Jetzt auch in bunt und queer: Krieg und Militär

Das "M/W/D" ist längst Standard. Genau wie die Behauptung, die Bundeswehr sichere Frieden. Foto: Lupus in Saxonia / CC-BY-SA-4.0

Am Diversity-Aktionstag wollen sich auch die Bundeswehr und der Rüstungskonzern Rheinmetall in Szene setzen. Die Meinungen von Gewerkschaftern, Kriegs- und Rüstungsexportgegnern gehen auseinander

Die Bundeswehr ist mehr als bunt: Auch wenn bis heute Kasernen nach Wehrmachtsgenerälen benannt sind und das Kommando Spezialkräfte (KSK) wegen rechtsextremer Umtriebe, abgezweigter Munition und einer diesbezüglichen "Amnestie" des zuständigen Kommandeurs unter Druck geraten ist, soll kein Zweifel darüber aufkommen, dass das deutsche Militär aus der Geschichte gelernt hat. Schließlich hat das Bundesverteidigungsministerium bereits 2012 die "Charta der Vielfalt" für Diversity in der Arbeitswelt unterzeichnet. "Auch in der Bundeswehr spiegelt sich die Vielfalt der Gesellschaft in großen Teilen wider", erklärte seinerzeit Staatssekretär Thomas Kossendey.

Auch den heutigen Diversity-Aktionstag nutzt die Armee, um ihr Image zu pflegen und junge Menschen aller Hautfarben, Geschlechter und sexuellen Orientierungen für ihre Ziele zu gewinnen.

Stolzer als auf Oberleutnant Franco A., der mit Verkleidung zumindest äußerlich als Syrer durchging und ab Donnerstag in Frankfurt am Main vor Gericht steht, weil er laut Bundesanwaltschaft eine "schwere staatsgefährdende Straftat" vorbereitet haben soll, um den Verdacht auf Geflüchtete zu lenken, dürfte das Diversity-Management der Bundeswehr auf Nariman Hammouti-Reinke sein: Die Soldatin mit marokkanischem Hintergrund schrieb das Buch "Ich diene Deutschland - Ein Plädoyer für die Bundeswehr - und warum sie sich ändern muss".

Oder auf Anastasia Biefang: Ab 2017 kommandierte sie in Storkow als erste Transfrau ein Bataillon, aktuell ist sie Referatsleiterin im Kommando Cyber- und Informationsraum in Bonn. Für den 2019 fertiggestellten Dokumentarfilm "Ich bin Anastasia" hat ein Kamerateam der 1974 geborenen Soldatin beim Leben zugeschaut und war sogar bei der "Schwanz-ab-Party" dabei, die sie am Vorabend der geschlechtsangleichenden Operation mit Partnerin und Freunden feierte - locker, humorvoll und gar nicht militaristisch. Etwas traditioneller wirkte dann der Abschied des frisch verheirateten lesbischen Paares, als Anastasia mal wieder in den Auslandseinsatz ging.

Werbe-Memes mit Sprüchen wie "Bei uns zählt deine Orientierung nur im Gelände" und Wortspielen wie "Queerbeet" hat die Bundeswehr im Vorfeld des heutigen Diversity-Aktionstags prominent bei Facebook platziert. Ganz so, als wolle die Bundeswehr mehr Anastasias und weniger Francos. Letztere dürften sich aber trotzdem zu dieser Armee hingezogen fühlen, solange es nach Hitlers zeitweiligem Lieblingsgeneral Erwin Rommel benannte Kasernen gibt.

Sind nun die Anastasias und Narimans reines "Whitewashing" oder ein unverzichtbares Gegengewicht, wo sich sonst ultrarechte, homophobe rassistische Kräfte breitmachen würden? Und: Was gilt für Rüstungskonzerne, die auch mit Waffenexporten an reaktionärste Regimes Profite machen, sich aber hierzulande mit queeren Angestellten schmücken wollen, die dort Probleme bekämen?

IG Metall begrüßt "jegliche Aktivitäten", die Diversität stärken

Wenn schon Rüstung, dann wenigstens divers - das ist in etwa die Haltung der Gewerkschaft IG Metall, die eigentlich für Friedenspolitik und Abrüstung ist: "Jegliche die Diversität stärkende Aktivitäten sind zu begrüßen", erklärte deren Pressesprecher Artur Siemens am Montag gegenüber Telepolis. Das gelte auch für Unternehmen wie den Rüstungs- und Autokonzern Rheinmetall, der dieses Jahr zum ersten Mal am Diversity-Aktionstag teilnimmt. "Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Abwehr diskriminierender, rassistischer und rechtspopulistischer Einstellungen und Handlungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, einschließlich der Unternehmen notwendig ist", so der IG-Metall-Sprecher.

Rheinmetall erzielte im letzten Jahr 5,88 Milliarden Euro Umsatz - davon rund 63 Prozent im Rüstungsbereich, dieser Anteil soll in den nächsten Jahren auf 70 Prozent gesteigert werden - und beschäftigt weltweit rund 23.000 Menschen, davon 12.500 in 90 ausländischen Standorten in Europa, Asien, Amerika, Afrika und Australien.

Die wachsende Bedeutung der Rüstungsindustrie beruhe vor allem "auf sicherheits- und verteidigungspolitischen Entscheidungen der Bundesrepublik und der Europäischen Union", während die Automobilsparte stark negativ von der Pandemie betroffen sei, gab IG-Metall-Sprecher Siemens zu bedenken.

Diversität, Chancengleichheit, Gleichbehandlung, Antidiskriminierung, Toleranz, Vielfalt und Compliance sind Grundsätze der Unternehmensführung und einer Unternehmenskultur, die branchenunabhängig gerade auch für Unternehmen gelten müssen, die in der wehrtechnischen Industrie tätig sind. Die IG Metall setzt gemeinsam mit den Betriebsräten dafür ein, dass Diversität und gute Arbeitsbedingungen auch bei Rheinmetall herrschen. Hierzu gehören Tarifverträge, und eine ausgeprägte Mitbestimmungskultur, die nicht an den nationalen Grenzen endet.

(Artur Siemens, IG Metall)

"Dilemma liberaler Identitätspolitik" ohne Kritik am System

Der Kommunikationswissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger nimmt dagegen die Perspektive von syrisch-kurdischen Betroffenen deutscher Rüstungsexporte in den Nato-Partnerstaat Türkei ein. In einer Stellungnahme für Telepolis warb der Direktkandidat der Partei Die Linke im Bundestagswahlkreis München-Süd für Aktionen des zivilen Ungehorsams:

Es ist völlig absurd, dass sich Rheinmetall am Diversity-Aktionstag beteiligt - und es zeigt auch das Dilemma liberaler Identitätspolitik, wenn sie nicht mit einer grundsätzlichen Kapitalismuskritik verbunden wird. Der Rüstungskonzern betreibt damit Whitewashing seiner Kriegspolitik. Was ist das für ein Diversity-Verständnis, wenn Panzer von Rheinmetall Aktivistinnen der kurdischen Frauenbewegung in Rojava ermorden? Wenn ihre Raketen Frauenhäuser zerstören? Der PR-Abteilung von Rheinmetall wird es nicht gelingen, ihre mörderische Politik durch eine Teilnahme an solchen Tagen zu übertünchen.

Wirkliche Diversität wird sich nur vor den Toren des Rüstungskonzern finden lassen, wenn wir sie in einer Aktion des zivilen Ungehorsams mal wieder in einer bunten Vielfalt der Friedens- und Antikriegsbewegung blockieren, damit der Tod für einige Stunden aufgehalten wird.

(Kerem Schamberger)

Gemeint sind Aktionen des Bündnisses "Rheinmetall entwaffnen", das schon mehrfach Werkstore des Konzerns blockierte und unter anderem bei der Hauptversammlung 2019 in Berlin die Bühne besetzte. Letzteres war 2020 und 2021 pandemiebedingt nicht möglich. Am 11. Mai fand auch die diesjährige Hauptversammlung digital statt.

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