlicher Weise wenig Interesse daran, dass ihre Versäumnisse im Klimaschutz den Wahlkampf dominieren. Das wäre fast so schlimm, als wenn auch im August und September sich die Menschen noch allzu lebhaft an die diversen Masken-Affären der Union erinnern.

Fragwürdige Senken

Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die sich unter den Budgetzahlen nichts vorstellen kann, scheint übrigens unter anderem darauf zu setzen, Moore und Wälder als Speicher für das Treibhausgas CO2 nutzen zu können, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland schreibt.

Hätte sie ihre Fachleute im Umweltbundesamt oder beim Wissenschaftlichen Beirat für Globale Umweltveränderungen gefragt, könnte sie wissen, dass daraus nichts werden kann. Zum einen ist deren Aufnahmefähigkeit im Verhältnis zu den deutschen Emissionen sehr begrenzt. Zum anderen sind sie alles andere als sichere Tresore, in denen CO2 einfach weggeschlossen werden kann.

Schon ein paar Dürrejahre wie die zurückliegenden reichen, um aus Mooren und Wäldern zusätzliche Quellen des Treibhausgases zu machen. Diese Ökosysteme besser als bisher zu schützen, ist allerdings dennoch sinnvoll, zumal sie durch die Erwärmung weiter unter Stress geraten werden.

Auf Kosten anderer

Eine andere Art von Budgetansatz ist es, die nachhaltig zur Verfügung stehenden Ressourcen auf alle Erdbürger gleichmäßig zu verteilen und dann mit dem Jahresverbrauch zu vergleichen. Das Ergebnis: Deutschland hatte seinen Anteil bis zum 5. Mai aufgebraucht.

Seit letzter Woche leben wir also für den Rest des Jahres auf Kosten der armen Länder und zukünftiger Generationen. Bis zum Dienstag letzter Woche hatten wir - die Reichen mehr, die Armen weniger - den Anteil der Ressourcen aufgebraucht, die uns pro Jahr zu stehen.

Alles was von jetzt an verbraucht wird, ist nicht erneuerbar. Das betrifft nicht nur die fossilen Energieträger sondern auch Wälder, Boden, Meeresprodukte und vieles mehr. Würden alle Menschen so viel verbrauchen wie der und die durchschnittliche Deutsche, so zeigen die Berechnungen des Footprint Networks, dann bräuchte die Menschheit 2,9 Erden.

Da aber ein großer Teil der Menschheit wesentlich bescheidener lebt (oder besser gezwungen ist zu leben), liegt der sogenannte Overshoot day für die gesamte Menschheit erst im August. Aber auch als Ganzes kommen wir nicht mehr mit dem Planeten aus. Das war zuletzt Ende der 1960er der Fall gewesen. Inzwischen bräuchte die Menschheit für ihren Ressourcenverbrauch 1,7 Erden.