Krisenzustand mit Verpflichtung zu "persönlichen Diensten"

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Corona-Pandemie führt zum Entwurf einer Gesetzesreform in Spanien, die neben Zwangsverpflichtungen auch die Beschlagnahme des Eigentums der Bürger vorsieht

Es ist unklar, um welche Fälle es gehen soll, in denen Spanien nun die Möglichkeit bekommen will, in einem "Krisenzustand" jeden "volljährigen Bürger" ohne Ausnahme zu einem Zwangsdienst verpflichten zu können. Das sieht der Entwurf zu einer Reform des "Gesetzes über die Nationale Sicherheit" vor, die es in sich hat.

Wie die große Tageszeitung El País berichtet hat, die der sozialdemokratischen Regierung von Pedro Sánchez nahesteht, sollen die Bürger in einem Krisenfall zu "persönlichen Leistungen" verpflichtet werden können, die von einem "Nationalen Sicherheitsrat" angeordnet werden.

Der "Krisenzustand" ist nebulös definiert, vermutlich um die Auslegung offen zu halten. Es wird von einer "Situation von Interesse für die nationale Sicherheit" gesprochen, was auch immer das sein soll. Es wird nicht einmal von einer Bedrohung, wie ein Kriegsfall, gesprochen. Es ist klar, dass nicht nur die Coronavirus-Pandemie gemeint ist, in der nun an dieser Reform gebastelt wird. So sieht der Entwurf auch die Aussetzung aller Aktivitäten ähnlich wie im Lockdown im vergangenen Jahr vor.

Daneben können die Behörden auch vorübergehend alle Arten von Eigentum beschlagnahmen. Offensichtlich ist auch die Besetzung von Wohnungen vorgesehen. Wachsweich wird von Entschädigung gesprochen, wer durch die Beschlagnahme oder die Unterbrechung der Aktivitäten einen Schaden erleidet. Das ist ausdrücklich für die Zwangsdienste nicht vorgesehen, was ein Widerspruch in sich ist.

Auch El País ist unklar, welche Krisen gemeint sind, ob eine Gesundheitskrise, eine Finanz-, Wirtschafts-, Umweltkrise oder alles was man so zu Krisen definieren kann. In den Paragrafen wird schwammig definiert, dass ergriffene Maßnahmen stufenweise und angemessen und auf die zur Überwindung der Krisensituation unbedingt erforderliche Zeit beschränkt sein sollen.

Mit Blick zurück auf die Finanzkrise, als spanische Sparer schon befürchteten, enteignet zu werden, scheint man nun angesichts einer ausufernden Staatsverschuldung einen gesetzlichen Rahmen dafür zu schaffen.

Medien sollen eng mit Regierung zusammenarbeiten

Jeder Demokratie unwürdig ist auch die geplante faktische Gleichschaltung der Medien. Sie sollen dazu verpflichtet werden, auf präventiver und operativer Ebene mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten und sollen entsprechende Informationen - also Regierungspropaganda - verbreiten. Ausgeschaltet werden soll auch das Parlament. Der Krisenzustand soll vom Regierungschef dekretiert, das Parlament soll lediglich über die getroffenen Maßnahmen informiert werden.

Angelegt werden sollen, mit Blick auf fehlende Ressourcen im vergangenen Jahr, auch strategische Reserven, um eine Versorgung sichern zu können. Auch Spanien hatte -wegen einer völlig falschen Einschätzung - es im Frühjahr 2020 völlig verschlafen, sich auf die heraufziehende Pandemie einzustellen. Deshalb wurde auch hier die absurde Parole ausgegeben, dass Masken unnötig seien, da es keine gab.

Fernando Simon, der Chefberater der Regierung in der Corona-Pandemie hatte noch am 9. Februar 2020 erklärt, dass "Spanien nur eine Handvoll Fälle bekommen" werden. Zu diesem Zeitpunkt war das Virus längst in Italien außer Kontrolle, kurz darauf auch in Spanien, wie Telepolis berichtet hatte. Die Regierung behauptete aber weiter das Gegenteil und leitete nicht die nötigen Maßnahmen ein.

Beschlagnahme und Krise

Zur Beschlagnahme, von der im Entwurf die Rede ist, lässt sich anmerken, dass die im Gesundheitsbereich schon längst möglich ist. Als der Regierungschef Sánchez im März 2020 doch den Alarmzustand verhängte, wurde auch festgelegt, dass die privaten Krankenhäuser zur Versorgung herangezogen werden können, um das staatliche Gesundheitssystem zu entlasten.

Passiert ist das allerdings nicht. Private Einrichtungen standen leer. Die Zentralregierung schaute sogar zu, wie die Regionalregierung in Madrid (für das Gesundheitswesen in der Hauptstadtregion zuständig), tausenden alten Menschen die Aufnahme in Krankenhäuser verweigert und einfach in Pflegeheimen sterben ließ. Das hat dazu geführt, dass Madrid bei der Übersterblichkeit 2020 mit 41 Prozent über dem Durchschnitt und weit abgeschlagen an der Spitze aller Regionen liegt.

Als Anwendungsgebiet für eine Krise lässt sich natürlich auch Katalonien denken, wo sogar schon im Herbst 2017 im Rahmen des Referendums neben dem Einsatz der paramilitärischen Guardia Civil auch über Militäreinsätze nachgedacht wurde. Es sticht hervor, dass Gesetzentwurf auf Artikel 30 der Verfassung basiert, wonach "die Spanier die Pflicht und das Recht haben, Spanien zu verteidigen".

Es ist beschämend, dass dieser Entwurf schon am 22. Juni in der Regierung behandelt wurde und die Linkskoalition "Unidas Podemos" nicht aufgeschrien hat. Die hat aber auch ihre Versprechen gebrochen, die Maulkorbgesetze oder andere Reformen zu streichen, nach denen fast alles als Terrorismus definiert werden kann.

Das Maulkorbgesetz wurde sogar mit Blick auf Katalonien auf die digitale Ebene ausgeweitet. Und das soll offensichtlich auch mit dem von der ultrakonservativen der Volkspartei (PP) geschaffenen Nationalen Sicherheitsgesetz passieren. Statt es zu streichen oder abzuschwächen, soll es von eine "Linksregierung" offensichtlich sogar deutlich verschärft und ausgeweitet werden.