CO2-Fußabdruck: Wie ein PR-Trick von den Machern des Klimawandels ablenkt

Aufräumungsaktionen nach Deep Water Horizon-Katastrophe (2010); Foto: USEPA Environmental-Protection-Agency/gemeinfrei

Sind nicht "wir alle" mit unserem grenzenlosen Konsum schuld an der Klimakatastrophe? Müssen wir nicht deshalb bei uns selbst anfangen, unseren "Fußabdruck" verringern? Und schon verläuft sich die Spur der Täter

"It's time to go on a low carbon diet", appellierte 2006 der Öl- und Gaskonzern BP auf seiner Homepage an alle User. Als Bestandteil seiner PR-Kampagne "Beyond Petroleum" (statt "British Petroleum") bot das Unternehmen gleich neben dem Spruch einen "carbon footprint calculator" an.

Hier konnte nun jeder seinen ganz persönlichen Ausstoß von Treibhausgasen ermitteln und sich dann eine "Kohlenstoff-Diät" vornehmen - ganz so wie es der Konzern behauptete, nun auch zu tun. Die offensichtliche Idee der PR-Agentur Ogilvy & Mather: Wir erklären das Problem Treibhausgase zu einem, das seine Ursache in der gesamten Gesellschaft hat. Wenn irgendwie alle daran einen Anteil haben, gibt es keine maßgeblichen Täter, zum Beispiel BP mit seinem gigantischen Ausstoß durch sein Öl- und Gasgeschäft. Umso sympathischer kommt dann rüber, wenn eben dieser Konzern die Initiative ergreift und "uns alle" an "unsere" Verantwortung erinnnert.

Heute, 15 Jahre später, hat dieser PR-Trick wieder Konjunktur. Wesentlicher Treiber ist nun aber nicht mehr ein Energiekonzern. Vielmehr propagieren staatliche und gesellschaftliche Institutionen den persönlichen "CO2-Fußbabdruck". Auf Websites beispielsweise der Europäischen Union und des deutschen Umweltbundesamtes kann man einen entsprechenden Rechner nutzen, ebenso auf zahlreichen anderen von Unternehmen aus der Energie- und Wasserwirtschaft, der Finanzbranche, von Industrie- und Handelskammern, von Verbänden und vielen Initiativen und Nichtregierungs-Organisationen wie WWF oder Greenpeace.

Die einstige Idee von BP, den eigenen Anteil an der Klimakatastrophe zu relativieren, hat eine erstaunliche Karriere hingelegt. Nun retten "wir alle" das Klima, wenn wir unseren jeweiligen Ausstoß an Treibhausgasen reduzieren. Der berühmte "Otto Normalverbraucher" steht so in einer Reihe mit Treibhausgas-Emittenten wie Industrie, Energie, Handel und Verkehr, Landwirtschaft sowie den sie flankierenden Staaten. Dann schauen wir uns doch mal an, wie das genau funktioniert.

Stellvertretend für die zahlreichen "Fußabdruck"-Methoden verwenden wir dafür den Rechner des WWF. Mit seinen insgesamt 35 Fragen zählt er zu den umfangreichsten seiner Art.

CO2-Treiber Ernährung: Einfach richtig einkaufen! Geld spielt keine Rolle!

Zunächst geht es um die Ernährung. Da ist schließlich der Kunde "König", über seine existenziellsten Bedürfnisse entscheidet er ganz allein! Neben den Kriterien Hunger, Durst und Genuss soll aber nun auch die Klimaverträglichkeit zum Zuge kommen. Da schlägt dann vor allem der Kauf von viel Fleisch, Fisch und per Flugzeug transportiertem, nicht saisonalem Obst und Gemüse negativ zu Buche, wie auch zu viele Milchprodukte und Eier. Allerdings verbessert seine CO2-Bilanz, wer häufiger Lebensmittel mit "Label" kauft wie "Bio" oder "Fair Trade". Auch wer so gut wie nie Essbares wegwirft, kommt besser weg.

Der Grundgedanke dabei, wie bei den weiteren folgenden Punkten: Die Produktion der Waren und Dienstleistungen, die konsumiert werden, verursacht jeweils bestimmte Mengen an Treibhausgasen, die in die Atmosphäre ausgestoßen werden und damit das Klima aufheizen. Das kann man ziemlich genau berechnen. Beim Abschnitt Ernährung haben manche Lebensmittel eben weniger Ausstoß zur Folge; und wenn bei anderen generell weniger verbraucht würde, wäre ebenfalls dem Klima geholfen.

Der Haken an dieser Logik: Sie wird vom Ende her gedacht. Der Verbraucher entscheidet nicht, wie all die Lebensmittel hergestellt werden. Er ist lediglich das letzte Glied in einer langen Kette der Anstrengungen der Hersteller und Händler, mit ihren Waren Gewinn zu erzielen.

Wie die Böden mit Monokulturen, unter Einsatz von Pestiziden, Insektiziden, Fungiziden und allen möglichen technischen Hilfsmitteln und der Natur gegenüber rücksichtslosen Gerätschaften ausgebeutet werden, mit welchen schlecht bezahlten und extrem strapazierten Arbeitskräften dies geschieht, um möglichst viele und vermarktbare Produkte möglichst billig herzustellen - das alles entscheidet nicht der Verbraucher. Er ist nicht dafür verantwortlich und hat es daher auch nicht in der Hand, wie viele klimaschädliche Gase dabei entstehen.

Das obliegt allein der industriellen Landwirtschaft und dem Handel, der die Lebensmittel vermarktet. Und die Betriebe in dieser Branche sind wie überall in diesem Wirtschaftssystem gehalten, zuallererst aus dem investierten Geld mehr Geld zu machen - sonst verlieren sie gegen die Konkurrenz und gehen Pleite.

Klimaschutz ist dieser Kalkulation erst einmal sachfremd. Er muss daher von außen aufgezwungen werden: durch den Staat, der die natürlichen Grundlagen so erhalten wissen will, dass sie dauerhaft für eben diese und alle anderen Unternehmen ausbeutbar bleiben (siehe auch: Nachhaltig ausbeuten).

"Verbrauchermacht" gibt es nicht - aber die Macht der Hersteller und Händler

Und wenn "die Verbraucher" ihren Konsum änderten, Druck vom "Ende" her ausübten? Also im Sinne des WWF-Rechners klimagerechter einkauften, ihre "Verbrauchermacht" in Anschlag brächten? Nur, ein solches Kollektiv namens "Verbraucher" gibt es nicht. Die einen haben Probleme, ihre vielköpfige Familie über den Monat zu bringen, müssen schauen, wie sie mit ihren wenigen Euros genügend Lebensmittel kaufen können. Die anderen leisten sich "Bio" und "Fair Trade", legen für teures, natürlich saisonales Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt problemlos ihr Geld hin.

Die Zahlungskraft verteilt sich halt innerhalb der "Verbraucher-Gemeinschaft" ziemlich verschieden. So haben Aldi, Lidl & Co. ihre treue Kundschaft ebenso wie Bio-Supermärkte und Feinkostläden, dazwischen die Rewes und Edekas. Für jeden Geldbeutel hat der Lebensmittelhandel ein Angebot. Er macht mit den Ärmeren ebenso ein Geschäft wie mit den Wohlhabenderen. Die Konkurrenz läuft dabei - abgesehen vom Bio- und Feinkost-Sortiment - extrem über den Preis. Die einschlägigen Prospekte mit den "Preishämmern" jede Woche liefern dafür beredte Beispiele.

Die den Leuten zur Verfügung stehenden Mittel entscheiden nun einmal darüber, welche Auswahl sie unter den angebotenen Lebensmitteln treffen können. Die Betuchteren unter den Verbrauchern können es sich leisten, neben ihrem Genuss auch den Klimaschutz zu berücksichtigen. Welche Wirkung auch immer das tatsächlich entfaltet: Irgendwie hat man "etwas für die Umwelt" getan, das muss man den Unternehmen einfach glauben! Die werden schon weniger Gift anwenden und den Kaffee-Plantagenarbeitern ein paar Euros mehr zahlen, oder? Die "Normal-Verdiener" entscheiden mal so, mal so, wie viel "Klimaschutz" sie bei ihrem Einkauf mitdenken. Der Rest kann es selbstverständlich auch, theoretisch. Praktisch begrenzt der Geldbeutel die Auswahl ziemlich klar.

Von einer konzentriert vorgehenden, gemeinsamen und geballten "Verbrauchermacht" kann daher keine Rede sein. Jeder muss in dieser Gesellschaft schauen, wie er zurechtkommt mit seiner begrenzten Kaufkraft. Der Normal-Konsument ist nur Mittel für das Kapital, aus den Waren Profit zu ziehen. Er ist nicht Herr der Lage, wie der Begriff "Verbrauchermacht" falsch suggeriert. Sondern Ziel- und Endpunkt einer profitablen Produktion.

Um seine bestmögliche oder gar besonders umweltfreundliche Versorgung geht es dabei nicht. Das müsste er allein schon daran bemerken, wie eben dieses Kapital mit ihm umspringt. Wie es alles unternimmt, Lohn und Gehalt möglichst niedrig zu halten und die Arbeit zu intensivieren. Unternehmen wollen nicht versorgen, sondern verdienen.

CO2-Treiber Mobilität: Elektroautos kaufen! Und wer das nicht kann, fährt mit dem Bus

Das gilt umso mehr beim Thema "Mobilität". Der WWF-Fragebogen checkt die jährliche Kilometerleistung mit Auto oder Motorrad, die Art und Menge des verwendeten Treibstoffs, bittet um Angaben zur Nutzung von Bus und Bahn, Flugzeug und Kreuzfahrtschiff. Das leidige Thema "Geld" beherrscht auch hier die Szene. Wer es sich leisten kann, schafft sich ein noch relativ teures und derzeit noch recht unpraktisches Elektroauto an.

Mit Kaufprämien und einer Offensive für die Lade-Infrastruktur versucht der Staat, noch mehr Menschen zur Anschaffung der Batteriefahrzeuge zu bringen. Denn er weiß, die meisten Bürger haben nicht das Geld dafür, und für viele taugen die herkömmlichen Autos im Alltag noch besser, Stichworte Reichweite und Tankdauer. Aber der Markt für diesen Antriebstyp muss wachsen. Auf dass die deutschen Autobauer hier und auf der ganzen Welt die "Transformation" am besten schaffen.

"Bestellt" hat also kein Verbraucher die neue Autogeneration. Die meisten Deutschen brauchen einfach für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Pkw. Kinder-Transporte zur Kita und zur Schule kommen hinzu, wie auch ein- zweimal im Jahr der Urlaub. Für diese Notwendigkeiten - Arbeit, Erziehung und Erholung - ist hierzulande für die meisten Leute ein Auto unverzichtbar. In welchem Umfang diese Gefährte Treibhausgase ausstoßen, haben die Autokäufer auch hier nicht in der Hand. Sie haben aber die Auswahl - und dürfen ganz frei zwischen Kleinwagen, SUV und S-Klasse entscheiden, mit oder ohne Elektroantrieb.

Bei wem das Geld dafür nicht reicht, kann ja den öffentlichen Personennahverkehr benutzen. Der ist dann sogar klimaschonender als ein Privatauto. So kann man selbst mit kleinem Budget etwas Gutes tun! Nur blöd, wenn die Verbindung doppelt und dreifach so viel Zeit kostet. Busse und Bahnen sind halt keine Treiber für Wirtschaftswachstum, wie es die Autos sind. Schlimmer: Sie kosten dem Staat eine Menge. Entsprechend fallen die verkehrspolitischen Prioritäten aus.

Wenn man sich auch noch die alljährliche Kreuzfahrt und den Flug nach Malle klemmt, werden dem Klima weitere Tonnen Kohlendioxid erspart. Das allerdings würde den betroffenen Branchen Touristik und Luftfahrt wirtschaftliche Probleme bereiten. Wenn das billige Vergnügen für das Gros der Leute ausfällt, gerät natürlich das Geschäft damit in Schieflage. Was zu vermeiden ist: Schon arbeiten die Branchen an "klimaneutralen" Reisen - wie auch viele andere Unternehmen ihren Ausstoß an Treibhausgasen kompensieren wollen.

Mithin weitermachen, aber zum Beispiel armen Schluckern in Afrika einen Solarkocher spendieren, für den monetären Gegenwert einer gewissen in die Umwelt geblasenen Menge CO2. Der Ofen verringert dann die Klimabelastung, weil die Leute in ihrer Not nicht mehr einfach Holz für ihre Essenszubereitung verbrennen. So leistet das Kapital sogar noch Entwicklungshilfe! Jetzt müssten die Armen in der Dritten Welt nur noch regelmäßig und ausreichend etwas finden, was sie kochen können...

Solarkocher spendieren, Wälder aufforsten: So darf es mit der CO2-Emission weitergehen

Im Hinblick auf den CO2-Treiber Energie gilt mittlerweile die Kompensation als ein Weg für Betriebe, ihre Emissionen aufgrund ihres Verbrauchs an Strom und Gas rechnerisch runterzufahren - obwohl sie tatsächlich weiter die Luft belasten. Neben dem Solarkocher wird hierfür vor allem die Aufforstung von Wäldern in Anschlag gebracht. Denn Bäume speichern bekanntlich Kohlendioxid, entziehen es der Luft. Weltweit gibt es auch genügend Fläche dafür, wie vor knapp zwei Jahren bereits Umweltwissenschaftler der ETH Zürich ermittelten.

Der Theorie steht allerdings einiges entgegen: Bis ein Wald seine klimagünstige Wirkung entfaltet, dauert es Jahrzehnte. Er muss bis dahin und dann natürlich bis zu seinem Lebensende Hitzewellen und Unwettern trotzen, sich gegen Schädlinge behaupten und möglichst nicht abbrennen, was derzeit immer häufiger passiert; und nicht abgeholzt werden, weil es sich gerade besonders lohnt. Außerdem bedeutet freie Fläche nicht, dass der Boden geeignet ist. Und nicht, dass es dort keine gewichtigen politischen Interessen gibt - die dort lieber Siedlungen, Unternehmen, Agrarflächen und Straßen haben wollen.

Für das Wald-Zertifikat, das eine Firma für seine CO2-Kompensation kauft, ist das aber erst einmal nicht entscheidend. Fortan ist man "klimaneutral", fügt der Atmosphäre also rechnerisch nicht mehr Treibhausgase zu, als man auf anderem Weg ihr entzieht. Dem Normalverbraucher steht diese Möglichkeit nicht zur Verfügung. Immerhin kann er beim Flug einen Öko-Aufschlag entrichten und beim Haushaltsstrom einen Euro im Monat mehr für irgendwie klimafreundlich erzeugten Strom bezahlen. So machen Fluglinien und Stadtwerke neue Geschäftsfelder auf, die ihre anderen weniger klimafreundlichen prima ergänzen.

CO2-Treiber Energie: Muss es so warm sein? Und ein Gefrierfach tut es doch auch!

Der CO2-Rechner des WWF konzentriert sich daher folgerichtig auf das, was ein Mensch in seinem Alltag an Energie verbraucht. Bei den Angaben zu Heizung und Warmwasser scheiden schon mal etwas mehr als die Hälfte der Verbraucher aus: Sie haben als Mieter keine Wahl, ob ihre Wohnung mit Kohle, Öl, Gas, Fernwärme, Strom, Solarthermie oder Holzpellets warmgehalten wird. Da müssen sie nehmen, was der Vermieter hat einbauen lassen.

Auch den Energie-Standard des Hauses - unsaniert, saniert, Altbau, Neubau, Niedrig-Energie- oder Passivhaus - können die Millionen deutschen Mieter nicht beeinflussen. Dennoch nimmt der Rechner die Daten auf und zeigt gnadenlos die Mehr-Tonnen Treibhausgase an, wenn man in einem energetisch nicht sanierten Altbau wohnt, noch dazu mit einer Öl- oder, etwas besser, Gasheizung.

Diese Hypothek wächst weiter, wenn man auf zu großem Fuß lebt. Da gelten mehr als 50 Quadrameter je Person als schlicht zu viel fürs Klima. In solchen Fällen weiß der WWF aber Rat: Einfach einen Untermieter aufnehmen, dann passt die Fläche! Und die Umweltorganisation eröffnet das weite Feld des Verbraucher-Verhaltens. Muss die Wohnung unbedingt 21 Grad warm sein, kann die Wäsche nicht öfter mit 30 Grad gewaschen werden und an der Leine hängen statt im Trockner schleudern?

Natürlich sollten alle Haushaltsgeräte möglichst hohen Effizienz-Standards genügen, und reicht nicht ein Kühlschrank mit Gefrierfach statt einer Gefriertruhe? Hier kann also der Verbraucher endlich etwas tun. Ein bisschen Verzicht für die Weltrettung und die neuesten Geräte kaufen, das muss doch drin sein! Egal, dass sich diese Änderungen ziemlich gering ausnehmen im Vergleich zum Heizungssystem und zur Warmwasserbereitung.

Aber die Vermieter können da doch im Sinne des Klimaschutzes handeln? Wenn sich das rechnet, gern! Dann schlagen sie die modernere Heizung, die neuen Fenster oder die gedämmte Fassade auf die Miete auf. Wenn sie die Immobilie selbst nutzen, geht es um Werterhalt und -steigerung sowie um die Kalkulation, ob sich in absehbarer Zeit eine Sanierung lohnt.

Ganz frei ist der Hausbesitzer allerdings nicht: Mit einer Menge Vorschriften und der Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises übt der Staat Druck aus. Schließlich soll seine Wende zur von Importen weitgehend unabhängigen Energieversorgung und exportfähigen Klimatechnik nicht an mehrheitlich schlecht ausgestatteten Gebäuden scheitern. Damit ist auch klar: Billiger wird die Energie nicht.

Während sich die meisten Unternehmen mit effizienteren Maschinen und Produktionsmethoden, staatlicher Unterstützung und Ausnahmeregeln weitgehend schadlos halten werden, bleiben dem Normalverbraucher nicht viele Möglichkeiten, seine Ausgaben für Strom und Wärme im Zaum zu halten. Aber mit ein paar Abstrichen an seinem ja sonst luxuriösem Leben spart er nicht nur Geld, sondern verbessert auch noch seine CO2-Bilanz!