Kinderarbeit nimmt wieder zu

Schlechte Aussichten für Bildung – Kinderarbeit nimmt zu. Bild: billycm, Pixabay

Weltweit müssen rund 160 Millionen Minderjährige zu Lasten ihrer Entwicklung arbeiten. Experten befürchten Zuspitzung durch Corona-Maßnahmen

Nach einer neuen Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und dem UN-Kinderhilfswerk Unicef ist die Zahl der zur Arbeit gezwungenen Kinder erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder angestiegen. Derzeit müssten weltweit schätzungsweise 160 Millionen Minderjährige zwischen fünf und 17 Jahren einer Erwerbstätigkeit nachgehen, heißt es in einem Bericht der beiden Organisationen. Das Papier wurde kurz vor dem Welttag gegen Kinderarbeit am kommenden Samstag vorgestellt. ILO und Unicef weisen darauf hin, dass erzwungene Arbeit der kindlichen Entwicklung empfindlich schädigen kann.

Die Zahl der arbeitenden Kinder sei seit dem Jahr 2016 um 8,7 Millionen gestiegen, heißt es in dem Bericht weiter. ILO und Unicef untersuchen die Situation der Kinderarbeit alle vier Jahre.

Der nun festgestellte Trend ist jedoch nicht auf die weltweite Corona-Pandemie zurückzuführen, die vor allem in den Ländern des Globalen Südens Arbeitsverhältnissen geschadet hat und Einkommensquellen hat versiegen lassen. Erste Analysen lassen vermuten, dass die Einbrüche der Arbeitsmärkte auch arbeitende Kinder zunächst gezwungen hat, zu Hause zu bleiben.

Auf lange Sicht aber dürften die wirtschaftlichen Probleme in Folge von Lockdowns und anderen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Corona-Virus Kinder wieder verstärkt zur Arbeit zwingen. Angesichts allgemein zunehmender Armut könnten, so prognostizieren ILO und Unicef, bis Ende des kommenden Jahres weitere neun Millionen Kinder zur Erwerbstätigkeit gezwungen werden.

"Im zweiten Jahr mit Lockdowns, geschlossenen Schulen, wirtschaftlichen Einbrüchen und geringeren nationalen Haushaltsbudgets stehen manche Familien vor einer herzzerreißenden Wahl", schilderte die Vorsitzende des Kinderhilfswerks Unicef, Henrietta Fore, die Lage. Gerade in ärmeren Ländern seien Familien oft gezwungen, ihre Kinder arbeiten zu lassen, um nicht Hunger leiden zu müssen. Fore rief Regierungen und die Entwicklungshilfe auf, Minderjährigen ihr Recht auf eine unversehrte Kindheit und Bildung zu garantieren.

Nicht jede Arbeit ist Kinderarbeit

Die ILO definiert Kinderarbeit als erzwungene Tätigkeit, die Minderjährigen ihrer Kindheit, ihrer Entwicklungschancen und ihrer Würde beraubt sowie körperlicher und geistiger Entwicklung schadet. Dabei geht es explizit nicht darum, dass Kinder im Haushalt helfen oder im Rahmen ihrer Möglichkeiten in Familienunternehmen tätig sind.

Zu kritisieren sei vielmehr Arbeit, die Kinder geistig, körperlich, sozial oder moralisch gefährdet und ihrer Bildung schadet, indem ihnen die Möglichkeit genommen wird, die Schule zu besuchen oder sie dazu zwingt, die Schule vorzeitig zu verlassen.

"Ob bestimmte Arbeitsformen als Kinderarbeit bezeichnet werden können oder nicht, hängt vom Alter des Kindes, der Art und den Stunden der geleisteten Arbeit, den Bedingungen, unter denen sie ausgeführt wird, und den von den einzelnen Ländern verfolgten Zielen ab", erklärt die Organisation. Die Antwort variiere von Land zu Land und hänge von der Branche ab.

So hatte im Jahr 2014 eine Debatte um Legalisierung von Kinderarbeit in Bolivien in der internationalen Presse für teils heftige Reaktionen gesorgt. Damals hatten sich in Deutschland die Botschaft des südamerikanischen Landes sowie Kinder- und Menschenrechtsorganisationen zu Wort gemeldet _ mit differenzierten Urteilen.

Anlass war eine im bolivianischen Parlament debattierte Gesetzesnovelle, die Arbeit von Mädchen und Jungen ab zehn Jahre erlauben sollte. 2018 dann wurde das Vorhaben zurückgezogen, nachdem die USA dem südamerikanischen Land mit empfindlichen Strafen gedroht hatten.

So liegt das Mindestalter für Erwerbsarbeit in Bolivien weiterhin bei 14 Jahren. Aus der Armut heraus, weil sie Waisen sind, oder auch aufgrund von Gewalt in der Familie sind in Bolivien viele Minderjährige dazu gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen. Das damals debattierte Gesetz zielte darauf ab, Kinder auch ab zehn Jahren legal arbeiten zu lassen, sofern dies freiwillig geschehe und die Eltern zustimmen. Danach hätte das Arbeitsministerium den Antrag geprüft, erläuterte Senator Adolfo Mendoza, einer der Initiatoren der Gesetzesnovelle.

"Das Gesetz verlangt allerdings, dass diese Arbeit weder die physische noch die psychische Gesundheit des Kindes gefährdet, um die Ausbeutung der Kinder zu verhindern", hieß es in einer Stellungnahme der Botschaft des südamerikanischen Staates in Deutschland. Besonders war damals auch, dass Organisationen von Kinderarbeitern die Legalisierung selbst gefordert hatten, um ihre Arbeitsrechte einklagen zu können.