Wie viel Klimaschutz bieten die Grünen?

Bild: Larisa Koshkina/Pixabay

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Hitzewellen, Risikoanalysen, frauenfeindlichen Schlammschlachten der politischen Rechten sowie einem grünen Wahlprogramm, das viele Fragen offen lässt

Es wird heißer. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat einen Ausblick auf das Klima der gerade begonnenen Dekade gewagt. Demnach werden die Jahre bis 2025 einschließlich 0,5 bis 1 Grad Celsius wärmer als das Mittel der Jahre 1991 bis 2020 ausfallen. Danach werde der Erwärmungstrend anhalten. Die Niederschläge würden weiter abnehmen, besonders stark in Westdeutschland, doch für diese sei die Vorhersagequalität deutlich schlechter als für die Temperatur.

Zum Ende des Jahrzehnts könnte die Jahresmitteltemperatur vor allem im Südosten und Südwesten um mehr als zwei Grad Celsius über dem Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 liegen. In der soeben vom DWD veröffentlichten neusten Version des Klimaatlas für Deutschland lässt sich zudem nachvollziehen, wie stark sich Temperatur und Niederschlag bereits in den letzten Jahrzehnten verändert haben.

Unter anderem kann man sehen, wie sehr in den einzelnen Regionen die Zahl der heißen Tage zugenommen hat, also jener Tage, an denen das Thermometer auf mindestens 30 Grad Celsius klettert. In Teilen Berlins und des südlichen Brandenburgs wurde es zwischen 1971 und 2000 im Durchschnitt an acht bis zehn Tagen so heiß. 2019 war dies hingegen an je nach Ort an 24 bis 33 Tagen der Fall. Der ebenfalls dargestellte Trend zeigt eindeutig nach oben.

Solche Hitzetage stehen weiten Teilen Deutschlands auch in den nächsten Tagen bevor. Noch vor dem kalendarischen Sommerbeginn startet in Mitteleuropa am morgigen Donnerstag die erste kleine Hitzewelle, wie die unten abgebildete Vorhersagekarte zeigt.

Vorhersage für den 17. Juni, 16 Uhr MESZ mit einem numerischen Modell der US-Behörde für Meteorologie und Ozeanographie NOAA

Risikoanalyse

Seit 1881, dem ersten Jahr, für das aus Deutschland genug Messungen vorliegen, um daraus einen Mittelwert über das ganze Land zu bilden, ist hierzulande die Temperatur übrigens bereits um 1,6 Grad Celsius gestiegen, der Erwärmung ist hierzulande also stärker als im globalen Mittel. Darauf wies Tobais Fuchs vom Deutschen Wetterdienst bei der Vorstellung der gemeinsam mit dem Umweltbundesamt erstellten "Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes" hin.

Die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre steige ungebremst und die Folgen seien deutlich zu spüren. Die Zahl der Hitzetage mit Höchsttemperaturen über 30 Grad Celsius habe sich zum Beispiel bereits fast verdreifacht und in den Wintern hätten sich die Niederschläge um 27 Prozent erhöht.

Die durchgerechneten Szenarien zeigten, dass die Temperaturen bis zur Mitte des Jahrhunderts schlimmstenfalls um weitere 0,7 bis 1,4 Grad Celsius zulegen werden. Steigen die Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten weiter kontinuierlich und stabilisieren sich erst zum Ende des 21. Jahrhunderts auf einem sehr hohen Niveau, ist hierzulande dann mit einer Erwärmung um 3,9 bis 5,5 Grad Celsius im Vergleich zu den Verhältnissen Ende des 19. Jahrhunderts zu rechnen.

Die Auswirkungen wären vielfältig. In der Risikoanalyse - hier die Zusammenfassung - wurden über 100 von ihnen samt der zu erwartenden Wechselwirkungen untersucht. Bei rund 30 habe sich ein sehr dringender Handlungsbedarf ergeben. Besonders in den Städten sei mit tödlichen Hitzebelastungen zu rechnen. Ein wärmeres Klima wird nicht nur zur Einwanderung neuer Arten, sondern auch zu der von Krankheitserregern führen.

Die Niederschläge werden sich anders, sozusagen extremer verteilen. Das wärmere Klima macht einerseits Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser mit den entsprechenden Gefahren für Gebäude und Infrastruktur wahrscheinlicher. Zum anderen wird es auch vermehrt niederschlagsarme Zeiten wie seit 2018 geben. Der resultierende Wassermangel führt dann zu niedrigen Wasserständen in den Böden wie in den Flüssen und damit zu schwerwiegenden Folgen für Ökosysteme, Land- und Forstwirtschaft, Trinkwasserversorgung, sowie den Warentransport auf Flüssen und Kanälen.

Zum Ende des Jahrhunderts könnten einige Risiken in Deutschland so stark ansteigen, dass sie nur durch tiefgreifende Vorsorgemaßnahmen reduziert werden können. Wir müssen jetzt handeln. Dazu gehört die konsequente Umsetzung naturbasierter Maßnahmen, auch beim Hochwasser- und Küstenschutz, wie Auenrenaturierung. Parallel müssen wir die Verschmutzung und Übernutzung von Wasser, Boden und Luft drastisch verringern, und in eine massive Begrünung von Freiflächen und Gebäuden investieren.

Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes

Die Landschaften und Städte müssten so umgebaut werden, dass sie sich bei Hochwasser wie Schwämme vollsaugen können, ohne dass Schäden an Infrastruktur, Ökosystemen und Häusern entstehen. Dafür müssten asphaltierte Flächen verkleinert oder mit durchlässigen Baustoffen ersetzt, Freiflächen und Begrünung geschaffen und der Flächenverbrauch so schnell wie möglich reduzier werden. Vieles davon würde zugleich die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen verbessern, so Messner.

Kein Interesse an Vorsorge

Es sind also ziemlich ungemütliche Aussichten, die da der Welt im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen drohen, und da fragen sich die geneigte Leserin und der geneigte Leser natürlich, was Politikerinnen und Politiker an Vorsorge und Abwehr dagegen auffahren.

Nun, die Mächtigen dieser Welt, die sich mit ihren engen Freunden in Kolumbien, der Türkei und Saudi-Arabien für das Bollwerk von Demokratie, Toleranz und Zivilisation halten, haben auf ihrem Gipfel im britischen Cornwall einmal mehr deutlich gemacht, dass sie die große Klimakrise irgendwie aussitzen und sich ansonsten vor allem in den drohenden Wirren militärisch behaupten wollen.

Und die hiesige Opposition? Das Ressort Klimaschutz wird ja in der Öffentlichkeit ganz bei den Grünen gesehen, und die haben am Wochenende ihr Programm für die Bundestagswahl verabschiedet. Doch konservative Politiker und Medien sprechen nicht gerne über Klimaschutz.

Schon seit Wochen läuft daher ein wahres Feuerwerk frauenfeindlicher Anwürfe aus der rechten Ecke gegen die grüne Ko-Vorsitzende Annalena Baerbock, die von ihrer Partei nahezu einstimmig zur Kanzlerkandidatin gekürt wurde. Neben den dümmlichen, eher aus den 1960-er Jahren stammenden Sticheleien und Nachfragen, die Baerbocks Rolle eher bei ihren Kindern oder der Versorgung ihres Ehemanns sehen, hat man sich zuletzt Unstimmigkeiten in ihrem Lebenslauf vorgenommen.

Beteiligt haben sich an diesen misogynen Kampagnen auch Politiker von CDU, CSU und FDP, von Parteien also, die einst im Westen und auch im Osten als Auffangbecken für das Personal mit der großen 12-jährigen Lücke im Lebenslauf dienten.

Diskurs-Vergifter

Getoppt wurde das Ganze dann noch mit einer Anzeigen-Kampagne der sogenannten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eines Lobbyvereins von Gesamtmetall, dem Verein der großen Konzerne der Metall und Elektroindustrie. Von diesem kommen nach INSM-Angaben die Gelder. Also auch von BMW, Daimler und VW, den Großen in der deutschen Industrie.

Aufgefallen ist der Verein in der Vergangenheit vor allem mit Kampagnen für ein höheres Renteneintrittsalter, gegen Grundrente und Pflegeversicherung, für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und - besonders erfolgreich und rund 80.000 Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk kostend - gegen die Solarindustrie. Hier eine Liste seiner Kuratoren und "Botschafter".

Mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen schoss der INSM kurz vor dem Parteitag gegen Annalena Baerbock. Man muss sicherlich lange in der deutschen Geschichte zurückgehen, um ein Beispiel für derartige persönliche Angriffe eines Industrieverbandes gegen eine Spitzenpolitikerin oder einen Spitzenpolitiker zu finden. Beschämend auch, dass kaum eine der großen Zeitungen diese mit dümmlichen Unterstellungen und persönlicher Verunglimpfung arbeitende Werbung ablehnte.

Die Deutsche Presseagentur hat sich inhaltlich mit den Anwürfen der Lobbyisten hier auseinandergesetzt, weshalb wir es an dieser Stelle nicht wiederholen wollen. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit zeigen einerseits, dass die INSM den Bogen reichlich überspannt und den jugendlichen Klimaschützern eine sicherlich nachhaltig wirkende Lehrstunde in Antikapitalismus beschert hat.

Andererseits zeigen die Meinungsumfragen jedoch, dass die Schmutzkampagnen fruchten und der Zuspruch für die Grünen deutlich abnimmt. Die Unionsparteien legen im Gegenzug wieder zu, alle Maskenskandale scheinen schon wieder vergessen und der Neueste immer noch nicht recht wahrgenommen.

Nun mag man zu den Grünen stehen wie man will, aber die Trumpisierung des Bundestagswahlkampfes, die sich am Wochenende dann auch noch mit einer Schlammschlacht der Springer-Presse gegen die Publizistin und Philosophin Carolin Emcke zu neuen Höhen aufschwang, muss jeden beunruhigen, der sich um die Zukunft des Planeten oder auch nur Deutschlands Sorgen macht.

Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F088808-0036 / Thurn, Joachim F. / CC-BY-SA 3.0

Es ist ein hasserfüllter Diskurs, der Ressentiments schüren und die Auseinandersetzung um Sachthemen verhindern soll, um möglichst lange am Bestehenden festhalten zu können. Und das in einer Zeit in der alte Sicherheiten wegbrechen, in der vielfältige Umbrüche anstehen, in der Veränderungen nichts und niemanden fragen, ob sie gerade gelegen kommen, in einer Zeit in der mehr denn je der eigentlich zeitlose Ausspruch von Erich Fried gilt: "Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt."