Das Verfassungsgericht bringt Ordnung ins Rundfunkchaos

Bild: Jonathan Kemper/Unsplash

Aber die üblichen Verdächtigen wettern wieder gegen Zwangsgebühren. Kommentar

Die Welt ist voller Zwänge. Vor allem die in Deutschland: Gerade erst wurde der monatelange Zwangsarrest der Bevölkerung beendet, es herrscht Maskenzwang, es droht eine Zwangsimpfung der Bevölkerung. Zwangssteuern werden erhoben. Und sowieso: Werden wir täglich zum Schlafen gezwungen? Zum Essen und Trinken.

Jetzt wird auch noch das letzte bisschen Freiheit der Bürger ausgehebelt: Um 86 Zwangs-Cent steigen die Rundfunkgebühren. Die Bundesrepublik ist ein Sklavenstaat. Deutschland schafft sich ab. Durch Zwangsgebühren.

Anschwellende Dystopien

Es ist das Raunen solcher Dystopien, das jetzt wieder anschwillt, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Sonderweg von Sachsen-Anhalt unterbunden und damit wieder ein bisschen Ordnung im Rundfunkland Deutschland hergestellt hatte.

Erinnern wir uns: Der dortige Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) hatte die Erhöhung des Rundfunkbeitrags am 8. Dezember blockiert, wohl auch weil seine Partei die Erhöhung in Teilen nicht mittragen wollte, in erster Linie aber, um billig bei den Rundfunk-Gegnern unter denen AFD-Sympathisanten ein paar Punkte im Wahlkampf zu machen. Haselhoff wusste natürlich von Anfang an, dass dies vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben würde.

Politisch aber ging die Rechnung auf und Haselhoffs Mischung aus derartigem symbolischen Entgegenkommen und klarer Kante gegen die AfD brachte der CDU ein unerwartet gutes Ergebnis.

Delegitimierungsdiskurse

Es gibt interessierte Kreise und manche Autoren, die gern grundsätzlich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk polemisieren, anstatt differenzierte Kritik an einem im Prinzip bewährten Modell zu üben. Dabei wettern nicht nur Hysteriker und politische Rechtsausleger gegen das Karlsruher Urteil.

"Ein Urteil mit abenteuerlicher Begründung" sieht auch Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt, einer der wenigen verbliebenen klassischen Liberalen unter den deutschen Journalisten, und behauptet: "Per Verfassungsbeschwerde haben ARD, ZDF und Deutschlandradio eine Erhöhung der Rundfunkgebühren durchgesetzt."

Schon das ist falsch, denn 15 Bundesländer hatten zuvor entschieden. Stattdessen raunt Poschardt: "Das Bundesverfassungsgericht ist eine der mächtigsten Institutionen der Bundesrepublik."

Es ist ja nicht völlig falsch, wenn Poschardt schreibt: "Grünennähe", "die ideologischen, in Teilen agitatorischen Sendungen wie 'Panorama' und 'Monitor' besondere Verdienste bei der Bedienung von Ressentiments und schrillen Framings hat. Vom Querfront-Kabarett wie 'Die Anstalt' ganz zu schweigen", und:

Während der Flüchtlingskrise, nun bei Corona und bei Klimafragen hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur in seinen Hauptsendern und Sendungen, sondern insbesondere in den jüngeren Nischenkanälen, den als Comedy oder Kabarett getarnten Moralpredigten und den Social-Media-Kanälen Kulturkämpfer etatisiert, die relativ offen ihre Agenda durchdrücken. Auf diesen vermeintlich sozialen Kanälen werden dann gerne auch Andersdenkende beschimpft und gedemütigt, wenn sie sich über die Einseitigkeit beschweren.

Ulf Poschardt, Die Welt

Nur werden solche Probleme mit der Delegitimierung von Rundfunkbeiträgen oder der gehobenen Version vom Narrativ der "links-grün-versifften Medien" (Jörg Meuthen) nicht gelöst.

Ablenkung von den wirklich wichtigen Fragen

Die neuerliche Debatte lenkt ab vom tatsächlichen Reformbedarf und den eigentlich interessanten Themen, und den Fragen, die tatsächlich an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stellen wären. Sie lenkt ab von notwendiger Kritik an einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der zunehmend seine eigentliche Aufgabe vernachlässigt.

Der sich auf Unterhaltungsprogramme, auf schlechte Filme und Sportübertragungen konzentriert und Informationsprogramme ebenso wie den Dokumentarfilm in die Peripherie der Sender verdrängt, der statt kritischer Information zu bieten, und das Gegebene konstruktiv und differenziert in Frage zu stellen, nicht erst in der Corona-Krise allzu oft allzu staatsnah ist oder in seinen mitunter zu Krawallshows verkommenen Talk-Sendungen billige Skandale erzeugt.

Einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich im angeblichen Fortschritt der Einführung des Gender-Sprechens gefällt, obwohl zwei Drittel seines Publikums eben gegen dieses Gendern sind, der zugleich aber jede ästhetische Innovation in seinen fiktionalen Programmen, jede etwas anstrengendere oder essayistischere Form des Dokumentarfilms ebenso ablehnt wie jedes Experiment bei den Informationsprogrammen.