Corona: Stiko wehrt sich gegen politischen Druck

Bild Markus Söder: Mueller/MSC / CC-BY-3.0 / Grafik: TP

Äußerungen von Söder, die Kommission würde nicht professionell arbeiten, müssten korrigiert werden. Söder wiederum ist verstört von Apartheids-Vergleich seines Vizes. Astrazeneca-Entwicklerin stellt Impfungen für Jugendliche in Frage

Dem bayerischen Ministerpräsidenten und Beinahe-Kanzlerkandidaten Markus Söder passt die Haltung der Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut nicht ins politische Konzept. Er will eine Impfkampagne, die auch Kinder im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren mit einschließt. Die Stiko weigert sich aber trotz wachsenden politischen Drucks eine Empfehlung dafür abzugeben.

"Nein, gesunde Kinder würde ich jetzt im Augenblick nicht impfen lassen", bekräftigte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, kürzlich bei einem TV-Auftritt. Die Stiko empfiehlt die Covid-Impfung nur für Kinder mit Vorerkrankungen, die "ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung haben".

Söder sägte öffentlich aus Verärgerung über die Haltung der Stiko an deren Kompetenz. Er warf ihr vor, dass sie amateurhaft arbeite. Die Profis, so der Bayern-Politiker, würden in der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) sitzen, die den Corona-Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen hat. Der Unterschied zwischen "zulassen" und "empfehlen", war dem CSU-Chef nicht wichtig. Er, der sonst die "Ehrenamtlichen" honoriert, benutzte "ehrenamtlich" bei seiner Attacke auf die Mitglieder der Stiko als Polemik gegen deren Kompetenz. "Wir schätzen die Stiko, aber das ist eine ehrenamtliche Organisation."

Diese reagierten nun mit einer Stellungnahme auf den Angriff:

"Die aktuellen Aussagen von Herrn Söder und anderen Politikern zur Stiko und zu deren Arbeit sind auch unter Berücksichtigung der Wahlkampfzeit ungewöhnlich und müssen korrigiert werden.

Stiko

Man arbeite als unabhängiges Expertengremium transparent nach streng wissenschaftlichen Kriterien keinesfalls weniger "professionell" als die EMA

Das Verhalten und diese Äußerungen seien unakzeptabel, so Stiko-Mitglied Rüdiger von Kries. "Mich erinnert dieses Vorgehen an das Verhalten von Politikern aus Ländern, deren Politik wir im demokratischen Deutschland nicht für gutheißen." Gesundheitsminister Spahn müsse sich hinter die Kommission stellen.

Söder steht mit seiner Forderung an die Stiko, die Impfempfehlungen bezüglich der Kinder "nochmal zu überdenken" nicht allein. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerten sich in dieser Richtung, wenn auch, ohne beleidigend zu werden.

Söder seinerseits verlangt eine Korrektur von seinem Vize Hubert Aiwanger. Dieser hatte vor einer "Apartheidsdiskussion" gewarnt. Aiwanger musste seinen Status als Ungeimpfter mehrfach verteidigen und sprach in dem Zusammenhang von einem zu großen Druck auf Menschen, die sich nicht impfen lassen möchten.

Unterstützung für die Haltung, bei Covid-Impfungen für Kinder mit Vorsicht zu agieren, kommt von der Leiterin der Entwicklungsabteilung für den Corona-Impfstoff von Astrazeneca, Sarah Gilbert. Die Delta-Variante sei sehr ansteckend, so dass auch Personen trotz zwei Impfungen mit einem milden Verlauf krank würden, stellt sie fest und schließt daraus:

Wenn also die Übertragung nicht zu verhindern ist, und Kinder weder schwer erkranken noch sterben, dann stellt sich die Frage: Lohnt sich das Impfen?

Sarah Gilbert