Covid: Totimpfstoff als Hoffnungsträger

Der österreichisch-französische Impfstoffhersteller Valneva hat bei der britischen Zulassungsbehörde MHRA ein beschleunigtes Zulassungsverfahren beantragt

Die Hoffnung, die mit der Entwicklung eines Totimpfstoffes gegen Covid-19 verbunden wird, sieht so aus: Er könnte den Kreis derer, die sich impfen lassen wollen, erweitern, weil Totimpfstoffe lange erforscht und erprobt sind, und damit Skeptiker der mRNA- und Vektorimpfstoffe überzeugt werden könnten, sich doch gegen Corona impfen zu lassen.

Bei der britischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel, MHRA, wurde nun ein sogenanntes "rollierendes", d.h. beschleunigtes Zulassungsverfahren für einen solchen Impfstoff beantragt. Hersteller ist Valneva, entstanden vor acht Jahren durch einen Zusammenschluss eines österreichischen und französischen Unternehmens, in mehreren Ländern operativ.

Der Impfstoffhersteller ist in "Europa der einzige Ganzvirus-Impfstoffkandidat zum Schutz vor Covid-19, der sich in klinischen Studien befindet", so die Parmazeutische Zeitung. Die Basis für das Zulassungsverfahren in Großbritannien sei eine Phase-III-Studie VLA2001-301 (Cov-Compare), die Ende April gestartet wurde (siehe auf Deutsch auch hier).

Die ersten Ergebnisse dieser Studie werde schon Oktober erwartet, berichtet Parmazeutische Zeitung . Sollten diese erwartungsgemäß ausfallen, dann geht "Valneva davon aus, dass die Erstzulassung noch vor Ende 2021 erteilt werden könnte".

"Totimpfstoff" und "Ganzvirus-Impfstoff"

Totimpfstoffe heißen deshalb so, weil sie aus inaktivierten, vollständigen Viren oder aus gereinigten oder rekombinant hergestellten, also aus künstlich produzierten, viralen Proteinen bestehen. (…) Im Grunde funktionieren alle Impfungen so: Sie zeigen dem Körper den Krankheitserreger, und der kann daraufhin Abwehrstrategien aufbauen. Anstatt genetischer Informationen über das Virus, wie bei mRNA- und Vektorimpfstoffen, enthalten Totimpfstoffe den Erreger selbst - jedoch ist dieser nicht mehr vermehrungsfähig. Vereinfacht heißt das: Sars-CoV-2-Viren werden inaktiviert, gereinigt und konzentriert.

Eja Kapeller, Der Standard

"Das Prinzip ist einfach", erklärt auch die Pharmazeutische Zeitung in einem Bericht aus dem Juni letzten Jahres. Man nehme den Erreger, gegen den man schützen möchte, züchte ihn in Kultur an und verwende ihn dann "in abgeschwächter Form, die keine Krankheitssymptome mehr auslöst, oder in inaktivierter Form".

Diese ganzen Viren sind die klassischen Impfantigene. Hier liegen die Wurzeln der Impfstoffentwicklung. Edward Jenner, der Mann, der das Impfen erfand, verwendete im Jahr 1796 in einem riskanten Versuch harmlose Kuhpocken, um den Jungen James Phipps vor den gefährlichen Menschenpocken zu schützen. Wie man weiß, ging alles gut. Aber heute wird mehr Wert auf Sicherheit gelegt.

Pharmazeutische Zeitung

Der naheliegende Vorteil von Ganzvirus-Impfstoffen besteht darin, dass sie vergleichsweise einfach zu produzieren sind, angeblich auch schnell und dafür auch Herstellungsanlagen auf der ganzen Welt verfügbar sein sollen. Der letzte Satz im obigen Zitat deutet an, dass es aber auch Nachteile der Totimpfstoffe gibt.

Totimpfstoffe lösen vor allem die Produktion von Antikörpern aus, dringen dabei aber nicht in Zellen ein. Das langfristige Immungedächtnis, also etwa die B- und T-Zellen, werde deshalb nicht so stark angeregt. Bei einem Totimpfstoff stellen Körperzellen, anders als bei Vektor- oder mRNA-Impfstoffen, Teile des Virus nämlich nicht selbst her und präsentieren diese dann den B- oder T-Zellen. Vielmehr nehmen bestimmte Fresszellen die inaktivierten Viren oder Viruspartikel auf, wodurch die zelluläre Antwort nicht so gut aktiviert wird.

Eja Kapeller, Der Standard

Die Vektoren-Impfstoffe wie von Astrazeneca oder mRNA-Impfstoffe wie von Biontech übermitteln genetische Informationen über das Virus, weshalb sie für eine andere Stimulation zum Bau von Antikörpern sorgen "Sobald das genetische Material in menschliche Zellen gelangt, verwendet es die Proteinfabriken der Zellen, um das Antigen herzustellen, das eine Immunantwort auslöst."

Im Gegensatz dazu haben inaktivierte Viren wie bei Totimpfstoffen die Fähigkeit verloren, "eine Zelle aktiv zu infizieren, um sich dort dann auch zu vermehren, können diese Virusartefakte nur durch antigenpräsentierende Zellen aufgenommen werden", wird in der Pharmazeutischen Zeitung erklärt, weswegen nur bestimmte Helferzellen gebildet werden:

Diese professionellen Immunzellen (antigenpräsentierende Zellen, Erg. d. V.) zeigen die viralen Antigene dem Immunsystem über MHC-II-Moleküle. Aus diesem Grund wird neben Antikörpern nur die Bildung CD4+-Helfer-T-Zellen induziert. Zytotoxische CD8+-T-Zellen werden anders als bei den Vektor- oder mRNA-Impfstoffen, durch inaktivierte Viren nicht induziert.

Pharmazeutische Zeitung

(Hier nun beginnt aber auch ein schwieriges Terrain, nämlich das der Einschätzung von Studienergebnissen über das Vorkommen von CD8+-T-Zellen bei leichten und schweren Verläufen von Covid-Erkrankungen. Der vorläufige Schluss, der daraus gezogen wird, lautet: "Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit einem schweren Covid-19-Verlauf möglicherweise mehr spezifische 'T-Gedächtniszellen' besitzen und daher besser vor einer Reinfektion geschützt sein könnten als Menschen, die eine eher milde Erkrankung durchgemacht haben." (siehe T-Zellen unter Beobachtung))

Nach Angaben von Valneva hat man bereits Anlagen für den industriellen Herstellungsprozess eingerichtet.

Für die Virenvermehrung werden Verozellen verwendet, ähnlich wie bei den chinesischen Impfstoffen, die auf der gleichen Technologie basieren. Die Viren werden dann chemisch deaktiviert, bevor sie zusammen mit den Impfstoffverstärkern gespritzt werden. Die Technologie ist bereits lange etabliert und kommt bei zahlreichen Impfstoffen zum Einsatz. Valneva selbst stellt mit dieser Plattform bereits einen Impfstoff gegen die japanische Enzephalitis her.

MDR

Im vierten Quartal dieses Jahres will man einen Zulassungsantrag bei der EMA stellen.

VLA2001 besteht aus inaktivierten ganzen Viruspartikeln von SARS-CoV-2 mit hoher S-Protein-Dichte in Kombination mit zwei Adjuvantien, Alaun und CpG 1018. Diese Adjuvans-Kombination hat in präklinischen Experimenten durchweg höhere Antikörperspiegel induziert als reine Alaun-Formulierungen und eine Verschiebung der Immunantwort in Richtung Th1 gezeigt.

Transkript.de

Mit der EU gab es bereits im Januar Sondierungsgespräche über den Ankauf von 30 Millionen Dosen des Valneva-Corona-Impfstoffs.