Warum uns das Ehec-Bakterium erneut gefährlich werden könnte

Waren nicht schuld, aber plötzlich unbeliebt: Salatgurken 2011. Bild: Songkran, CC BY-NC-SA 2.0

Mindestens 3.800 Erkrankte und 53 Tote bei vergessener Epidemie vor zehn Jahren. Gründe wurden nie aufgeklärt, Erklärungen der Regierung hinterfragt

Angesichts der Corona-Pandemie ist die deutsche Öffentlichkeit derzeit besonders für gesundheitliche Gefahren sensibilisiert. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch nimmt das zum Anlass, um auf die nach wie nicht aufgeklärten Ursachen der Ehec-Epidemie vor zehn Jahren und auf systemische Risiken hinzuweisen, die einen erneuten Ausbruch jederzeit ermöglichen würden.

Bei Ehec-Erregern handelt es sich um eine Form der Coli-Bakterien. Sie finden sich im Darm von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen, Ziegen, Rehen oder Hirschen. Sie können bestimmte Giftstoffe, sogenannte Shigatoxine, produzieren. Die Tiere erkranken daran in der Regel nicht.

Werden solche Keime aber auf den Menschen übertragen, können sie Durchfallerkrankungen mit zum Teil schwerwiegenden Komplikationen verursachen.

Dramatisch wurde die Lage, weil es sich beim Ehec-Ausbruch im Jahr 2011 um einen neuen, besonders aggressiven Stamm des Bakteriums handelte. Alleine in Deutschland gab es mehr 3.800 dokumentierte schwere Krankheitsverläufe und 53 Todesopfer, es wird von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen.

Ausbruchsursache bis heute nicht geklärt

Was Foodwatch besonders beunruhigt: Bis zum heutigen Tag ist nicht geklärt, wie es zu diesem Ausbruch gekommen ist und wie damalige regionale Häufungen zu erklären sind. Zunächst waberte die "Salatgurken-Theorie" durch die Medien, später gerieten importierte Blattsalate und auch Tomaten ins Visier, was kurzzeitig zu dramatischen Umsatzeinbrüchen bei diesen Produkten führte, von denen irrationalerweise auch heimische Bio-Erzeuger betroffen waren.

Doch diese Spuren erwiesen sich nach wenigen Wochen als falsch. Schließlich wurden von der Bundesregierung ägyptische Sprossensamen als "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ursprüngliche Quelle benannt. Allerdings wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) 87 Prozent aller gemeldeten Ehec-Fälle ohne Klärung der Ansteckungsursache zu den Akten gelegt.

Für Foodwatch war daher die Festlegung auf ägyptische Samen, die in Deutschland und Frankreich kultiviert wurden, als alleiniger Ursache der Epidemie bereits damals eine bewusste "Täuschung der Öffentlichkeit". Wo und wie die Samen mit dem Ausbruchserreger in Kontakt kamen, ist bis heute ein Rätsel - ebenso, wo der Erreger beim Überspringen von Tieren auf die pflanzliche Produktion seinen Ursprung hatte. "Niemand weiß, ob O104:H4 - so wird der damals identifizierte Ehec-Stamm bezeichnet - eines Tages wiederkommt", warnt daher auch das RKI.

Alles Schnee von gestern? Keineswegs, meint Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler. Wie so viele Lebensmittelskandale habe auch Ehec kaum zu Konsequenzen geführt, nachdem die Krise aus den Schlagzeilen verschwunden war. Egal ob Ehec oder zuletzt der Listerien-Fall bei Wilke-Wurst, der Ende 2019 ebenfalls zu tödlichen Erkrankungen führte: "Es sind immer die gleichen Schwachstellen, die längst behoben sein müssten", so Winkler.