Zum Weltnichtrauchertag im zweiten Jahr der Coronavirus-Pandemie

Neue Studie: Tabakrauchen verursacht weltweit 7,69 Millionen Todesfälle und 200 Millionen verlorene gesunde Lebensjahre (DALY)

Während es sich bei der Coronavirus-Pandemie wahrscheinlich um eine Naturkatastrophe mit gravierenden sozialen Folgenerscheinungen handelt, ist die weltweite Zigarettenkatastrophe von A bis Z menschengemacht. Das habe ich in einem früheren Telepolis-Artikel ("Gedanken über die Zigarettenkatastrophe in Zeiten der Coronavirus-Pandemie") dargestellt. Verursacher ist die Tabakindustrie, die aus Profitgründen ein höchst gesundheitsschädliches Artefakt, das zugleich abhängig macht, mit aller Werbungsmacht weltweit auf den Markt bringt.

Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den Auswirkungen der seit 2020 das Leben vieler Menschen stark beeinträchtigenden Coronavirus-Pandemie und der seit über 100 Jahren zu beobachteten Zigarettenkatastrophe?

Eine Antwort betrifft die Zahl der jährlichen weltweiten Todesfälle, die in einer vergleichbaren Größenordnung liegen dürfte. So ist auf dem Dashboard der Johns-Hopkins-University verzeichnet, dass bisher ca. 3,7 Millionen Menschen weltweit im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstorben sind. Auf Deutschland entfallen dabei bis heute etwa 89.200 Todesfälle.

Der Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn hat am 8.5.2021 in einem Artikel darauf hingewiesen, dass es gute Gründe für viele weitere versteckte Corona-Tote gibt. Er zitiert die kürzlich veröffentlichte IHME-Studie aus den USA, nach der Wissenschaftler die weltweite Zahl der Corona-Toten Anfang Mai 2021 fast doppelt so hoch einschätzen und eine Zahl von 6,9 Millionen Menschen nennen, die bis zu diesem Zeitpunkt am Coronavirus verstorben sind.1 Auch in Deutschland können laut IHME zu der oben genannten Zahl noch knapp 40.000 weitere Todesfälle dazu gerechnet werden.

Vor einigen Tagen ist nun in der Wissenschaftszeitschrift The Lancet eine sehr umfangreiche Studie über die weltweiten Auswirkungen des Tabakrauchens veröffentlicht worden, an der mehr als 100 Wissenschaftler aus vielen Ländern beteiligt waren.2

Auf der Basis der Global Burden of Disease Study 2019 beschreibt diese Studie das räumliche, zeitliche und demografische Muster der Prävalenz des Tabakkonsums und die durch das Rauchen verursachte Krankheitslast in 204 Ländern und Gebieten in der Zeit von 1990 bis 2019. Auf diese einzigartige neue wissenschaftliche Untersuchung möchte ich aus Anlass des diesjährigen Weltnichtrauchertages am 31.5.2021 aufmerksam machen.

Weltweit stirbt jeder fünfte Mann an den Folgen des Tabakrauchens

In der Zusammenfassung dieser großen Studie heißt es, dass die Beendigung der weltweiten Tabakepidemie eine entscheidende Herausforderung für die globale Gesundheit ist. Die umfassende Einschätzung der Prävalenz des Tabakkonsums im zeitlichen Verlauf und der dadurch bedingten Krankheitslast ist erforderlich, um die Bemühungen zur Eindämmung des Tabakkonsums auf nationaler und globaler Ebene zu unterstützen.

Die Untersuchung hat ergeben, dass weltweit im Jahr 2019 1,14 Milliarden Menschen aktuelle Raucher waren. 7,41 Billionen Tabakzigaretten wurden von ihnen in diesem Jahr konsumiert. Obwohl die Prävalenz des Rauchens seit 1990 sowohl bei den Männern und Frauen im Alter von 15 Jahren und älter um 27,5 Prozent beziehungsweise 37,7 Prozent deutlich abgenommen hat, ist es aufgrund des Bevölkerungswachstum trotzdem zu einem signifikanten Anstieg der Zahl der Raucher im Vergleich zu 1990 gekommen.

2019 entfielen weltweit 7,69 Millionen Todesfälle auf den Tabakkonsum. Diese Zahl übertrifft die offizielle Zahl der bisherigen weltweiten Todesfälle im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie um mehr als das Doppelte und auch die oben angegebene IHME-Schätzzahl der Corona-Toten noch deutlich.

Weiterhin ergab die Analyse den Verlust von 200 Millionen DALY (disability-adjusted life years; deutsch: verlorene gesunde Lebensjahre) bei Rauchern. Tabakrauchen war der führende Risikofaktor für den Tod bei Männern (20,2 Prozent der männlichen Todesfälle). 6,68 Millionen der 7,69 Millionen Todesfälle, die auf den Konsum von Tabak zurückzuführen waren, ereigneten sich 2019 bei derzeitigen Rauchern.

Ohne Intervention wird die jährliche Zahl von 7,69 Millionen Todesfällen und 200 Millionen verlorenen Lebensjahren in den kommenden Jahrzehnten noch weiter zunehmen. Erhebliche Fortschritte bei der Verringerung der Prävalenz des Tabakkonsums sind in Ländern aller Regionen und unterschiedlicher Entwicklungsstadien festzustellen. Aber bei der Eindämmung des Tabakkonsums bestehen in vielen Ländern nach wie vor eine große Umsetzungslücken.

In Europa zählt zu diesen Ländern ganz besonders auch Deutschland. In meinem oben genannten Telepolis-Artikel war ich zu der folgenden abschließenden Einschätzung gekommen:

"Deutschland liegt bei der Tabakkontrolle derzeit noch auf dem letzten Platz in Europa. Laut einer 2017 veröffentlichten eindrucksvollen globalen Studie im renommierten Wissenschaftsmagazin Lancet befindet sich Deutschland mit 16,3 Millionen Rauchern unter den Top Ten der Staaten mit den meisten Rauchern weltweit. In Deutschland sind täglich mehr als 300 Todesfälle durch Rauchen zu verzeichnen, und es stirbt jeder Siebte am Rauchen - damit liegt Deutschland über dem weltweiten Durchschnitt."

An dieser betrüblichen Diagnose hat sich auch während der letzten 6 Monate der Coronavirus-Pandemie nichts Wesentliches geändert. Deshalb hat die Deutsche Krebshilfe den diesjährigen Weltnichtrauchertag unter das Motto "Qualmst Du noch? - Ich hör auf!" gestellt und gibt Tipps, wie man mit dem Rauchen aufzuhören kann. Das möchten viele Raucherinnen und Raucher - gerade jetzt in Zeiten der Pandemie.

Wer raucht, schadet seiner Gesundheit und hat ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf im Falle einer Covid-19-Infektion.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.