"Mega Bock auf die Pflege", aber zu wenig Zeit für Patienten

Forderungen zum Tag der Pflegenden vor dem Bundeskanzleramt Foto: @WalkofCare1

Besorgte Azubis beim Protest am Tag der Pflegenden im Regierungsviertel: für mehr Personal, bessere Aus- und Weiterbildung, politisches Mitspracherecht und gerechte Bezahlung

Eine angemessene Bezahlung ist nicht die Forderung, die beim "Walk of Care" zuerst genannt wird - vor allem geht es um Arbeitsbedingungen, die es Menschen in Pflege- und Gesundheitsberufen ermöglichen, bis zur Rente durchzuhalten, ohne erschöpfungsbedingt Fehler zu machen, die Patienten gefährden. Es waren überwiegend junge Menschen dieser Berufsgruppe, teils noch Azubis, die an diesem Mittwoch im Berliner Regierungsviertel demonstrierten, weil sie diese Sorge umtreibt.

Anlass war der Internationale Tag der Pflegenden, bundesweit fanden daher Protestaktionen gegen Sparzwänge und Profitlogik im Gesundheitswesen statt. Die 2016 gegründete "Walk of Care"-Bewegung demonstriert zudem jeden Mittwoch in Berlin vor dem Bundesgesundheitsministerium und wird sowohl von der Bundespflegekammer als auch von der Gewerkschaft ver.di unterstützt.

"Entscheidungen über uns ohne uns"

"Ich sollte hier nicht stehen müssen", betonte Sirin vom "Walk of Care" auf dem Platz der Republik. Es sei aber nötig, dass die Forderungen der Pflegenden endlich von denen gehört würden, die jeden Tag "Entscheidungen über uns ohne uns treffen". Jeden Tag müssten sie und ihre Kollegen "Profite über gute Versorgung stellen". Nötig sei eine gesetzliche Personalbemessung, dann würden Arbeitgeber sicher "sofort unglaublich kreativ" darin, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Sie habe eigentlich "mega Bock auf die Pflege", sagte als nächste Rednerin die Auszubildende Martha. Der Beruf bedeute aber auch eine hohe Verantwortung zu tragen "und sich Zeit zu nehmen, obwohl keine da ist". Sie frage sich: "Wie soll ein Mensch uns vertrauen, wenn wir keine Zeit für ein Gespräch haben?" Wenn Schichten unterbesetzt seien, "gehen nicht nur wir daran kaputt, dann werden pflegebedürftige Menschen schlecht versorgt". Im Gegensatz zur Corona-Pandemie sei die demographische Entwicklung mit mehr älteren und krankheitsanfälligen Menschen keine Überraschung, sondern etwas, worauf man sich einstellen könne, Martha.

Neben bedarfsgerechten Personalschlüsseln gehören auch ein Recht auf finanzierte Weiterbildung und politische Mitbestimmung für Beschäftigte aller Gesundheitsberufe zu den Forderungen des "Walk of Care". Eine bedarfsgerechte Finanzierung des Gesundheitswesens insgesamt sei nur möglich, wenn die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRGs) abgeschafft würden.

Ver.di fordert Entlastung durch Übergangsinstrument "PPR 2.0"

"Die Beschäftigten in der Pflege haben es satt, mit leeren Versprechungen hingehalten und mit Scheinlösungen abgespeist zu werden. Sie zeigen der Politik des Bundesgesundheitsministers die Rote Karte", hatte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig ist, zum Protestaufruf der Gewerkschaft erklärt. Der zuständige Minister Jens Spahn (CDU) bringe zwar viele Gesetzesvorhaben auf den Weg, doch keines davon löse die drängenden Probleme der Beschäftigten.

Für die Krankenhauspflege sollten Krankenkassen und Kliniken ein wissenschaftliches Instrument zur Personalbemessung entwickeln, dieses werde aber frühestens im Jahr 2025 vorliegen, so Bühler. "Die Beschäftigten der Krankenhäuser brauchen jetzt eine Perspektive. Sie sind am Ende ihrer Kräfte - und das nicht nur wegen der Corona-Pandemie", so die Gewerkschafterin.

Um sie in der Zwischenzeit zu entlasten, müsse als kurzfristiges Instrument zur Personalbemessung die PPR 2.0 in Kraft gesetzt werden - eine Richtlinie, die der Deutsche Pflegerat, ver.di und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, bereits im Januar 2020 gemeinsam vorgelegt hatten. In Anlehnung an die bisherige Pflegepersonal-Regelung (PPR) erhielt das neue Instrument zur Bedarfsbemessung den Namen PPR 2.0.

Bundesweit einheitliche und verbindliche Personalvorgaben, die Entlastung bringen "und eine humane und würdige Pflege endlich wieder möglich machen" forderte ver.di auch für die Altenpflege.

Der Internationale Tag der Pflegenden wird jedes Jahr am 12. Mai begangen - dem Geburtstag von Florence Nightingale (1820 - 1910), die als Pionierin und Vordenkerin der modernen Krankenpflege gilt.

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