Freiheit für Roman und Julian!

Ob weißrussischer Blogger oder WikiLeaks-Gründer: Telepolis-Autor Sies will beide in Freiheit sehen. Bild: pxhere, CC0

Weißrussischer Politblogger Protassewitsch in Minsk in Folterhaft, WikiLeaks-Gründer Assange seit 2019 in London. Beide verdienen Mitgefühl und Hilfe

London, Juni 2021. Im Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh, dem "britischen Guantánamo", wird der wohl bislang bedeutendste Journalist des 21. Jahrhunderts, Julian Assange, im dritten Jahr gefangen gehalten. Er ist auch inhaftiert, weil er die Foltermethoden des echten Gefangenenlagers Guantánamo enthüllte, jenem US-Gulag also, den der ehemalige US-Präsident Barack Obama eigentlich schließen wollte.

Aber nicht die verantwortlichen in den USA, sondern Assange wurde angeklagt: wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente - gutes Recht von Enthüllungsjournalisten - und wegen angeblicher Verstöße gegen das Anti-Spionage"-Gesetz, eines Relikts aus Zeiten des Ersten Weltkriegs.

Es ist ein politischer Prozess gegen einen kritischen Journalisten, der als politischer Gefangener in einem absurden Schauprozess abgeurteilt werden soll. An ihm soll ein brutales Exempel statuiert werden, zur Einschüchterung aller Journalisten, aller kritischen Medien, aller Whistleblower, die es wagen ihre Stimme gegen die Machenschaften der Machteliten des Westens zu erheben. Jener Machteliten, die ihren Deep State durch beflissene Leitmedien zur Verschwörungstheorie erklären und ihre von Assange enthüllten Kriegsverbrechen vertuschen wollen.

Seit zwei Jahren macht eine befangene britische Justiz dem kritischen Journalisten Assange einen skandalösen politischen Prozess. Und wo blieben unsere Leitmedien? Bei ihrer Propagandaphrase vom Vergewaltigungsverdacht gegen den Dissidenten Assange.

Durch systematisch verwirrende Berichterstattung über die Assange-Enthüllungen des UN-Sonderberichterstatters zum Thema Folter, Nils Melzer, droht der Kern seiner Botschaft unterzugehen: Die schwedische Justiz hat 2010 gezielt Beweise gefälscht und Zeugenaussagen manipulierte, um einen Vergewaltigungsverdacht gegen Julian Assange überhaupt erst zu konstruieren.

Der Schweizer Melzer spricht fließend Schwedisch und arbeitete sich durch die schwedischen Akten zum Fall Assange. Doch sein Fazit wollte in den Leitmedien kaum jemand hören. Erst mühsam kämpfte er sich durch Netzmedien wenigstens an den Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit. Jetzt legte er ein Buch vor, das seine Arbeit akribisch beschreibt, "Der Fall Julian Assange: Geschichte einer Verfolgung", und folgert auf den Seiten 320 und 321:

Der eigentliche Zweck der Verfolgung von Assange ist nicht in erster Linie die persönliche Bestrafung von Assange, sondern die Etablierung eines Präzedenzfalles mit globaler Abschreckungswirkung für andere Journalisten, Publizisten und Aktivisten, um künftig weltweit jeden strafrechtlich verfolgen zu können, der es wagen sollte, die schmutzigen Geheimnisse der Regierungen ans Licht der Öffentlichkeit zu ziehen.

Melzer kritisiert die Leitmedien. Zwar würden einige Meinungsbeiträge halbherzig Partei für Assange ergreifen und auch die Gefahr für die Pressefreiheit anerkennen, "doch kein einziges Medienhaus protestiert gegen die den ganzen Fall durchziehende Justizwillkür" (S.312). Die Justizwillkür zeige sich in der britischen Willfährigkeit gegenüber der US-Anklage vor dem Londoner Gericht:

Schritt für Schritt wurden auch die abwegigsten Argumente der USA kritiklos bestätigt. Gleichzeitig, fast wie im Vorbeigehen, wischte Bezirksrichterin Baraitser sowohl die rechtlichen Einwände als auch die entlastenden Gutachten und Zeugenaussagen der Verteidigung ohne viel Federlesens vom Tisch.

Der Fall Julian Assange: Geschichte einer Verfolgung, S.318