Grünes Licht für größten Wohnungskonzern Europas

Demonstration des Bündnisses Mietenwahnsinn gegen die Nutzung von Wohnraum zur Gewinnmaximierung am 20. Juni 2020 in Berlin. Bild: Leonhard Lenz, CC0 1.0

Vonovia frisst Deutsche Wohnen: Warum die Genehmigung durch das Kartellamt wirklichkeitsfern ist und die Wohnungsnot weiter anheizen wird

Vor wenigen Tagen hat das Bundeskartellamt grünes Licht gegeben: Der größte Wohnungskonzern in Deutschland, Vonovia, darf den zweitgrößten Wohnungskonzern, Deutsche Wohnen, wie geplant übernehmen. Vonovia hat seit der Finanzkrise etwa 420.000 Wohnungen zusammengekauft, verwaltet dazu noch Wohnungen für andere Eigentümer. Deutsche Wohnen verfügte bisher über etwa 155.000 Wohnungen. Durch die Fusion würde mit knapp 600.000 Mietwohnungen nicht nur der größte Wohnungskonzern in Deutschland entstehen, sondern in Europa.

"Uns ist natürlich bewusst, wie angespannt die Wohnungssituation in Berlin und vielen anderen Großstädten ist. Wir haben die verschiedenen regionalen Wohnungsmärkte daher sorgfältig geprüft", so der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt. Und bei dieser angeblich sorgfältigen Prüfung kamen die Kartellwächter zu dem Ergebnis: "Die gemeinsamen Marktanteile der beiden Unternehmen rechtfertigen keine wettbewerbliche Untersagung."

Nur in Dresden, so die Prüfung, liege der Marktanteil beider Unternehmen bei 20 Prozent, und nur in wenigen Städten, nämlich Berlin, Mainz, Wiesbaden sowie den kleinen Orten Puchheim und Wustermark liege der gemeinsame Marktanteil über zehn Prozent, und in ganz Deutschland sowieso unter zwei Prozent.

Zudem seien "auf den relevanten Märkten neben zahlreichen Privatvermietern zumeist auch kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften sowie weitere gewerbliche Anbieter vertreten, die den Verhaltensspielraum von Vonovia weiterhin begrenzen", so heißt es im beschönigenden Sprech des Kartellamtsweiter.

Die Fusion wurde damit so genehmigt wie von Vonovia geplant. Das Kartellamt machte zudem keine einzige Auflage, die bei sonstigen Fusionen oft zur Genehmigung gehören, etwa dass Teile der bisherigen Konzerne an Konkurrenten verkauft werden müssen.

Kartellamt: am realen Kartell vorbei

Die "sorgfältige" Prüfung durch das Kartellamt war oberflächlich und ging an der heutigen Realität vorbei, in mehrfacher Hinsicht. Hinter den Fassaden haben die neuen Eigentümer seit der letzten Finanzkrise eine neue, kartellartige, vielarmige Marktmacht gebildet.

  • Das Kartellamt fragte nicht, wem die drei nächstgrößten Wohnungskonzerne in Deutschland gehören, nämlich LEG (Landesentwicklungs-Gesellschaft, konzentriert in Nordrhein-Westfalen, 144.000 Wohnungen), TAG (88.000 Wohnungen) und Grand City Properties (63.000 Wohnungen). Bei genauer, aber sehr einfacher Prüfung wäre aufgefallen: Sie haben weitgehend dieselben Großaktionäre, die gleichzeitig auch Großaktionäre bei Vonovia und Deutsche Wohnen sind.
  • Das sind, in wechselnder Zusammensetzung, vor allem die großen US-Kapitalakteure Massachusetts Financial, Vanguard und BlackRock sowie, auch in den meisten DAX-Konzernen mit ihnen gemeinsam vertreten, der ähnlich agierende norwegische Staatsfonds Norges.
  • Andere Großaktionäre, die vereinzelt in den fünf größten Wohnungskonzernen Deutschlands vertreten sind wie Fidelity, State Street und PNB Paribas, sind mit dem Großaktionär BlackRock, der in allen fünf Wohnungskonzernen vertreten ist, in verschiedener Weise verbunden, z.B. durch Überkreuz-Beteiligungen.
  • BlackRock, Vanguard, Norges sind zudem Großaktionäre in den Banken wie ING, Société Générale, Goldman Sachs, Deutsche Bank, Commerzbank: Sie geben den Wohnungskonzernen die Kredite für die dauernden Zukäufe und jetzt auch für den Kauf von Deutsche Wohnen.
  • Vonovia und Deutsche Wohnen wollen die Fusion, weil sie "Synergie-Effekte" hervorbringe. Damit ist gemeint: Durch den noch größeren Masseneinkauf werden Material, Reparatur- und sonstige Dienstleistungen und auch Neubau noch billiger (für Vonovia, nicht für die Mieter und die Käufer von Eigentumswohnungen). Das wirkt sich auf die Struktur der Wohnungsverwaltung insgesamt aus, etwa für die Niedriglöhnerei in den Dienstleistungsketten für Hausmeister-, Grünflächen-, Abrechnungs-, TV- und Reinigungsdienste.

Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, TAG, Grand City Properties und inzwischen viele (noch) etwas kleinere Wohnungskonzerne wie Aurelius und Bonava konzentrieren sich auf die "Schwarmstädte": Wohnungen werden dort gekauft, wo schon Wohnungsnot herrscht und zugleich der Zuzug von außen anhält. Dadurch können die Mieten, Nebenkosten und auch die Preise für Eigentumswohnungen noch schneller erhöht werden, auch an den lokalen Mietspiegeln vorbei. Das wirkt sich auf den gesamten Wohnungsmarkt aus: Ärmere Mieter ziehen aus den teuren Ballungsgebieten weg, aber dadurch werden auch Miet- und Eigentumswohnungen in den Randgebieten verteuert.1

Organisierte Steuerflucht

Wir kommen zu einer weiteren, vom Kartellamt nicht berücksichtigten Wirkung der Fusion: Die Kommunen, in denen die Wohnungen von Deutsche Wohnen liegen, erleiden einen Einkommensverlust.

Für den Kauf von Deutsche Wohnen, also für die mit einem netten Aufschlag versehene Entschädigung der bisherigen Aktionäre (die ja vielfach dieselben sind), muss Vonovia etwa 18 Milliarden Euro aufbringen. Das geschieht vor allem über Kredite. Das ist kein Problem, denn die steigenden Mieten sind eine prima Sicherheit für die kreditgebenden Banken. Zudem, wie schon geschildert, sitzen die Vonovia-Kreditnehmer auch als Großaktionäre in den kreditgebenden Banken.

Eigentlich, aber eben nur eigentlich, müsste Vonovia für den Kauf sechs Prozent Grunderwerbsteuer an die öffentlichen Haushalte der Kommunen zahlen, in denen die 155.000 Wohnungen von Deutsche Wohnen liegen. Das beträfe vor allem Berlin, aber auch etwa Mainz, Wiesbaden, Puchheim und Wustermark und Dutzende andere Kommunen.