Covid-19-Impfstoff: WHO arbeitet an Austauschplattform für mRNA-Technik

Die versprochenen Überkapazitäten in der Produktion des Covid-19-Impfstoffs sind noch nicht in Sicht. Die WHO will die Produktion mit einem Hub ankurbeln.

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Impfdosen.

(Bild: AstraZeneca / WHO)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Die Weltgesundheitsorganisation WHO plant eine Austauschplattform für mRNA-Technik. Sie reagiert damit auf die aktuelle Impfstoffknappheit, aber auch auf die nächste weltweite Pandemie, sagte Martin Friede, Koordinator der Initiative for Vaccine Research bei der WHO auf einer Paneldiskussion der Kampagne ZeroCovid. Zwölf Unternehmen hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, ihr Knowhow in den neuen Pool zu werfen, ebenso bieten sich zwölf Länder als Produktionsstätten an.

Die Idee dieser Plattform – oder Hub – sieht vor, dass die Partner ihr Produktions-Knowhow für mRNA-Impfstoffe einbringen und an die Entwicklungspartner weitervermitteln. Über die WHO würde eine Unterlizenz an die Produktionspartner erteilt. Dabei seien auch Einschränkungen auf bestimmte Regionen denkbar.

In Deutschland hat fast die Hälfte der Bevölkerung wenigstens eine Erstimpfung gegen das Coronavirus. In Malawi sind es 2 Prozent und im Tschad 0,3. Der Vorwurf von einer "Impf-Apartheid" macht bereits die Runde, aus Sicht der Industrienationen aber auch die Sorge darüber, dass neue Mutationen die eigenen Impfkampagnen zurückwerfen könnten. Mehr Impfstoff muss her, darüber waren sich alle von ZeroCovid geladenen Experten einig, und zwar schnell.

An der Knowhow-Plattform wollen hauptsächlich Biotech-Unternehmen teilnehmen, die mit ihrer mRNA-Technik die präklinischen Studien abgeschlossen hätten und jetzt in die klinische Phase gingen, sagte Friede. BionTech-Pfizer oder Moderna seien nicht mit von der Partie.

Auf mRNA konzentriere sich der Hub, weil sich die Methode als besonders effektiv erwiesen habe, auch gebe es hier viel Vorwissen von Forschern an öffentlichen Universitäten, die die Technik mitentwickelt hätten, erläutert Friede. In Afrika sei die Technik überdies vorerst noch nicht patentiert.

Patente seien eine Hürde bei der Herstellung von Covid-Impfstoff-Kopien, aber nicht in Afrika. Vielmehr sei dort das Produktions-Knowhow und die Aus- oder Fortbildung entsprechender Mitarbeiter die große Herausforderung. "Ich kann das Kochbuch haben, aber wie ich das Gericht perfekt herstelle, das weiß ich damit noch nicht. Daher wollen wir die besten Küchenchefs über den Hub zusammentrommeln."

Mit der mRNA-Plattform könne wohl nicht nur auf künftige Pandemien, sondern auch auf die großen Armutskrankheiten reagiert werden, meint Friede. Selbst ein Impfstoff für HIV könnte durch die Verbreitung der Technik gerade in den besonders betroffenen Ländern noch einmal angegangen werden.

Elisabeth Massute von Ärzte ohne Grenzen begrüßte wie alle auf der Konferenz den Hub, wandte aber ein, die kurz- und mittelfristige dringend notwendige Hilfe nicht zu vergessen. Dafür seien die jüngst beim G7-Gipfel zugesagten Impfspenden von 850 Millionen Dosen wichtig. Angesichts der benötigten 11 Milliarden Dosen sei diese Soforthilfe aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Weil der Impfstoffpool Covax seinen Verpflichtungen weit hinterherhinkt und der Markt für die Covid-Impfstoffe durch Rückschläge wie die von CureVac sehr angespannt bleiben werde, dürfe auf die temporäre Aufhebung des Patentschutzes nicht verzichtet werden.

Firmen in Ländern wie Tunesien, Ägypten, Marokko und Südafrika hätten ihr Interesse bekundet, selbst regional Impfstoffe herzustellen, erklärte Massute. Der Hub sei eine gute Sache, doch sei diese Lösung vielleicht nicht schnell genug für die aktuelle Krise. Friede schätzt, dass die regionale Produktion in zwei bis zehn Jahren aufgenommen werden könnte.

Es kann schneller gehen, unterstrichen Zain Rizvi von der US-Organisation Public Citizen und Zoltan Kis vom Future Vaccine Manufacturing Hub des britischen Imperial College. In einer Studie errechneten sie, es würde 9,43 Milliarden US-Dollar kosten, um 8 Milliarden Dosen des BionTech-Impfstoffes herzustellen, Moderna wäre mit 22 Milliarden Dollar deutlich teurer.

Die Kosten für eine Entschädigung der Unternehmen in Milliardenhöhe ist in der Studie jeweils einkalkuliert. Das seien hohen Kosten, angesichts der wirtschaftlichen Kosten einer fortgesetzten Pandemie aber der bessere Deal, meint Rizvi. Technisch sei die Covid-Rosskur für die Welt machbar, entscheidend sei am Ende der politische Wille.

(anw)