Flut und Dürre und Nahrungssicherheit

Kern eines großen Hagelkornes mit deutlich erkennbaren Anlagerungsschichten. Bild: ERZ/CC BY-SA 3.0

Während in Deutschland die Felder von Wasser überschwemmt und Ernten untauglich gemacht werden, grassiert in anderen Ländern Dürre und Hunger. Gleichzeitig geht durch die Verschwendung von Lebensmitteln tonnenweise Nahrung verloren

Die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz hat nicht nur zahlreiche Menschenleben gefordert und Häuser weggespült. Sie hat auch erhebliche Schäden in der Landwirtschaft hinterlassen. Außer in Nordrhein-Westfalen wurden auch in Bayern, Hessen, Sachsen durch Starkregen und Gewitter Weiden, Wiesen und Äcker überschwemmt. Vielerorts wurden Felder, Wiesen, Gemüse- und Obstplantagen überflutet.

Ställe liefen mit Wasser voll. Getreide, das zu dieser Jahreszeit geerntet werden sollte, wurde von den Wasserfluten umgewälzt. Andere Felder wurden mit Wasser durchtränkt, sodass sie nicht mehr mit den schweren Mähdreschern befahren werden konnten. Die Schäden dürften sich in Milliardenhöhe belaufen.

Unterdessen versprechen Politiker Soforthilfen in Höhe von insgesamt 400 Millionen Euro beim Wiederaufbau. Und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner will sich für die Anliegen der Landwirte einsetzen.

Mit dem Klimawandel steigt das Hagelrisiko und damit die Vernichtung der Ernten. Laut Deutschem Wetterdienst haben die Schäden durch Hagel im Laufe der letzten 20 Jahre deutlich zugenommen. So lag das Maximum der Hagelschäden mit weltweit mehr als fünf Milliarden Euro im Jahr 2013. Klimamodellen des DWD zufolge sollen Sturm und Hagelereignisse im Vergleich zum Mittelwert der letzten 25 Jahre bis 2040 um rund 25 Prozent, danach bis 2100 sogar um rund 60 Prozent zunehmen.

Bereits im Juni verhagelten Unwetter in vielen Gegenden die Ernten. So wurden vom 18. bis 25. Juni mehr als 66.000 Hektar landwirtschaftlicher Kulturen bei der Vereinigten Hagelversicherung als geschädigt gemeldet. Für Ende Juni meldeten Versicherungen einen Schaden von 20 bis 23 Millionen Euro. Die niederbayerische Gemeinde Bad Birnbach musste die Hagelkörner mit schwerem Gerät von der Straße räumen.

Auch in Österreich vernichteten hühnereigroße Hagelkörner Acker-, Obst-, Gemüsekulturen und Grünland auf einer Fläche von 40.000 Hektar. Die Versicherung Schweizer Hagel, die rund 30.000 Landwirtschaftsbetriebe betreut, meldete Mitte Juni Schäden von 18 Millionen Franken (ca. 16,5 Millionen Euro). Hinzu kamen Überschwemmungen in den Kantonen Bern und Zug.

Durchschnittliche Ernten erwartet

Anfang Juli 2021, zum Ernteauftakt im brandenburgischen Nauen, sprach Joachim Rukwied von einer zu erwartenden Ernte von 45,4 Millionen Tonnen - rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr - wenn auch mit regionalen Unterschieden. Die Ernte von Wintergerste, die in den Frühdruschgebieten bereits Ende Juni begonnen hatte, musste allerdings wegen einsetzendem Regen wieder unterbrochen werden. Auch verursachte die Hitze auf den Feldern in einigen norddeutschen Region bereits zu Beginn des Sommers erhebliche Schäden.

Trotz aller Unwetterkatastrophen erhofft man sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) nach den schwierigen Dürre-Jahren seit 2018 eine quantitativ bessere Ernte. So rechnet der DBV bei der Wintergerste, deren Ernte in Sachsen-Anhalt bereits Ende Juni begonnen hat, mit Erträgen zwischen 60 dt (Dezitonne) je Hektar und 80 dt je Hektar. An Winterraps erwarten die Landwirte im Schnitt 37 dt je Hektar und beim Winterweizen 72 dt je Hektar.

Während sich im Umfang des Getreideanbaus sich kaum etwas geändert habe, hat sich der Anteil der Kulturarten deutlich verschoben. So wurde die mit Sommerweizen bestellte Fläche im Vergleich zu den Vorjahren um 36 Prozent eingeschränkt, die mit Sommergerste verringerte sich um 17 Prozent. Der Anbau von Hafer hingegen habe um fast 17 Prozent zugenommen. Rukwied zu Folge ist dies auf den verstärkten Absatz von Haferdrinks und anderen Haferprodukten zurückzuführen.

Zuverlässige Prognosen würden auf Grund des fortschreitenden Klimawandels immer schwieriger, klagt Friedrich Ostendorff. Die Bauern kämpfen gegen immer extremere Bedingungen an. Angesichts der Wetterkapriolen fordert der Agrarsprecher der Grünen angepasste Anbausysteme mit vielfältigen Fruchtfolgen und widerstandsfähigen Kulturen.

Die Pflanzenzüchter sollten ihre Zuchtziele stärker auf Trocken- und Stresstoleranz ausrichten. Es gebe bereits Förderungen von nachhaltigen Anbaumethoden. Wer zum Beispiel Moore wiedervernässe und Grünland erhalte, solle mehr Agrarfördergelder bekommen.

Andernfalls werde es immer schwieriger, eine gewisse Ertragsstabilität zu erhalten.

Madagaskar in der Hungerkatastrophe

Während die Nahrungssicherheit trotz Überflutungen in Mitteleuropa weitgehend garantiert ist, leiden Menschen in anderen Teilen der Welt an Hunger - wie derzeit in Madagaskar.

Die einstige französische Kolonie ist etwa so groß wie Deutschland und Polen zusammen. Reich an Bodenschätzen galt das Land bisher als ein Paradies der Artenvielfalt. Außer Vanille werden auch andere Gewürzpflanzen - vor allem für den Export - kultiviert.

Seit etwa zwei Jahren leiden die 28 Millionen Einwohner des tropischen Inselstaates unter anhaltender Dürre und Sandstürmen. In regelmäßigen Abständen ziehen Zyklone über das Land, fordern Menschenleben und verursachen immense Schäden. Mit dem Wetterphänomen El Niño treten die Dürrephasen immer häufiger auf.

Infolgedessen können die Felder nicht mehr bestellt werden. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Fast die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren ist mangelernährt. Nach Einschätzung des Welternährungsprogramms waren Ende Juni 2021 rund 400.000 Menschen vom Hungertod bedroht. Nach jahrelanger anhaltender politischer Krise liegt die Wirtschaft am Boden. Hinzu kommt, dass von den einstigen 53 Millionen Hektar Wald heute nur noch etwa zehn Prozent erhalten sind

Jemen: Hunger eines von vielen Problemen

Eine weitere Hungerkrise im Jemen, die schon länger andauert und mehr und mehr in den medialen Hintergrund gerückt ist, ist vor allem auf politische Konflikte zurückzuführen: Sechs Jahre Krieg haben ganze Regionen ins Elend gestürzt. In den ländlichen Gebieten mangelt es an medizinischem Personal.

Gesundheitseinrichtungen mussten schließen, soweit sie nicht während andauernder Kampfhandlungen zwischen Huthi-Rebellen auf der einen und jemenitischen Regierungstruppen und saudischen Kampfjets auf der anderen Seite zerbombt wurden. Vor diesem Hintergrund brachen längst überwunden geglaubte Krankheiten wieder aus: Cholera, Diphtherie, Masern, hinzu kommt das Corona-Virus.

Um die schwerste Not zu lindern, wurden Anfang des Jahres auf der Geberkonferenz einer Staatengemeinschaft insgesamt 1,7 Milliarden US-Dollar zugesagt, 200 Millionen Euro will Deutschland spenden. Eine stattliche Summe, die jedoch hinter den Forderungen der UNO in Höhe von rund 3,85 Milliarden deutlich zurückbleibt.