USA gegen Iran: Keine Atomwaffen für den Störenfried

In Wien vermitteln die EU, China und Russland zwischen Washington und Teheran über eine Neuauflage des Atomabkommens. Die Rollen sind klar verteilt

Atomwaffen in den Händen des Mullah-Staats Iran? Christlicher Gott bewahre! Bei den notorisch friedliebenden Staaten wie USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sind natürlich Nuklear-Sprengköpfe viel besser aufgehoben, wie auch auf dem Wege der "nuklearen Teilhabe" bei den Deutschen. Nicht zu vergessen, Israel, Indien und Pakistan, die die "letzte Waffe" ebenfalls seit Langem besitzen. Zwar herrschen im Nahen Osten und noch etwas weiter östlich kriegerische Zustände. Aber gegen die Gefahr aus dem Iran ist das alles nichts.

Schnitt: Wer denkt denn so? Wer wiegt sich ernsthaft in die Sicherheit, um Weltmacht konkurrierende Staaten würden schon die Finger vom Atom-Knopf lassen? Und fürchtet sich umso mehr davor, dass ein von Feinden eingekreistes und isoliertes mittelgroßes Land seine Nukleartechnik in Richtung Nuklearwaffe weiterentwickelt? Noch dazu, obwohl dieses Land, der Iran, den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat - Israel, Indien und Pakistan aber nicht?

Klingt ein wenig seltsam. Doch das kümmert weder die USA noch die EU. Seit Jahren setzen sie den Iran unter Druck, überziehen den Staat mit Wirtschaftssanktionen und organisieren eine diplomatische Front gegen ihn. Warum sie das tun, lässt schließlich die beschriebenen merkwürdigen Denkweisen gar nicht mehr so merkwürdig erscheinen.

Göttlich legitimierte Herrschaft löst weltliche ab

Die Feindschaft der US-Amerikaner und in ihrem Schlepptau der Europäer gegen den Iran begann mit dem Sturz des von ihnen geschätzten Schahs Reza Pahlavi im Jahr 1979. Die "islamische Revolution" unter Führung von Ayatollah Khomeini machte Schluss mit für den Westen einträglichen Geschäften und mit einer iranischen Herrscher-Clique, die stramm an der Seite der USA stand in ihrer Bekämpfung der Sowjetunion. Und die bei der gewinnbringenden Ausbeutung der Ölvorkommen den großen Rest des Volks leer ausgehen ließ.

Mithilfe des US-Geheimdienstes CIA hatte der Schah 1953 gegen den demokratisch gewählten Premier Mohammad Mossadegh geputscht. Der hatte sich erdreistet, die Ölindustrie zu verstaatlichen, und die US-Amerikaner fürchteten eine iranische Zuwendung zu den Sowjets. (siehe dazu 1953: Irans gestohlene Demokratie)

Den Aufständischen um Khomeini war klar: Der Reichtum von Schah & Co. auf der einen, das Elend der überflüssigen Bevölkerung auf der anderen Seite konnte nur damit zusammenhängen, dass das Land fremdbestimmt wurde. Dazu passte die Unterdrückung der iranischen Opposition und mit ihr des Einflusses der islamischen Religion. Für deren Hauptvertreter, die vom Schah um ihre religiöse Autorität gebrachten islamischen Sittenlehrer, fiel damit der schlechte Zustand von Land und Volk zusammen mit der "gottlosen" Herrschaft. Also galt es, eine wieder "volksgemäße" Herrschaft zu installieren:

Aus der Sicht des Islam geht der Staat nicht aus dem Klassendenken oder der Hegemonie von Individuen bzw. Gruppen hervor, sondern er ist die Umsetzung des politischen Ideals eines in Religion und Denkweise gleich ausgerichteten Volkes, das sich organisiert, um bei dem geistigen und ideologischen Entwicklungsprozess den Weg zu seinem letztendlichen Ziel - den Weg hin zu Gott - zu ebnen.

Iranische Verfassung, Präambel

An die Stelle einer weltlichen tritt somit eine durch Gott legitimierte Herrschaft. Ihr gegenüber sind alle verpflichtet, Arbeiter und Angestellte, Beamte und Soldaten, Bauern und Unternehmer. Die kapitalistische Wirtschaftsweise und das Geldsystem ändern die Mullahs nicht. Sie wollen weiter an der Weltwirtschaft teilnehmen und Einnahmen vor allem durch den Verkauf von Erdöl und Erdgas erzielen. Für das Gros der Bevölkerung bricht daher trotz der Genehmigung von ganz oben nicht das Paradies auf Erden aus.

Immerhin aber hat der Iran mit den verstaatlichten Einkünften ein umfassendes Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystem aufgebaut. Auch technologisch wurden stattliche Fortschritte seit dem Sturz des Schahs erzielt, vom Aufbau einer Industrie bis hin zur Beherrschung der Nukleartechnik.

Bei der Errichtung der politischen Institutionen und der Fundamente zum Aufbau der Gesellschaft werden die aufgrund der Glaubensüberzeugung Rechtschaffenen die Staatsführung und die Verwaltung des Landes übernehmen.

Iranische Verfassung, Präambel

Ein guter Iraner ist fortan ein gläubiger Iraner, denn er lebt und arbeitet nach den Sitten des schiitischen Islam und weiß sich eins mit seinen religiösen Führern, die den Staat im Sinne der Religion leiten. Natürlich ein Ideal, aber eine klare Ansage: Wer sich nicht an unsere Verfassung hält, bekommt mit uns ein ernstes Problem. Was allerdings keine iranische Besonderheit ist. Einen Verfassungsschutz unterhalten andere Länder bekanntlich auch.

Die neue nationale Identität richtet sich klar gegen ihren Vorläufer und damit gegen dessen weltliche, nicht islamische Ausrichtung, fremdbestimmt durch Mächte von außen, allen voran die USA. Mit dieser Absage an die führende Weltmacht handelte sich der Iran sofort deren Feindschaft ein – was gar nicht selbstverständlich ist: Es ist eine Sache, zwischenstaatliche Beziehungen herunterzufahren oder einzufrieren. Es ist eine andere Sache, dies als Grund für eine dauerhafte Kriegserklärung zu nehmen.

So sahen und sehen das jedenfalls die USA. Offenbar stört am Iran mehr als nur seine islamische Verfassung. Zumal die US-Amerikaner keine Berührungsprobleme haben mit Diktaturen, Königreichen, Scheichtümern und sonstigen Staaten, die mit westlicher Demokratie wenig am Hut haben. Sie müssen nur für Geschäft und Gewalt der USA nützlich sein. Wenn nicht, kann dann aber doch die undemokratische Verfassung inklusive Menschenrechte ins Visier geraten.