Extreme Hitze: Angst vor Protesten im Irak

Shatt Al-Arab in Basra, Irak. Bild: Naseem95yak/CC BY-SA 4.0

Temperaturen um die 50 Grad Celsius, dazu Stromausfälle. Iran stellt Lieferungen ein. Hohe Lebensmittelpreise sorgen für Probleme in den Nachbarländern Syrien und Libanon

Der Süden Iraks steckt wieder unter einer Hitzeglocke; in Basra und anderen Orten herrschen Temperaturen um die 50° Celsius. Das kommt in den Hochsommermonaten regelmäßig vor. Dieses Jahr gab es allerdings schon eine frühe Hitzewelle (Über 50° Celsius im Nahen Osten) und noch etwas anderes ist neu.

Dieses Jahr gibt es mehr Anschläge auf Strommasten als zuvor - und: Iran hat seine Stromausfuhr ins Nachbarland ausgesetzt, weil Bagdad seine Schulden aus den Lieferungen zuvor nicht beglichen hat. Die Abhängigkeit Iraks von diesen Stromlieferungen ist groß. Laut der Nachrichtenagentur AP gab es an vier Überlandleitungen zwischen Iran und Irak keinen Strom mehr, auch die Lieferung von Gas sei "down".

Iran speist Gas in den Irak durch zwei Pipelines, die für Kraftwerke in Basra, Samawa, Nasiryah und Diyala verwendet werden. Die Erzeugung aus diesen Anlagen ist ebenfalls stark zurückgegangen, was darauf hindeutet, dass die Versorgung dieser Anlagen aus dem Iran ebenfalls gering ist. Die Auswirkungen waren sofort spürbar. In Basra benötigt die Provinz 4.000 Megawatt, erhält aber derzeit nur 830 MW. Es ist eine Katastrophe", sagte ein Analyst. Die Kürzungen werden den Irakern den Strom für Krankenhäuser, Geschäfte und Häuser entziehen, während die Temperaturen steigen.

Al-Ahram

Für die Bevölkerung und für die Arbeitsplätze ist der Betrieb von Klimaanlagen notwendig. Schon jetzt gibt es - nicht bezahlte - Kurzarbeit, weil es zu heiß ist. Die Arbeitslosigkeit verbunden mit Armut ist ein Problem im ölreichen Süden, das bei jedem Protest zur Sprache kommt. Im Herbst dieses Jahres stehen im Irak Wahlen an.

Der irakische Energieminister musste am Dienstag dieser Woche zurücktreten. Sein Rücktritt fiel, wie al-Monitor berichtet, mit einem "kompletten Stillstand" des Stromsystems in den südlichen Gouvernements Basra, Dhi Qar, Maysan und Muthanna zusammen. Wie die Karte zeigt, handelt es sich allesamt um ölreiche Gouvernements.

"Andernfalls werden wir eskalieren"

Die augenfällige Misswirtschaft, verbunden mit Korruption, führt alljährlich zu Protesten im Süden Iraks. Vor zwei Jahren waren sie so heftig und dehnten sich im Land aus, so dass die damalige Regierung unter Premierminister Adel Abdul Mahdi zurücktreten musste. Auch jetzt gibt es Aufrufe zu Protesten. Es wurde ein Ultimatum gestellt, mit der Drohung: "Andernfalls werden wir eskalieren und alle Straßenverbindungen von Basra abschneiden. Wir werden den Beamten eine Lektion erteilen, die sie nie vergessen werden.''

Angeblich schuldet der Irak Iran vier Milliarden US-Dollar. Die Zahlungen gestalten sich - nicht zuletzt auch wegen der US-Sanktionen - als schwierig:

Die Coronavirus-Pandemie hat Bagdads Wirtschaft verschlechtert. Selbst das Geld, das für die Bezahlung der Importe aus Iran zurückgelegt wurde, kann nur schwer freigegeben werden. Der Irak kann aufgrund der US-Sanktionen nicht direkt an Teheran zahlen. Stattdessen erließ Washington Sanktionsaufhebungen, die es dem Irak erlauben, für Waren, Medikamente und andere Ausgaben zu zahlen. In einem Fall kaufte der Irak Impfstoffe gegen das Coronavirus vom Iran.

Al-Monitor

Wie gespannt das Verhältnis zwischen Iran und USA im Irak ist, machten kürzlich die US-Angriffe auf schiitische Milizen im Irak noch einmal deutlich.

Als weiteres Problem meldet al-Ahram die Häufung von Anschlägen auf das Stromnetz, insbesondere Strommasten, die dem IS zugeschrieben werden.

Wie immer, wenn es um Länder im Nahen Osten geht, gibt es interessante Hintergründe, die der großen Öffentlichkeit meist verborgen bleiben, manchmal weil sie ganz einfach vergessen werden. So wird im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Stromversorgungskrise im Süden Iraks darauf hingewiesen, dass bereits im erste US-geführten Golfkrieg gegen Irak im Jahr 1991 "17 von 20 Anlagen zur Stromproduktion gezielt zerstört wurden", die Infrastruktur habe heute noch mit den Folgen zu kämpfen.

Lebensmittelpreise, US-Sanktionen, Klimawandel

Dazu kommen Probleme, die mit dem Klimawandel zu tun haben: Laut Landwirtschaftsministerium ist im Vergleich zu 2017 die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen im Irak wegen der Dürreperiode nicht mehr nutzbar. Auch die Viehhaltung im Süden des Irak ist kaum mehr möglich (vgl. Türkei-Syrien-Irak im Krieg ums Wasser).

Ob die EU helfen kann? Der irakische Premierminister Mustafa Al-Kadhimi war gestern in Brüssel, um mit von der Leyen über wirtschaftliche, sicherheitstechnische und politische Aspekte zu reden. Im Nato-Hauptquartier war er auch.

In der Region könnte es unruhig werden, wie der Nahost-Beobachter Michael Tanchum signalisiert: die Lebensmittelpreise sind auf einem neuen Höchststand.

In Syrien gibt es seit vielen Monaten ärgste Nöte mit der Lebensmittelversorgung, woran die US-Sanktionspolitik einen erheblichen Anteil hat. Auch Flüchtlingslager sind davon betroffen.

Aus dem Libanon meldet die Unicef dramatische Versorgungsschwierigkeiten.