Grüne im Kampfmodus: Wer nicht für sie ist, ist für den Iwan

Logik der Feindbegünstigung: Warum die Spitze der ehemaligen Friedens- und Ökopartei ihren außenpolitischen Kurs für unangreifbar hält

Spitzen-Grüne halten Deutschland für so gründlich geläutert, dass es moralisch gesehen schon fast wieder Krieg gegen Russland führen könnte - und sie lassen kaum eine Gelegenheit aus, das zu verdeutlichen. Vor allzu scharfem Gegenwind schützen sie sich dabei mit einem uralten Trick, der im Kalten Krieg genauso gut funktioniert hat wie kurz vor heißen Kriegen oder mittendrin: Wer nicht für sie ist, ist für den Tyrannen im Ausland. Für die SPD-Spitze war das 1914 der russische Zar, für die Grünen ist es heute der russische Präsident Wladimir Putin.

Schon Wochen vor der Fotosession des Grünen-Chefs Robert Habeck mit Stahlhelm in der Nähe der russischen Grenze hat dessen Vorgänger Cem Özdemir klargestellt, dass Kritik an den außenpolitischen Positionen der Grünen im Zweifel immer als Feindbegünstigung zu werten ist: "Um die Grünen in der Regierung zu verhindern, ist dem Kreml jedes Mittel zuzutrauen. Ich kann allen Demokratinnen und Demokraten nur raten, sich nicht an Putins schmutziger Kampagne zu beteiligen", sagte Özdemir der Bild. Und überhaupt: "Der Deutsche Bundestag wird in Deutschland gewählt, den Wahlkampf tragen wir bitte hier aus und nicht in Moskau, Ankara oder Peking", so Özdemir weiter.

Als Quelle dafür, dass die russische Einflussnahme über Kommentierungen hinausgehe, die auch deutsche Politiker und Medien zu Wahlen in Russland abgeben, wurde in dem Artikel der langjährige "Kreml-Kritiker" und frühere Oligarch Michail Chodorkowski genannt. Warum dieser bis heute über Insider-Informationen aus dem Kreml oder dem russischen Geheimdienst verfügen soll, blieb unklar.

Präventive Diffamierung

Aber darum ging es auch gar nicht, sondern darum, notfalls jede Kritik als "Kreml-Propaganda" abtun zu können - und deren Urheber bestenfalls als nützliche Idioten, wenn nicht gleich als Agenten darzustellen. Der Fraktionschef der Partei Die Linke im Bundestag, Dietmar Bartsch, traute sich dennoch zu twittern, dass Habecks Stahlhelm-Auftritt während seines Besuchs bei prowestlichen Regierungstruppen in der Ostukraine "angesichts unserer Geschichte unangemessen" und "grotesk" sei.

Hobbypsychologen und Radikalfeministinnen könnten die mackerhaft-militaristische Performance des Grünen-Chefs in der Ukraine zwar mit einer ganz banalen Kränkung seines Egos erklären, weil sein Verzicht auf die Kanzlerkandidatur zugunsten seiner Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock wohl nicht zu 100 Prozent aus freien Stücken erfolgt war. Auch Erwägungen des Parteivorstands zur Imagepflege - oder nach Baerbocks Worten "die Frage der Emanzipation" - hatten rund 16 Jahre nach der Kür der ersten Kanzlerkandidatin der CDU eine Rolle gespielt. Allerdings verstößt Habecks Auftritt keineswegs grundsätzlich gegen die Parteilinie der Grünen - und Baerbock steht ihm tatsächlich nichts nach, wenn es um die Konfrontation mit Russland geht.

Baerbocks Opa und die Friedensmacht Europa

Im Rahmen der Nato ist das für sie okay. Am 6. Mai brachte sie im Talk mit dem US-Thinktank "Atlantic Council" aber auch bedenkenlos ihren Großvater ins Spiel, der demnach 1945 als Wehrmachtssoldat an der Oder gekämpft hatte. Im Jahr 2004 habe sie auf einer Brücke über genau diesem Fluss erlebt, wie ihr Parteifreund Joschka Fischer als damaliger Außenminister und sein polnischer Amtskollege die "Wiedervereinigung Europas erneut gefeiert" hätten. Beim damaligen Festakt zur EU-Osterweiterung habe sie gedacht: "Wow, wir stehen nicht nur auf den Schultern von Joschka Fischer, sondern auch auf denen unserer Großeltern." Denn die hätten ermöglicht, dass einst verfeindete Länder nun in Frieden und Freundschaft leben könnten.

Auf dieser Basis erklärt sie also das heutige Europa zur Friedensmacht, tritt für gezielte Investitionen in die Bundeswehr ein, die bis heute nicht alle Kasernen umbenennen will, die nach Wehrmachtsgrößen benannt sind, und eiert in Talkshows herum, wenn es um Habecks Forderung nach Waffenlieferungen für die Ukraine geht.

Als Distanzierung vom deutschen Größenwahn der Vergangenheit reicht nach Meinung der Spitzen-Grünen ein Bekenntnis zum westlichen Größenwahn in Gestalt der Nato, wie es Habeck bereits von möglichen Koalitionspartnern gefordert hat. Wer mit den großen Hunden pinkeln will, muss da wohl mitspielen. Vor der ehemaligen Friedens- und Ökopartei müssen jedenfalls die Lobbyisten großer Rüstungskonzerne keine Angst haben. Im Gegenteil.

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