Nahost-Krieg: Ungleiche Opferbilanz, verminte Debatte

Angriff der israelischen Armee auf den Militärgeheimdienst der Hamas in Rimal im Gazastreifen. Bild: @idfonline

Angriffe auf Israel und Gaza fordern knapp 130 Menschenleben, unter den Toten sind erneut viele Zivilisten. Diskussion um Konfliktursachen gestaltet sich schwierig

Im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern werden auf beiden Seiten immer mehr Opfer vermeldet. Wenige Tage nach Beginn massiver Raketen- und Artillerie-Angriffe beider Seiten sind nach offiziellen Angaben knapp 130 Menschen ums Leben gekommen, darunter zahlreiche Zivilisten.

Während der durch seine politische Spaltung weitgehend machtlose UN-Sicherheitsrat auch am Wochenende erneut zusammenkommen will, stehen die Zeichen in Nahost auf Sturm: Sowohl die israelische Regierung als auch die in Gaza regierende islamistische Hamas haben innenpolitische Gründe, den Konflikt weiter voranzutreiben.

In mehreren Ländern der EU ist indes erwartungsgemäß ein Streit entbrannt, inwieweit in dem Konflikt eine Positionierung legitim ist. Vor allem die Kritik an der Besatzungs- und Militärpolitik des israelischen Staates steht dabei im Fokus.

Nach Angaben der israelischen Behörden sind seit Montag dieser Woche mehr als 1.800 Raketen aus dem Gazastreifen im Land eingeschlagen. Dabei seien acht Menschen ums Leben gekommen. Wie bei früheren Konflikten ist die Zahl der Opfer ungleich wie die militärischen Kapazitäten: Aus dem palästinensischen Gaza-Gebiet wurden zuletzt 119 Tote gemeldet, unter ihnen 31 Kinder.

In bewaffneten Konflikten zwischen Israelis und Palästinensern im Gazastreifen war es auch in der Vergangenheit immer wieder zu zahlreichen zivilen Opfern gekommen, weil dies von beiden Seiten billigend in Kauf genommen wird. Die palästinensischen Raketen nehmen ohne eine Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen das israelische Staatsgebiet unter Beschuss; auch die israelischen Angriffe töten im dicht besiedelten Gaza unvermeidbar Zivilisten.

Während die Todeszahlen im palästinensischen Gebiet gemeinhin mehr als zehnmal höher sind, wird in der Berichterstattung ein unmittelbareres Bild von den Opfern auf israelischer Seite vermittelt. So erfuhr man heute, dass es sich beim achten Todesopfer in Israel um eine Seniorin handelte, die in der Nacht zum Freitag schweren Verletzungen erlag, die sie sich auf dem Weg zu einem Schutzraum während eines Raketenbeschusses zugezogen hatte. Unter den israelischen Todesopfern seien außerdem ein sechsjähriger Junge und ein Soldat. Auf palästinensischer Seite werden die Opferzahlen gemeinhin summarisch wiedergegeben.

Kritik an Besatzung als "Argumentation von Terroristen"?

Wie schwierig die Debatte über die Hintergründe des Nahostkonfliktes in Europa und in Deutschland ist, belegen proisraelische Medien in Deutschland. So sieht sich die Politologin Helga Baumgarten harschen Angriffen der Bild und des Blogs Achse des Guten ausgesetzt, nachdem sie im ZDF-Mittagsmagazin auf die Konfliktursachen verwiesen hatte. Konkret sagte Baumgarten, die an der Universität Birzeit im Westjordanland lehrt und in Ost-Jerusalem lebt:

Nun, ich denke, wir müssen auf zwei Dinge eingehen. Das Entscheidende, was oft übersehen wird und was heute interessanterweise die israelische linksliberale Tageszeitung Ha'aretz deutlich hervorhebt, ist die Tatsache, dass Israel die Palästinenser seit über 50 Jahren, also einem halben Jahrhundert, besetzt hält.

Helga Baumgarten, Universität Birzeit

Das Boulevardblatt des Verlagshauses Axel Springer warf Baumgarten und dem ZDF daraufhin vor, der "Argumentation von Terroristen eine Bühne verschafft" zu haben. Im Blog Achse des Guten kritisiert ein Autor das ZDF-Interview mit Baumgarten unter dem Titel "Mimimi im 'mima'", in den Kommentaren wird zum Boykott des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgerufen.

Auch Hannes Alpen, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ost-Jerusalem, hatte die jähe Eskalation in Nahost im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg Mitte der Woche mit der "enormen Frustration der Palästinenser" erklärt. Der Vertreter der SPD-nahen Stiftung verwies zugleich darauf, dass Israel Ost-Jerusalem seit 1967 besetzt halte, obgleich dieses Besatzungsregime international nicht anerkannt sei. Seinen Beobachtungen nach provoziere Israel die palästinensische Bevölkerung gezielt, auch im derzeitigen Fastenmonat Ramadan.