Warum Pflegekräfte auch für ihre Patienten streiken

"Mehr von uns ist besser für alle": So argumentiert auch die Berliner Krankenhausbewegung. (Bild zeigt Demo zum Charité-Streik 2015) Foto: Fraktion Die Linke im Bundestag / CC BY 2.0

Die Berliner Krankenhausbewegung will einen besseren Personalschlüssel durchsetzen und kann dabei auf breite Solidarität bauen. Ihr Ultimatum ist um Mitternacht abgelaufen

Wenn Patienten in einem Krankenhaus stundenlang auf einer Bettpfanne sitzen müssen, weil nicht ausreichend Pflegekräfte auf der Station sind, dann dürfte einiges im Argen liegen. Solche Vorfälle seien keine Einzelfälle in Berliner Kliniken, berichteten am Freitag Patienten bei einer Pressekonferenz des Bündnisses "Gesundheit statt Profite". Es fehle überall an Pflegepersonal; so komme es, dass man bei der Anmeldung mitunter stundenlang warten müsse - trotz erheblicher Schmerzen.

Auch bei der Reinigung werde gespart, sagte eine Patientin. Als sie das letzte Mal im Krankenhaus gewesen sei, wäre der Bettkasten noch verdreckt gewesen, benutzte Taschentücher und leere Bierflaschen hätten dort gelegen. Überhaupt stehe das Personal in den Kliniken unter enormen Stress, sodass vieles nicht ordnungsgemäß erledigt werden könne.

Die Berliner Krankenhausbewegung will solchen Zuständen ein Ende setzen, besonders denen in der Pflege. Im Mai hatte es dem Berliner Senat und den Klinikleitungen ein Ultimatum von 100 Tagen gestellt, um ernsthafte Schritte zur Entlastung des Pflegepersonals einzuleiten. Sollten sie dazu aber nicht bereit sein, dann sollen die landeseigenen Kliniken Vivantes und Charité bestreikt werden. An diesem Freitag um 24 Uhr lief das Ultimatum ab. Die Zeichen stehen auf Arbeitskampf.

Forderung: Bedarfsgerechte Personalbemessung

"Der Streik ist unser letztes Mittel", so die Pflegekraft Stella gegenüber der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Stella arbeitet in der Rettungsstelle an der Humboldt-Klinik in Berlin. Und sie sagt, anders wisse man sich nicht mehr zu helfen.

Die Humboldt-Klinik gehört zum landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes - und von ihm hat es nach Gewerkschaftsangaben noch nicht einmal ein Gesprächsangebot gegeben. Vivantes habe stattdessen nichts unversucht gelassen, den Streik mit fragwürdigen Methoden zu verhindern. "Erst per Gerichtsentscheid und als der nicht zustande kam, wurde Beschäftigten mit Kündigung gedroht, sollten sie sich an einem Streik beteiligen", heißt es bei Ver.di. Und über die Gewerkschaft habe man Fake News gestreut.

Den Klinikleitungen werde aber von Ver.di frühzeitig mitgeteilt, welche Bereiche von Arbeitskampfmaßnahmen betroffen seien, damit sie entsprechende Vorbereitungen treffen und Notdienstvereinbarungen mit den Beteiligten abschließen könnten. Diese sollen sowohl die Notfallversorgung der Patienten als auch das Streikrecht der Beschäftigten garantieren.

Im Streikfall kann das Pflegepersonal auf breite Solidarität bauen. Der Deutsche Berufsverband der Pflegeberufe (DBfK) begrüßte am Freitag den Arbeitskampf. Er sei notwendig und er stelle sogar laut internationalem Ethikkodex eine Pflicht dar. "Gemäß International Council of Nurses (ICN) ist es für Pflegefachpersonen Pflicht, auf ihre eigene Gesundheit zu achten und sich für eine positive Arbeitsumgebung mit sicheren, sozial gerechten und wirtschaftlichen Arbeitsbedingungen einzusetzen", heißt es beim DbfK.

Der Verband fordert eine Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Bedarf und nicht an ökonomischen Kennziffern orientiert. "Solange politische Entscheidungsträger eine adäquate gesetzliche Personalbemessung verweigern und die Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) als Übergangslösung vom Bundesgesundheitsminister abgelehnt wird", sei der Arbeitskampf legitim, so Markus Lauter vom DBfK Nordost.

Solidarität auch von Ärztinnen und Ärzten

Auch aus der Ärzteschaft kommt Unterstützung. "Die Überlastung der Pflege geht uns alle etwas an - nicht nur moralisch, sondern auch ganz praktisch", heißt es in einer Erklärung des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte vom Freitag. Wenn Pflegepersonal fehle, leide die Versorgungsqualität und es sei absolut richtig, "dass sich die Kollegen dagegen zur Wehr setzten und angesichts fehlender gesetzlicher Vorgaben verbindliche Tarifregelungen fordern".

Ärzte aus allen betroffenen Häusern und aller Verantwortungsstufen unterstützten den Streik, betonte Andreas Umgelter, Chefarzt in der Rettungsstelle des Humbolt-Klinikums. Mehr als 260 Mediziner hätten bereits einen Aufruf zur Unterstützung des Pflegepersonals unterschrieben und ihre Zahl steige weiter an.

Unterstützung der etwas anderen Art kam von unbekannter Seite. Das Internetportal Indymedia berichtete am Donnerstag von einer Plakataktion in einer Bushaltestelle nahe des Urban-Klinikums. Wie auf dem scheinbaren Werbeplakat zu lesen ist, bieten Kliniken angehenden Pflegekräften vor allem: viel zu wenige Toilettenpausen, Krankenpflege wie am Fließband, Überlastung und Arbeitsunfähigkeit mit 40. Deshalb die Aufforderung: "Organisiert euch im Streikbündnis!"

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