Über 50° Celsius im Nahen Osten

Frühe Rekordhitzewelle macht auf Klimaveränderungen in Krisenregionen aufmerksam

Die heißen Monate kommen erst noch, die erste Hitzewelle im Nahen Osten, die auch Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan erfasste, ist jedoch schon da.

Temperaturen über 50 Grad Celsius wurden am vergangenen Samstag im iranischen Südwesten, in Omidiyeh und Abadan, gemessen, in Sweihan, Vereinigte Arabische Emirate, 50 Kilometer östlich von Abu Dhabi, wo für heute 44 Grad Celsius angegeben werden, die sich wie 48° anfühlen, al-Jarah, eine Küstenstadt in Kuwait, in as-Sunaynah in Oman sowie in Sibi in der pakistanischen Provinz Belutschistan, die an Iran grenzt.

Hitze sei die tödlichste Art von Wetter und die Zahl der Opfer, die sie verursache, übertreffe die der großen Katastrophen wie Hurrikane, Tornados, Überschwemmungen und Waldbrände, kommentiert die Washington Post dieses extreme Hitze-Wetter. Das mag bei manchen die Lust nach kühleren Einschätzungen wecken, zumal der Autor Matthew Cappucci, Meteorologe und Mitglied der "Capital Weather Gang", die das Wetter für die US-Zeitung examiniert, selbstverständlich den Klimawandel als Grund für die spektakulär frühe Hitzewelle anführt.

Aber: An dem Phänomen selbst ist nicht zu rütteln; es kommt ungewöhnlich früh. "Diese extreme Hitze kommt einen vollen Monat, bevor die hohen Temperaturen ihren jährlichen durchschnittlichen Höchststand erreichen". Auch Kollegen von Cappucci, wie etwa Etienne Kapikian, Meteorologe bei MeteoFrance, stellen die 51,1°, die in Sweihan/VAE gemessen wurden, als "heißeste Juni-Temperatur, die jemals in den Vereinigten Arabischen Emiraten gemessen wurde" heraus. Der Nahe Osten und Zentralasien befänden sich in der größten Hitzewelle der Geschichte für diese Jahreszeit, so Max Herrera, der auf Twitter Nachrichten über "extreme Temperaturen weltweit" mitteilt.

Was die Auswirkungen der Hitze angeht, sei zur Erinnerung erwähnt, dass im extrem heißen Sommer 2003 in Europa 70.000 Menschen starben. Besonders gefährdet sind immer Alte und Kinder und natürlich spielt Armut und der Zustand des Gesundheitssystems eine wesentliche Rolle.

Dass Temperaturen über 50° Celsius an die Grenze des menschlich Erträglichen gehen, muss nicht eigens betont werden. Darüber gibt es sogar hierzulande regelmäßig Frage- und Antwort-Beiträge in den Medien, wenn deutsche Sommer Hitzerekorde erreichen. Im Nahen Osten ist die Frage, wie das auszuhalten ist und was dies für Ernten und Lebensbedingungen bedeutet (Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche Iraks nicht mehr nutzbar), sehr viel drängender, auch was die Aussichten betrifft, wonach solche Hitzegrade sich durch den Klimawandel wahrscheinlich häufen und das Leben in den Krisenzonen noch mehr belasten.

Schaut man sich die Übersicht Herraras zur Hitzewelle am vergangenen Samstag abseits der Rekordorte in den VAE, in Kuwait, Iran oder Pakistan an, so erkennt man, dass die Temperaturen im südlichen Irak zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nahe bei der 50°Celsius-Grad-Marke lagen. Heute werden für Basra 45° Grad Celsius gemeldet, die sich angeblich wie 44° Grad anfühlen. Accu Weather bringt dazu ein Infokästchen "Unhealthy" ("ungesund").

Wie manche Leserinnen und Leser wissen, kommt es mit großer Regelmäßigkeit im Sommer im Süden Iraks zu Protesten, die mit der Hitze und der mangelnden Stromversorgung, die zu Ausfällen der Klimaanlagen führt, zu tun haben und Korruption, Misswirtschaft und das politische System anklagen. Die Revolten sind nicht leicht zu bändigen, die Gefahr, dass sie sich ausweiten und Spannungen innerhalb der Bevölkerung anheizen (was dann auch von außen unterstützt werden kann), ist immer gegeben.

Es zeigt sich bei solchen Eruptionen, dass es der Jugend seit Jahren an Perspektiven mangelt. Das Thema wird dann meist akut angesprochen - und je nach Grad der Entrüstung kann dies auch zu veritablen Regierungskrisen führen -, aber wirklich gelöst wurde das Problem der Jugendarbeitslosigkeit, der Korruption und der schlechten Wirtschaftslage nicht (Irak: Proteste eskalieren, Irak: Die Jugend stellt die Systemfrage).

Bislang waren Auswirkungen des Klimawandels eher ein Nebenthema, wenn es um Konflikte im Nahen Osten ging (Enormes Bevölkerungswachstum und ein großes Wasserproblem). Nicht selten wurden im Gegenteil solche Erklärungen etwa für den Ausbruch der syrischen Aufstände im Jahr 2011, die zu den langen Kriegen im Land führten, als Ablenkung kritisiert.

Begründet wurde diese Auffassung damit, dass diese Erklärungen die Rolle der geopolitischen Interessen und der Einflussmächte, die von außen auf einen Regime Change drängten, herunterspielen würden. Diese Sichtweise könnte sich als zu eng herausstellen, je mehr sich Extrem-Wetterereignisse in der Region bemerkbar machen.